Von Sahra Barkini – Stuttgart. Die Initiative „#Save Gastro“ rief für Samstag, 14. November, zu einer Demonstration mit Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt auf. Die neugegründete Initiative ist ein Zusammenschluss von Beschäftigten der Gastronomie und Aktiven von „Solidarität und Klassenkampf“. An der Kundgebung nahmen circa 120 Menschen teil.
Zu Beginn der Demonstration am Hans-im-Glück-Brunnen konfiszierte die Stuttgarter Polizei Fahnenstangen der Gewerkschaft „Nahrung Genuss Gaststätten“ (NGG). Sie waren laut Veranstalter 2 Millimeter zu dick. Das wurde von der Polizei extra nachgemessen. Gegen Abschluss der Kundgebung störten die BeamtInnen sich dann an Straßenmalkreide.
An diesem sonnigen November-Samstag war es um den Hans-im-Glück Brunnen sehr ruhig. Die Bars und Cafés sind aufgrund des Lockdown-light geschlossen, und das rege Treiben wich einer Stille. Ein guter Ausgangspunkt also, um auf die Nöte der Gastronomie aufmerksam zu machen. Den InitiatorInnen ging es bei der Kundgebung nicht darum, eine schnelle Öffnung der Lokale zu fordern, aber sie wollten darauf aufmerksam machen, was dieser zweite Lockdown für die Beschäftigten der Branche bedeutet.
Nach einer kurzen Begrüßung setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Alle TeilnehmerInnen trugen einen Mund-Nasen-Schutz. Unter lauten Parolen wie „Save Gastro“ zogen die Demonstrierenden zum Rotebühlplatz. Dort war bereits ein gedeckter Tisch mit Stühlen und Desinfektionsmittel sowie weitere Reinigungsutensilien aufgebaut. Dies symbolisierte die Gastroszene, die mit ausgefeilten Hygienekonzepten alles versuche, um den Gästen trotz Pandemie einen schönen und sicheren Abend zu gewährleisten.
Auch auf Trinkgeld angewiesen
Redebeiträge kamen von einer Beschäftigten aus der Gastronomie, von Alexander Münchow von der NGG und einem Aktivisten von „Solidarität und Klassenkampf“.
In der ersten Rede ging die Gastronomie Beschäftigte auf ihre Forderungen ein. Sie sagte: „Es ist kein Geheimnis das man in der Gastro das Trinkgeld braucht, um über die Runden zu kommen, und das fällt aktuell weg.“ Sie merkte an, dass man mit 60 Prozent Kurzarbeitergeld kaum noch die überteuerten Mieten in Stuttgart bezahlen kann, und was zu essen brauche man auch.
Und weiter: „Wir finden die Hygieneregeln und Maßnahmen zum Infektionsschutz sinnvoll und wollen uns in keinster Weise dagegenstellen, geschweige denn die Forderung aufstellen, die Gaststätten, Bars und Clubs bei steigenden Infektionszahlen wieder zu öffnen. Es ist wichtig und unabdingbar, dass wir die weltweite Pandemie ernst nehmen und gerade jetzt in der Praxis deutlich machen, was Solidarität untereinander bedeutet. Indem wir zeigen, dass wir eine Gesellschaft sind, die aufeinander achtet und die Älteren, Schwächeren und bereits vorerkrankten Menschen nicht unnötig in Gefahr bringt.“
Höheres Kurzarbeitergeld gefordert
Die Beschäftigten fordern eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 100 Prozent auch für MinijobberInnen. Weiter sagte sie: „Versprochene Rettungsschirme kommen nicht an. Wir stehen schon lange im Regen, und viele von uns sind schon total durchnässt. So kann es nicht weitergehen.“ Die Beschäftigten der Gastronomie wollen gemeinsam mit der KünstlerInnen-Szene und der Veranstaltungsbranche für ihre Interessen einstehen.
Sie betonte: „Dabei grenzen wir uns ganz klar ab von sogenannten Querdenkern und anderen rechten Verschwörungstheoretischen Schwurblern. Denn Krisenzeiten mit der Unzufriedenheit der Menschen sind auch immer Momente, die von Rechten genutzt werden, um zu ködern und um unsere Gesellschaft zu spalten. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Und weiter: „Wir wollen einstehen für eine solidarische Gesellschaft, der ein echter Infektionsschutz und die Gesundheit der Menschen wichtig ist. Wir möchten uns organisieren und nicht spalten lassen, denn wir sind viel stärker, wenn wir uns zusammenschließen.“
Existenzielle Krise spitzt sich zu
Alexander Münchow von der NGG empfindet es als Skandal, dass die Regierung zwar Milliarden in Rettungspakete steckt, aber die Gastronomie dabei überhaupt nicht berücksichtigt werde. Die Situation für die Beschäftigten in Restaurants, Cafés, Hotels sei dramatisch. Es gehe ans Eingemachte. Münchow sagte: „Die erneute Schließung spitzt die existenzielle Krise zu und bedroht die Arbeitsplätze in der Branche massiv. Eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes wäre deshalb genau so dringend nötig wie die Umsatzentschädigungen für die Unternehmen.“
Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe vergessen werden. Auch er forderte Soforthilfen für alle Beschäftigten in der Branche. So müsse das Kurzarbeitergeld dringend auf 100 Prozent aufgestockt werden. Es brauche Jobsicherung, und es dürfe für die Menschen in Kurzarbeit keine zusätzlichen steuerlichen Belastungen geben. Die Ignoranz gegenüber den Beschäftigten müsse aufhören. Es brauche einen sozialen Rettungsschirm, der tatsächlich konkret helfe so Münchow.
Bezahlen sollen die Profiteure
Akzeptanz für die momentanen Maßnahmen können laut Münchow nur hergestellt werden, wenn man nicht nur Unternehmen und Konzerne mit Hilfspaketen unterstützt, sondern auch die Beschäftigten sozial und finanziell absichert. Münchow weiter: „Wenn man die soziale Schieflage nicht korrigiert, ist auch das Risiko groß, dass Neurechte, antisemitische Verschwörungsmythologen und andere selbsternannte Querdenker das für ihre Zwecke missbrauchen. Denen dürfen wir allerdings niemals die Köpfe, die Betriebe und die Straßen überlassen. Deshalb muss es eine soziale Krisenlösung geben, denn nur eine soziale Krisenlösung ist auch eine antifaschistische.“
Münchow stellt klar, dass diese Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden darf. Vielmehr sollten die zur Finanzierung der Krise herangezogen werden, die in den letzten Jahrzehnten unermesslichen Reichtum aus der Arbeit anderer angehäuft hätten. Er sagte: „Das mag ja jetzt radikal klingen, aber ich sage es immer wieder. Wir sollten nicht soviel Mitleid mit den Kapitalisten haben, sondern wir sollten sie zur Kasse bitten und endlich die Profiteure der Verhältnisse für die Krise bezahlen lassen.“
Hilfe muss auch ankommen
Dem Redner von „Solidarität und Klassenkampf“ war es wichtig zu betonen, dass Corona-Hilfen auch bei den Beschäftigten ankommen, denn sonst sei der Mehrheit nicht geholfen. Mit dieser Kundgebung werde nicht viel gefordert, einfach nur der Schutz der Gastronomie, der Schutz von Existenzen. Auch für ihn ist klar, dass diese Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden darf. Denn: „Während in der Politik schöne Worthülsen aufeinandergetürmt werden und von Zusammenhalt und Solidarität gesprochen wird, werden die Pandemie und die mit ihr verbundenen notwendigen Maßnahmen auf unserem Rücken ausgetragen.“ Zum Schluss sagte er: „Save Gastro – Save Veranstaltungstechnik – Save Kunst und Kultur.“
Zum Ende der Kundgebung hatte die Stuttgarter Polizei offenbar noch ein Problem mit dem Malen mit Straßenkreide. Der genaue Grund ist der Redaktion nicht bekannt. Vielleicht lag es am Wochentag – schließlich war Samstag und Kehrwoch‘-Zeit.
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