Kommentar von Beate Michael – Frankfurt. Etwa sechzig bis hundert Flüchtlinge wurden in Frankfurt am Main für sechs Wochen in einer Turnhalle untergebracht. Die Dezernentin Daniela Birkenfeld gab dies mit den Worten bekannt, dass es sich um eine absolute Notsituation für die Stadt handele und eine Ausnahme sei und bleiben sollte. AktivistInnen nahmen sich des Themas an. Ihre Erfahrung: Die Flüchtlinge brauchen vor allem Mitmenschlichkeit und Respekt.
Auch wenn das Problem in Zahlen absehbar war, gab sich das Frankfurter Sozialdezernat hilflos. Was war beziehungsweise ist mit den Tausenden Quadratmetern Leerstandsflächen in der Stadt? Auf Nachfragen bekommt man immer nur die Probleme genannt, niemals die Lösungen!
Von würdiger Unterkunft kann keine Rede sein
Soweit so schlecht. Politische AktivistInnen organisierten an drei Freitagabenden Treffen mit den Geflüchteten vor der Sporthalle. Auf dem Gehsteig, denn selbst auf dem komplett leeren Schulhof durfte sich niemand aufhalten. Auch mit einer Einladung von Flüchtlingen, sie zu besuchen, erhielt man keinen Zutritt zu der Sporthalle. Einen „Besucherraum“ wie zum Beispiel in einer Haftanstalt gab es in der Sporthalle Süd nicht. SozialarbeiterInnen seien ebenfalls nicht vor Ort.
Wenn die Stadt Frankfurt, wie die Dezernentin beschreibt, in einer prekären Situation ist, um Menschen unterzubringen, ist es zumindest notwendig, diesen Zustand so erträglich wie möglich zu gestalten. Dies geschah nicht in der Sporthalle. Von würdig kann in einer Turnhalle sowieso keine Rede sein.
Prekär Beschäftigte organisieren Flüchtlinge
Nachdem politische AktivistInnen um #NoFragida sich des Themas angenommen hatten, folgte nach dem ersten Besuch ein zweiter eine Woche später. Bei diesem Besuch waren mehrere Dolmetscher des Project Shelter anwesend. Aus allen Sprachen der Geflüchteten konnte übersetzt werden. Die Eindrücke des ersten Besuchs, dass in der Turnhalle eine schwierige Situation herrschte, verfestigte sich.
Die Geflüchteten waren in der Halle untereinander erheblicher Diskriminierung ausgesetzt, und es gab keinerlei soziale Arbeit, die dem hätte entgegenwirken können.
Die Flüchtlinge nannten den Sicherheitsdienst vor Ort das größte Problem. Er habe Spenden, die direkt dort abgegeben wurden, nach Verwertbarkeit beurteilt, wenn möglich zunächst für den eigenen Bedarf aussortiert, danach für den Weiterverkauf auf Flohmärkten begutachtet und erst dann je nach hierarchischer Struktur an die Flüchtlinge verteilt. Die Flüchtlinge aus Eritrea bekamen nie etwas, schilderten sie NoFragida. Die Gruppe organisierte das Projekt „Umsonst Flohmarkt“.
Soziale Kontakte? Fehlanzeige!
Die Geflüchteten benannten diese Probleme sehr deutlich, aber auch sehr pragmatisch. Als tatsächlich emotional belastend beschrieben sie das Probleme der sozialen Isolation. Der Wunsch nach Austausch war der wichtigste, der Wunsch danach, Menschen in Deutschland kennenzulernen.
Die Stadt, das Land, die Kultur – all das wollten sie erleben. Am zweiten Freitagabend waren stellenweise über hundert Menschen vor der Turnhalle, die Stimmung euphorisch und die Flüchtlinge völlig gelöst. Sie waren ein Teil des Abends, der wichtigste Teil. Hinter ihnen lagen Wochen, Monate, Jahre der Angst. Oft traumatisiert von Gewalt und Fluchterfahrungen, begann ein Stück Normalität.
Was hilft wirklich?
Bei dem ersten Treffen wurden kleine Wünsche geäußert. Fahrräder, Schuhe und Hygieneartikel. Aber viel mehr wurde nach „Gemeinsamkeit“ gefragt! Nach Hilfe bei der Arbeitssuche, Hilfe bei der Wohnungssuche. Wo kann ich Deutsch lernen? Kann man hier als Taxifahrer arbeiten?
Viele Menschen sprechen #NoFragida an, um Sachspenden zu geben. „Man habe einmal seinen Schrank ausgeräumt.“ Schon der Hinweis, dass Spenden nicht als Spenden, sondern als „Umsonst Flohmarkt“ dargeboten wurden und wieder mit nach Hause genommen werden musste, was dort nicht gewollt war, führte zu ratlosen Gesichtern. „Man will doch helfen!“
Flucht ist ein dramatisches Erlebnis
Die Hilfsbereitschaft, gebrauchte Dinge nicht auf den Müll zu werfen, sondern weiter zu geben, ist mehr als löblich, ökologisch sinnvoll und konsumbewusst. Wichtiger hingegen ist jedoch, Flüchtlinge in ihrer Situation ernst zu nehmen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Wichtiger ist die Bereitschaft zu erkennen, dass es Menschen sind, die extreme Erlebnisse hinter sich haben und ein schweres Leben vor sich.
Wenn wir wollen, dass diese Menschen mit uns leben, müssen wir ihnen das Willkommen entgegenbringen, das ihnen zeigt, dass es möglich ist, ein Teil dieser Gesellschaft zu werden. Wir müssen uns die Zeit nehmen, die Lebensgeschichte zu erfahren, das Heimweh, die Sehnsüchte. Wir müssen uns anhören und mit Empathie und Respekt zur Kenntnis nehmen, dass Flucht ein eigenes, ein dramatisches Erlebnis ist.
Das Recht auf Asyl ist kein Almosen
In der gesamten Diskussion um Flucht kommt der Aspekt, dass Flüchtlinge ein Recht auf Asyl haben, so gut wie nicht vor. Auch ist es völlig absurd, die Situation von Menschen aus Ländern, in denen Krieg herrscht, mit der Situation der Wiedervereinigung zu vergleichen. Weder waren die Menschen in den neuen Bundesländern Kriegshandlungen ausgesetzt, Hunger oder Not, noch mussten sie nach der Vereinigung eine neue Sprache erlernen oder gar Todesangst auf dem Mittelmeer aushalten.
Flüchtlinge berufen sich auf das Recht auf Asyl. Dieses Recht ist universell und keine Bitte, die Menschen zu Bittstellern machen soll.
Begegnungen auf Augenhöhe
Die Frage, die immer wieder an die InitiaorInnen von #NoFragida gestellt wurde war: „Wie kann ich helfen? Wo kann ich meine Kleidung oder sonstigen Spenden abgeben?“ #NoFragida hat mir, als ich die AktivistInnen fragte, folgende Antwort darauf gegeben: „Flüchtlinge suchen in erster Linie soziale Kontakte! Sie wollen sich in der neuen, fremden und oft als kalt erlebten Umgebung nicht isoliert fühlen. Häufig suchen sie schlicht ein Gespräch, bei dem sie ihre Ängste und Sorgen einfach einmal los werden wollen.
Alltagserfahrungen wie ein Besuch eines Straßenfestes, ein Kaffee um die Ecke. All das, was wir als alltäglichen sozialen Umgang erleben. Geflüchtete wünschen sich, dass ihre Situation als das wahrgenommen wird, was sie ist: traumatisch, schockierend und beängstigend. Viele gravierende Gefühle wie Heimweh, Verlust und Sorge um Familienangehörige spielen dabei eine große Rolle. Von den Existenzängsten ganz zu schweigen.
Flüchtlinge brauchen Solidarität und Respekt
Eine würdige Unterkunft, Hilfe bei all den bürokratischen Anforderungen, die das Asylverfahren stellt, Schutz in der Unterkunft – dies müssen die Minimalanforderungen sein, die ausschließlich durch hoheitliche Kräfte geleistet werden müssen!
Gesellschaftlich müssen dann Empathie, solidarisches Handeln und schlichtweg eine Kultur des gegenseitigen Respektes und der Anerkennung folgen. Die Menschen müssen spüren: Ihr seid keine Bittsteller, sondern fordert das universelle Recht auf Asyl ein, und das ist gut so. #NoFragida macht es einfach: hingehen, fragen, handeln!
Folge uns!