Von Tape Lago und Christian Ratz – Frankfurt/Main. Das Anfang 2016 von zirka 40 Einzelpersonen gegründete Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus!“ rief am Samstag und Sonntag, 23. und 24. April, zu einer bundesweiten Aktionskonferenz in der Bankenmetropole Frankfurt auf. 600 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet folgten der Einladung und machten diese erste Konferenz aus dem Stand zu einem Erfolg. Es wurde unter anderem beschlossen, mindestens 10 000 „StammtischkämpferInnen“ auszubilden und in der ersten Hälfte des Wahljahrs 2017 zusammen mit anderen ein Großereignis zu organisieren. „Unsere Alternative heißt Solidarität!“, steht in der Abschlusserklärung (siehe unten im Wortlaut).
Das Bündnis repräsentiert eine Vielzahl von Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, AktivistInnen, AntifaschistInnen und einzelne Personen. Es hatte ein ansprechendes Programm für die eineinhalbtägige Konferenz im DGB-Haus erarbeitet. Bislang haben mehr als 17 000 Menschen den Aufruf „Aufstehen gegen Rassismus! – Deine Stimme gegen rechte Hetze“ unterzeichnet.
Junge Alternative Hessen unerwünscht
Die JA Hessen (Junge Alternative Hessen) hatte für Samstagabend eine Kundgebung in der Nähe des Baseler Platzes angemeldet. Sie hoffte darauf, die Aktionskonferenz des Bündnisses gegen Rassismus zu stören. Doch gegen 18.30 Uhr waren trotz der breiten Vorankündigung in sozialen Netzwerken nur drei Teilnehmer gekommen, vermutlich die Anmelder der „Mini-Demonstration“. Ein Großaufgebot an Polizeikräften sperrte das Areal weiträumig ab.
Vor der Ankunft der drei jungen Männer versammelten sich dutzende AntifaschistInnen vor der Absperrung gegenüber der Wilhelm-Leuschner-Straße, um ihren Protest gegen die Junge Alternative Hessen kundzutun. Auch eine Delegation der Frankfurter Linken war bereits da. Als sich die jungen AfDler in Position brachten, stellten sich Ulrich Wilken, Abgeordneter und Stellvertretender Präsident des Hessischen Landtags, und seine GenossInnen vor deren Transparent, damit die Aufschrift unsichtbar blieb.
Auf dem selbstgebastelten Banner war „Nein zu Faschos – Nein zu Gewalt – Nein zur Antifa“ zu lesen. Eine fragwürdige Forderung, die an die Querfront in der AfD erinnerte. Begleitet wurde das Trio von lautstarkem antifaschistischen Protest. AntifaschistInnen skandierten etwa „Nationalismus raus aus den Köpfen, Refugees Welcome, Rassismus ist keine Alternative!“. Hans-Peter Brill, ehemaliges AfD-Mitglied, hielt mit seiner Minikamera das Geschehen fest, obwohl AntifaschistInnen nicht gefilmt werden wollten. Der Protest gegen die „Mini-Kundgebung“ der JA Hessen machte deutlich, dass die AfD in Frankfurt unerwünscht ist.
AfD trägt großen Anteil an Stimmung gegen Flüchtlinge und MigrantInnen
Nach der fehlgeschlagener „Mini-Kundgebung“ der AfD Jugend begann die Aktionskonferenz mit einer Podiumsdiskussion um 20 Uhr. Eine Bündnissprecherin eröffnete die Veranstaltung mit der Begrüßung der TeilnehmerInnen und der Ansage, dass 2016 und im Bundestagswahljahr 2017 zwei Großevents vorskizziert seien. Man wolle binnen eines Jahres 10 000 sogenannte „Stammtischkämpfer“ ausbilden. Ein künftiger Schwerpunkt solle auch auf Recherche und Dokumentation rassistischer Hetze und Agitation durch rechte Gruppierungen und Parteien wie beispielsweise der AfD gelegt werden.
Aus Sicht des Bündnisses gegen Rassismus trägt die AfD einen erheblichen Anteil an der rassistischen Stimmung gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Das Bündnis „Welcome 2 stay“, Anfang des Jahres gegründet, sprach ein Grußwort – verbunden mit der Bitte, seine Zusammenkunft vom 10. bis zum 12. Juni 2016 in Leipzig zu unterstützen. Sie hat das Ziel, Legida entgegenzutreten und ein Zeichen des Willkommens für Flüchtende, für Migration und Solidarität und für mehr Antirassismus zu setzen. Vier SprecherInnen waren aufs Podium eingeladen, um ihre Sichtweisen und Einschätzungen zum Konferenzthema vozutragen.
Aufstehen gegen anti-islamischen Rassismus
Der Afd-Experte Andreas Kemper, der bundesweit bislang rund 200 Vorträge gehalten hat, berichtete über die Entwicklung der Partei von ihren Anfängen bis heute. Er beschrieb die aktuelle Situation mit düsteren Worten. Der rechte Parteiflügel unter Björn Höcke scheine den direkten Zusammenschluss mit Pegida zu suchen, und der „geistige Ziehvater der AfD“ Thilo Sarrazin sei weiterhin ideologischer Stichwortgeber.
Said Barkan vom Zentralrat der Muslime in Hessen sprach darüber, wie wichtig es sei, gegen anti-islamischen Rassismus aufzustehen. Er werde vor allem durch Pegida transportiert. Der Ausgrenzung arbeitsplatzsuchender Frauen mit Kopftuch müsse Einhalt geboten werden. Man müsse Maßnahmen entwickeln und umsetzen, um Angriffen auf Muslime und Moscheen sowie auf Flüchtlingsunterkünfte zu begegnen. Er vermisse das „Empowerment“ in weiten Schichten der Bevölkerung, wenn es um Anfeindungen gegen Juden und Muslime geht. Abschließend betonte er, dass es wichtig sei, die AfD als verfassungsfeindliche Partei zu demaskieren und die anti-rassistische Prävention insbesondere an Schulen voranzubringen.
AfD als Partei der rassistischen Mobilisierung
Über die besonders schwierige Situation von Flüchtenden und Asylantragstellern in ihren Aufnahmeeinrichtungen berichtete Samee Ullah von „My right is your right“, einer von Flüchtenden gegründeten Initiative. Er sprach von den vielerorts prekären Wohnbedingungen in den Unterkünften, dem strukturellen Mangel, was den Zugang zu freiem W-Lan (Internet) angeht, und dem problematischen und nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungsprozess bei der Zuteilung von Sprachkursen. Mit dem Refugee‘s-Club wolle man versuchen, mehr öffentliches Interesse zu finden, und die Solidarität in der Arbeit gegen Rassismus und Sexismus zu stärken. Im Fokus sei die Kulturarbeit wie zum Beispiel durch Theateraufführungen.
Cornelia Kerth von der VVN-BdA sprach darüber, dass die AfD eine Partei der rassistischen Mobilisierung der Bevölkerung sei. Ein intensiver und tiefer Blick in die Parteiprogramme und die dort verwendete Sprache erkläre Vieles. Pegida und AfD verkörpern aus Sicht der VVN-BdA-Sprecherin eine extrem rechtes Weltbild.
Den offiziellen Teil des Tages beendete eine Sprecherin des Aktions-Bündnis gegen den AfD-Bundesparteitag am 30. April mit einem energischen Aufruf zur Mobilisierung. 2000 Delegierte würden zum Parteitag erwartet. Dagegen müsse man ein starkes Zeichen setzen. Die Kritik an der Partei, den handelnden Personen und dem Programm müssten öffentlich deutlich gemacht werden.
Workshops gegen die AfD und Rassismus
Am Sonntagmorgen sprach der Generalbevollmächtigte des DGB Hessen-Thüringen, Michael Erhardt, zu den KonferenzteilnehmerInnen. Man befinde sich an einem historischen Ort und in einem Gebäude, an dem Nazis 1933 Hakenkreuzfahnen gehisst hätten. Er übermittelte auch Grüße aus Hannover, wo 90 000 Menschen am 23. April gegen das EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP demonstrierten. Zudem rief er die Gesellschaft auf, eine klare Haltung gegen die AfD zu zeigen. Eine Haltung, die die Willkommenskultur auszeichnet.
Die angebotenen Workshops deckten Themenfelder wie Recherche, Internet, Rassismus in der Flüchtlingsarbeit, Unterkünfte und Ausbildung von „Stammtischkämpfern“ ab, ebenso Anti-Rassismusarbeit in Betrieb und Gewerkschaft – neben vielen weiteren Aspekten.
Abschlusserklärung gegen die AfD und Rassismus
Die Abschlussrunde am Nachmittag wurde durch ein Grußwort einer Sprecherin des Bündnisses Jugend gegen Rassismus eröffnet. Sie bat um Unterstützung für den am 27. April geplanten bundesweiten Streiktag von Schülern, Studierenden und Auszubildenden. Ihr Aufruf konzentrierte sich darauf, dass antirassistischer Widerstand geleistet werden müsse. Hilferufe zahlreicher Jugendlicher erreichten das Bündnis. „Jugend gegen Rassismus“ bittet insbesondere die Gewerkschaften um bildungspolitische Unterstützung.
Ein Entwurf für die Abschlusserklärung war bereits am Morgen mit der Bitte um Rückmeldungen in den Workshops verteilt worden. Nun verlas Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linken und Bündnissprecherin von „Aufstehen gegen Rassismus“, die Endfassung. Es folgte eine lebhafte, in Teilen sehr emotionale und kontroverse Diskussion. Nach dem Austausch von Argumenten, Veränderungswünschen und Verbesserungsvorschlägen wurde die vorliegende Version mit geringfügigen Anpassungen mehrheitlich verabschiedet.
Die Abschlusserklärung der Aktionskonferenz im Wortlaut:
Aufstehen gegen Rassismus – Deine Stimme gegen die AfD!
Fast täglich greifen Rassisten und Rassistinnen Flüchtlingsheime an, islamfeindliche Übergriffe nehmen zu. Erschreckend viele Menschen beteiligen sich an fremdenfeindlichen und rassistischen Demonstrationen während rechte Parolen zunehmend in den Alltag dringen.
Einen wesentlichen Anteil an dieser Stimmung hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Sie verbreitet rassistische Vorurteile und hetzt insbesondere gegen Geflüchtete. Sie stellt Flucht und Zuwanderung als enorme Bedrohung dar und schürt gezielt Ängste vor „Überfremdung“ und „dem Islam“. Die AfD benutzt nationalistische und völkische Ideologie, um soziale Unzufriedenheit rassistisch aufzuladen und rechte Scheinantworten zu propagieren. Sie wird zunehmend zum Sammelbecken für Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und antimuslimische Hetze und hat sich an vielen Orten zum Zentrum der extremen Rechten entwickelt.
Wir wollen verhindern, dass Rassistinnen und Rassisten Raum für ihre Hetze bekommen. Wir wollen nicht zulassen, dass die AfD mit ihrer rechten Ideologie weiter an Einfluss gewinnt. Deshalb werden wir uns der AfD überall entgegenstellen, ob auf der Straße oder in den Parlamenten.
Wir sind viele, die aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und politischen Traditionen kommen. Wir werden weiterhin Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Denn Asyl ist Menschenrecht. Wir werden uns stark machen für gleiche politische und soziale Rechte für alle Menschen. Denn unsere Alternative heißt Solidarität.
Aufstehen gegen Rassismus heißt in den nächsten Wochen und Monaten:
* Wir wollen der rechten Hetze eine bundesweite, antirassistische Aufklärungskampagne entgegen setzen. Dazu wollen wir innerhalb des nächsten Jahres 10 000 Stammtischkämpferinnen und Stammtischkämpfer ausbilden.
* Wir setzen auf die Aktivität von Vielen. Wir wollen Hilfestellung geben, selbst aktiv zu werden und sich zu vernetzen. Wir wollen Material produzieren und öffentliche Aktionen gemeinsam umsetzen. Damit sichtbar wird: Wir sind viele. Rassismus ist keine Alternative!
* Wir unterstützen die Proteste gegen den AfD Programmparteitag in Stuttgart am 30. April 2016. Wir begrüßen den Uni-, Schul-, Azubi-Streik des Bündnisses Jugend gegen Rassismus am 27. April 2016.
* Wir rufen dazu auf, sich an den Menschenketten des Bündnisses Hand-in-Hand gegen Rassismus am 18. und 19. Juni 2016 in Berlin, Bochum, Hamburg, Leipzig und München zu beteiligen.
* Wir tragen unsere Positionen gegen den Rassismus und Islamhass der AfD in die kommenden Landtags- und Kommunalwahlkämpfe und unterstützen Proteste gegen die Auftritte der AfD.
* Wir wollen am 3. September 2016 in Berlin im Vorfeld der Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit einer Großaktion, zum Beispiel einer Kundgebung und einem Konzert, ein klares Zeichen setzen: Wir überlassen den Rassisten nicht das Feld. Wir stehen auf gegen Rassismus. Wir laden zivilgesellschaftliche Akteure und Bündnisse ein, mit uns gemeinsam eine solche Großveranstaltung vorzubereiten und durchzuführen.
* Wir setzen uns dafür ein, im ersten Halbjahr 2017 mit vielen anderen ein bundesweites Großereignis zu organisieren, um auch im Wahljahr deutlich zu machen: Wir stehen an der Seite der Geflüchteten, der Muslime und aller anderen, die rassistisch diskriminiert und bedroht werden.
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