Von Christian Ratz – Bingen. Die Jugendorganisation der rechtspopulistischen, nationalkonservativen und marktradikalen AfD hielt am Samstag und Sonntag, 16. und 17. Juli, ihren Bundeskongress just an der Stelle ab, wo eine Woche zuvor der Landesparteitag der Partei in Rheinland-Pfalz stattfand (siehe „Lautstarker Protest gegen die AfD„): im Rheintal-Kongresszentrum in Bingen. Die Jungen Alternativen (JA) kündigten die Veranstaltung nicht öffentlich an. Nur das BNR-Portal (Blick nach Rechts) und die Zeitung Junge Freiheit, die Politikwissenschaftler als Sprachrohr der Neuen Rechten bezeichnen, berichteten im Vorfeld kurz darüber.
Etwa 100 AntifaschistenInnen, Partei- und Gewerkschaftsvertreter und andere BürgerInnen versammelten sich am frühen Vormittag des 16. Juli am Tagungsort, um in Ansprachen und mit Sprechchören den Kongress zu protestieren. Weitere Unterstützer kamen von „Nie wieder 33“ und von „Aufstehen gegen Rassismus“.
Nach 90 Minuten verließen die meisten Partei- und Gewerkschaftsvertreter die Protestveranstaltung schon wieder und überließen das Geschehen bis 13 Uhr den weiterhin anwesenden AntifaschistenInnen und anderen DemonstrantenInnen. Am 17. Juli setzten AntifaschistenInnen ihren Protest fort.
Der Kongress bemüht um Einigkeit
Gastredner wie Frauke Petry, Alexander Gauland und Uwe Junge forderten in ihren Reden nach Angaben des SWR die Jungen Alternativen zu Geduld und Einigkeit auf. Kontrovers wurde offenbar die Diskussion darüber geführt, ob die JA sich nicht stärker von rechtsextremistischen Gruppen wie zum Beispiel der Identitären Bewegung, abgrenzen müsse.
Wir beobachteten Kongressteilnehmer, die vom Kleidungsstil her wohl einer völkisch rechten Organisation zuzurechnen sind. Einige Kongressteilnehmer konnten es nicht lassen, die friedlichen DemonstrantInnen mit Worten oder durch Handyfotografieren zu provozieren. Auch Damian Lohr, JA-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, gehörte zu ihnen. Nicht begeistert zeigte sich Dubravko Mandic, Burschenschafter und AfD-Politiker aus Freiburg, über Plakate mit Aufschriften wie „FCK AFD“ oder „AfD ist sowas von 1933“. Seine Beschwerde quittierten Polizeibeamte mit einem Lächeln.
Nach anderen Berichten nahmen am Kongress auch Vertreter der französischen Front National, der italienischen Lega Nord, der österreichischen FPÖ und nationalistischen Front Russland teil, ebenso weitere Abgesandte rechter Parteien aus Schweden, Finnland und der Schweiz. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli hatten Unbekannte den Schriftzug auf der gegenüberliegenden Rheinseite bei Rüdesheim „Nationalismus ist keine Alternative“ umgeschrieben in „….ist eine Alternative“.
Beobachter News muss draußen bleiben
Anders als beim AfD-Landesparteitag wurde unserem Berichterstatter der Zugang auf das Veranstaltungsgelände der JA verwährt. Wir hatten den Wunsch nach Akkreditierung am 14. Juli per E-Mail angemeldet. Er wurde von der JA bis zum heutigen Tage nicht schriftlich beantwortet.
John-Lukas Langkamp, Pressesprecher der JA, begründet den Ausschluss vor Ort damit, dass die Beobachter News der antifaschistischen Bewegung freundlich gesinnte Berichte widme und es zulasse, dass die Amadeu Antonio Stiftung Werbung auf der Internetseite des BN-Magazins schaltet. Zitat: „Eine Stiftung, die gegen die AfD hetzt und zum Kampf gegen die Partei aufruft.“
Glitterregen und die Konsequenzen
Zwei junge Antifaschistinnen sollen einem Vertreter der AfD beim Versuch, das Veranstaltungsgelände zu betreten, mit Glitter beworfen haben. Er griff die beiden Frauen an, würgte eine von ihnen und brachte sie zu Boden. Polizeibeamten eilten sofort zur Stelle. Sie trennten den Angreifer ab und brachten ihn hinter die Absperrgitter.
Umso intensiver beschäftigten sich die uniformierten Kräfte mit den zwei Frauen, indem sie beide auf äußerst ruppige Art zur Personalienfeststellung und Körperdurchsuchung abführten. Die Klage einer Geschädigten über akute Atemnot und die Bitten um medizinische Hilfe blieben von der Polizei ungehört. Fazit: Drei Strafanzeigen und zwei Platzverweise für die Antifaschistinnen. Der Angreifer, bei dem es sich vermutlich um Patrick W. aus Mainz handelt, der bereits einschlägig wegen seines aggressiven Verhaltens bekannt ist (siehe unter anderem die Berichterstattung der Zwischenzeit https://www.zwischenze.it/zwischenzeit-erfolgreich-gegen/), verließ wenig später das Kongressgelände in Begleitung eines JA-Vertreters und einer Security und war von da ab nicht mehr gesehen.
Eine der beiden Geschädigten schildert den Übergriff am Telefon dem Berichterstatter gegenüber folgendermaßen: Patrick W. habe sie unvermittelt mit einer Hand am Hals gepackt und zugedrückt. Als ihre Freundin ihr helfen wollte, sei diese vom Angreifer zurück gestoßen worden, während sie selbst durch den Angreifer brutal auf den Asphaltboden geschleudert wurde. Nach dem Sturz verspürte sie sofort Schmerzen in der Rippengegend und litt unter akuter Atemnot. Von Polizisten ein stückweit über den Boden gezerrt, sei sie dann unsanft auf die Beine gestellt worden. Die Abführung durch zwei männliche Beamte sei ebenfalls mit körperlicher Gewalt gegen sie erfolgt. Ihrer Klage über Atemnot sei von den Beamten nicht zur Kenntnis genommen worden. Selbst die Bitten um notfallärztliche Versorgung für sie und ihre Freundin seien mit den Worten „Das ist nicht unser Problem“ beantwortet worden. Bei der Aufnahme ihrer Strafanzeige gegen Patrick W. sei ihr von einem Polizeibeamten gesagt worden, dass ein Angriff gegen den Hals gelogen sei, und falls die Anzeige zu einer Gerichtsverhandlung führen sollte, er die Geschädigte vor Gericht der Falschaussage bezichtigen würde.
Der Berichterstatter hat den Angriff gegen den Hals der Geschädigten beobachtet.
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