Von Sandy Uhl – Ulm. Es war ein toller Abend mit vier Stunden Musik: 350 Gäste kamen am Samstag, 6. August, zum legendären Konzert „Bands gegen Rechts“ in Ulm. Es war bereits das 15. seiner Art. Austragungsort des Events an diesem lauen Sommerabend war der Biergarten „Liederkranz“ in der Ulmer Friedrichsau. Der Erlös ging an die Amadeu Antonio Stiftung.
Die NPD-Jugend hatte am 1. Mai 2009 – zum ersten und letzten Mal – eine Demonstration in Ulm organisiert. Dieses Aufmarschs wegen gründete sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, der Stadt Ulm, diversen Parteien, Organisationen und Einzelpersonen, heute bekannt als „Bündnis gegen Rechts“. Seinem Aufruf zum Protest gegen den NPD-Aufmarsch folgten damals knapp 10 000 Menschen. Das Projekt „Bands gegen Rechts“ entstand aus diesem Bündnis heraus. Zwischen 30 und 40 Bands spielten am 1. Mai auf dem Ulmer Marktplatz. Damit setzten sie ein kulturelles Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Seitdem gibt es zweimal im Jahr solche Konzerte. Es handelt sich ausschließlich um No-Profit Shows. Bands können den Raum nutzen, um sich zu präsentieren. Eine kommerzielle Ausrichtung ist nicht möglich und auch nicht gedacht. Der Erlös geht an Organisationen, die sich um Opfer rechtsextremer Gewalt kümmern – dieses Mal an die Amadeu Antonio Stiftung.
Günter vom Organisationsteam und Mitbegründer eröffnete den Konzert-Abend. Es spielten Frau Öl, 5 Horse Rodeo, Los Zapatos Muertos und The Blues Mothers. Aus Sicht von Markus, dem Gitarristen von Frau Öl, hat sich das Problem Rechtsextremismus in Deutschland zugespitzt. Ihn erschrecken die Wahlergebnisse einschlägiger Parteien -vor allem der Aufwind der AfD. „Deshalb ist es wichtig, bei dem Event dabei zu sein. Viele kommen, um ein Statement abzugeben“, erklärt er.
Formen kreativen Protests
Vincent Vialard, Gitarrist von The Blues Mothers, wählt gerne die kulturelle Form des Protests gegen Rechts. Als Musiker, der sich in Sozialprojekten engagiert, hat er bereits am 1. Mai 2009 in Ulm gespielt. Er selbst sieht sich im Bereich Musik als sozialbewusst, aber nicht politisch orientiert. Er möchte den direkten Konflikt – etwa in Form von Blockaden gegen Rechts – eher meiden und andere Möglichkeiten des Protests aufzeigen. „Ich hätte am 1. Mai 2009 am liebsten den Weg der NPD mit Blumen beworfen“, so Vialard, der das mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht sagt.
Klare Worte zu Demokratie und Meinungsvielfalt fand Andrea Schiele, die das Grußwort stellvertretend für das Bündnis gegen Rechts hielt. Wir dokumentieren ihre Rede unten.
Rechte Gewalt nimmt zu
Stefan Weiss, der sich sonst selbst als Einzelkämpfer bezeichnet, ist einer der Organisatoren von Bands gegen Rechts. Er sieht das Konzert als Plattform für Menschen, die sich nicht so stark in die Öffentlichkeit trauen und einfach etwas im Rahmen der Anonymität gegen Rechts machen und ein Statement setzen wollen. Denn für Weiss ist die rechte Szene in Ulm zwar nicht augenscheinlich aktiv, etwa in Form von Personen, die zum Beispiel in der Fußgängerzone auftauchten. Dennoch sei sie sehr strukturiert und organisiert. Zeichen sehe man immer wieder, und es tauchten rechtsextreme Aufkleber auf.
Im Frühjahr gab es am Fort Friedrichsau gegenüber vom SSV Polo einen Farbanschlag mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift „Asylflut stoppen“. Die Szene um Ulm herum ist jedoch wesentlich aktiver. Es gab Versuche, rechtsextreme Konzerte in Neu-Ulm im Wald zu organisieren, die dann auch aufgelöst wurden. In Senden gibt es eine kleine NPD-Hochburg, deren Kreisvorstand aus dem Raum Neu-Ulm kommt. Seine Mitglieder tauchen immer wieder in Ulm auf. „Die Ulmer Gesellschaft sollte sehr wachsam sein. Nicht dass sich das dann etabliert und Ulm ein Freizeitpark für Rechtsextreme aus dem Umkreis wird“, so Weiss.
Erstarken der Neonazi-Szene macht Sorgen
Die Zunahme der Zahl von Neonazis und rechter Gewalt sind für Herbert Peter Motivation, bei „Bands gegen Rechts“ mitzumachen. Er gehört ebenfalls zum Organisations-Team. „Es wird viel gesprochen, aber wenig getan“, findet er. „Eine AfD zu wählen, ist einfach nur rechts. Es gibt andere Formen des Protests.“
Letztendlich wünschen sich die Organisatoren, dass sie solche Konzerte nicht mehr veranstalten müssten und zwar dann, wenn es keine Rechtsradikalen und keine rechten Probleme mehr gibt. Doch zeigt sich das Gegenteil. Die Zahl rechter Gewalttaten ist um 30 Prozent gestiegen, Angriffe auf Flüchtlingswohnheime nehmen zu. Solange sich an dieser Situation nichts ändert, werden die Organisatoren weitermachen.
Mit reichlich Infomaterial zum Thema Rechtsextremismus konnten sich interessierte Konzertbesucher am gemeinsamen Stand vom Kollektiv.26 und dem „Bündnis gegen Rechts“ eindecken.
Die Rede von Andrea Schiele vom „Bündnis gegen Rechts“ im Wortlaut:
Aktuell seht das Thema Demokratie überall im Vordergrund und hierbei besonders die Meinungsfreiheit. Wir beobachten mit großer Sorge die Entwicklungen in der Türkei. Aber auch innerhalb der Europäischen Union können wir Entwicklungen, weg von Demokratie und einer vielfältigen Gesellschaft, schon länger beobachten. Ungarn sei da nur als Beispiel genannt.
Die Debatte um Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt ist aber auch hier in Deutschland schon länger angekommen.
Menschen, die fast wöchentlich auf die Straße gehen und mit „wir sind das Volk-Rufen“ den Anspruch erwecken wollen für eine ganze Nation, für uns alle die Stimme zu erheben. Dazu sagen wir ganz klar „Nein“! Meinungsfreiheit heißt, dass diese Meinung von uns ausgehalten werden muss. Meinungsfreiheit heißt aber eben auch, dass wir dagegenhalten, dass wir unsere Vorstellung von einer offenen, einer toleranten Gesellschaft dem entgegenstellen.
Zu einer offenen Gesellschaft gehört auch, dass wir die verschiedenen Meinungen über eine andere Regierung, über einen Präsidenten hier zulassen, dass sie geäußert werden können. Und es ist eben nicht die Aufgabe einer städtischen Behörde hier zur Zensur zu greifen, weil es vielleicht zu Auseinandersetzungen kommen könnte.
Das Bündnis gegen Rechts steht auch für die Stärkung von Demokratie, die Verteidigung von Meinungsvielfalt. Denn das ist keine Schwäche, es ist ein Zeichen von Stärke der Vielfalt Raum zu geben.
Und weil wir uns allen Ideen, allen Äußerungen, die ein „rückwärts“, die Einschränkung bedeuten, entgegenstellen, sind wir heute alle zusammen hier.
In diesem Sinne wünsche ich uns alle heute einen schönen Abend und morgen stehen wir dann weiterhin gemeinsam überall dort hin, wo es notwendig ist, um Demokratie und Meinungsvielfalt zu verteidigen.
Folge uns!