Von Alfred Denzinger – Göppingen. Bis zu 50 Personen folgten am Samstag, 4. Februar, dem Aufruf antifaschistischer Organisationen zu einer Kundgebungstour. Nach dem Auftakt in Göppingen ging es zunächst nach Uhingen, dann nach Ebersbach. Die Polizei begleitete die Rundreise mit einer überzogen wirkenden, nicht bezifferten Zahl von Beamten. In Uhingen wurde eine Reiterstaffel eingesetzt – in Ebersbach auch ein Polizeihund.
Zwei Tage vor der Kundgebungstour gab es in Göppingen einen Anschlag auf das Haus unseres Redaktionsmitglieds Andreas Scheffel (wir berichteten). Radikale Rechte haben den Foto- und Videojournalisten schon lange im Visier. Vermutlich sind Neonazis aus dem Kreis Göppingen für die Tat verantwortlich.
Auf dem Göppinger Marktplatz versammelten sich am 4. Februar um 9.30 Uhr rund 40 Menschen. Mit Redebeiträgen und einem Infotisch informierten sie interessierte Passanten über die aktuellen Entwicklungen bei Neonaziaktivitäten in Göppingen und der näheren Umgebung.
Beim Uhinger Uditorium beteiligten sich 35 Personen an der Kundgebung. Am Rand dieser Kundgebung beschlagnahmte die Polizei in einem Auto Stöcke, die mitzuführen nach Aussage der Beamten gegen das Versammlungsrecht verstößt.
An der Abschlusskundgebung am Ebersbacher Bahnhof beteiligten sich 50 Interessierte.
Folgende Organisationen hatten zu der Kundgebungstour aufgerufen:
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region
Offenes Antifaschistisches Treffen Kirchheim
Antifaschistische Aktion Nürtingen
Antifaschistische Aktion Esslingen
DIE LINKE Göppingen
VVN-BdA Esslingen
Am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr zeigen die Veranstalter im Göppinger Jugendhaus in der Dürerstraße 21 den Film „Golden Dawn – A Personal Affair“.
Der Film klärt über die Aktivitäten der griechischen militanten, faschistischen Partei „Goldene Morgenröte“ auf. Nach Einschätzung der Veranstalter handelt es sich bei der „Goldenen Morgenröte“ um die griechische „Schwesterpartei“ der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“.
Wir dokumentieren nachstehend die gehaltenen Reden
Liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen
Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa verschiebt sich das politische Klima und die Argumentationsweisen nach rechts. Rechtspopulistische Parteien argumentieren nicht mit Wahrheiten, sondern versuchen mit Vorurteilen, Ängsten und Unwissenheit Stimmung zu machen. Diese Argumentationsmuster sind typisch. Es wird versucht auf emotionaler Ebene zu argumentieren, statt sich Statistiken und Fakten zu bedienen. Eines der neueren Beispiele dafür sind die „alternativen Fakten“ von Donald Trump, indem man Beweise und Fakten einfach solange verdreht und für sich umdeutet bis sie in das gewünschte Weltbild passen. In vielen europäischen Ländern gewinnen rechte Parteien wie in Frankreich der Front National, die Lega Nord in Italien oder in Österreich Norbert Hofer von der FPÖ an Zulauf. In Ungarn sitzt der rechtspopulistische Victor Orban bereits an der Spitze des Staates.
Aber auch hier in Deutschland sind populistische Kräfte wie die AfD im Aufwind. Die sich immer noch als bürgerlich gebende Partei wird von einigen Bürgern als scheinbare Alternative angesehen, weil sie auf die vielschichtigen Probleme der europäischen Gesellschaft vermeintlich einfache Lösungen anbietet. Als Lösung werden z.B. Sündenböcke – wie Geflüchtete oder Arbeitslose – präsentiert, die man nur aus der Gesellschaft entfernen müsste um alle Probleme zu lösen. Oft wird vergessen, dass die AfD nicht nur für eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik steht, sondern ihre Ziele vor allem auf die Interessen der oberen Schichten ausgelegt sind. Ihr Repertoire reicht dabei von verstaubten sexistischen Familienbildern, über den Abbau von sozialen Rechten bis hin zum Abbau von demokratischen Werten. Trotzdem sitzt die AfD inzwischen in neun Landtagen.
Statt sich klar von der AfD abzugrenzen, versuchen immer mehr Politiker mit Populismus politischen Profit zu schlagen. Sowohl Teile der CDU/CSU, wie auch der SPD und Grünen versuchen mittlerweile mit hohlen Phrasen Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Dabei wird der gesamte Diskurs weiter nach rechts geschoben und z.B. rassistische Äußerungen salonfähig gemacht. Was früher nicht denkbar war, wird heute mit dem Zusatz „das wird man ja nochmal sagen dürfen“ ausgesprochen. Eine Folge des Rechtsrucks sind z.B. die Verschärfung der Asylgesetze mit der Erklärung von Kriegsgebieten als sichere Herkunftsstaaten, das Vorantreiben der aktuellen Abschottungspolitik und der Ausbau von Überwachung und Repression.
Diese Entwicklung führt hin zu einer Gesellschaft von der nur der obere Bruchteil profitieren kann. Auf der Strecke dabei bleibt ein großer Teil der Menschen: Geflüchtete, Arbeitslose, Geringverdiener, Alleinstehende, ältere Menschen, Kranke und Homosexuelle. Wir aber wollen eine Gesellschaft in der alle Menschen gleichberechtigt miteinander leben können, ohne Angst vor Ausbeutung, Diskriminierung und Unterdrückung.
Unser Kampf für ein solidarisches Miteinander muss im Alltag anfangen. Rassistischen Äußerungen im Beruf, in der Schule, in der Bahn oder im Sportverein müssen wir konsequent wiedersprechen. Und was im Alltag beginnt endet auf der Straße. Wir müssen uns rechten Kräften wie der AfD und Konsorten bei jeglichen Veranstaltungen und Auftritten entschlossen entgegen stellen und über sie informieren.
Heute und morgen dem Rechtsruck entgegen treten.
Für ein solidarisches Miteinander an dem alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion einen Platz haben.
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
liebe Göppingerinnen und Göppinger,
das hier erstarkende Naziproblem steht gesellschaftlich gesehen nicht isoliert da, vielmehr hängt es unter anderem mit der Stimmung, die seit einigen Jahren europaweit vorherrscht zusammen: dem Rechtsruck.
Niemand wird mittlerweile mehr bezweifeln, dass die Gesellschaft von einem gewaltigen Rechtsruck erfasst wurde.
Dass sich Bürgerinitiativen gegen Geflüchtetenunterkünfte gründen und hier und da pogromartige Stimmungen entstehen gehört mittlerweile ebenfalls zum Alltag.
Rechte Sprüche auf der Straße sowie rassistische Forderungen in den Parlamenten sind wieder salonfähig geworden. Und das alles schon seit einer ganzen Weile.
Was schleichend begann, nimmt momentan eine rasante Entwicklung an – so bekommt man von Asylrechtsverschärfungen kaum noch etwas mit. Im Zentrum stehen dafür immer wieder provokante, rassistische Äußerungen von Einzelpersonen, insbesondere von der AfD – und damit finden sie auch noch Anklang bei einem Teil der Bevölkerung. Dies ist erschreckenderweise nicht nur hier so, sondern auch in weiten Teilen Europas, so bilden rechte oder gar extrem rechte Parteien teilweise ganze Regierungen in anderen Ländern.
Doch wo kommt diese gesellschaftliche Tendenz her und wohin kann sie führen, wenn wir nichts dagegen unternehmen?
Zunächst ist klarzustellen, dass ein solcher gesellschaftlicher Rechtsruck nicht aus dem nichts gedeiht und er bittererweise nicht nur von einzelnen rechten Kräften vorangetrieben wird.
Ursprung der aktuellen Situation ist das kapitalistische System, welches kontinuierlich dafür sorgt, dass sich die Lebensumstände von einem Großteil der Bevölkerung stetig verschlechtern und damit die Unzufriedenheit jeder und jedes einzelnen zunimmt.
Die Krise führte viele Menschen zu Problemen in Beruf, mit ihrer Wohnsituation und damit einhergehend mit der kompletten finanziellen Lage. Die daraus aufkommenden Ängste warten selbstverständlich auf Lösungen und möglichst schnelle Verbesserungen.
Dies bildet einen optimalen Nährboden für rechte, reaktionäre und faschistische Kräfte. Schließlich locken sie mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen.
In Kombination mit der Vermittlung, dass Geflüchtete, MigrantInnen und insbesondere der Islam die Sündenböcke seien, ergibt sich eine scheinbar logische Erklärung für alle Probleme.
Jede und jeder, der jedoch hinter die Fassade der rassistischen Rhetorik blickt, wird schnell feststellen, dass Rechte jeglicher Coleur nur auf diejenigen treten, die sowieso schon am härtesten von den gesellschaftlichen Missständen betroffen sind. Darüber hinaus stehen sie in ihrer Konsequenz mit ihren Forderungen für eine Verschärfung der Krise und damit für eine noch weitere Verschlechterung der Lebensverhältnisse von ArbeiterInnen, Frauen und Migrantinnen und Migranten.
Wenn wir gegen diesen Rechtsruck und weitere Verschärfungen unserer aller Zustände vorgehen und nicht nur tatenlos zusehen wollen, gilt es natürlich in erster Linie Akteure wie die AfD oder auch den Dritten Weg direkt anzugehen. Egal ob wir dabei die Menschen um uns herum über ihre Taktik aufklären, ihre Propaganda im Stadtbild entfernen oder wir uns ihren öffentlichen Auftritten entgegen stellen – wichtig ist, dass wir etwas tun!
Wenn wir dabei jedoch nicht nur die einzelnen Phänomene angehen wollen, bedeutet dies, dass wir auch die Quelle dieser abdichten, uns also gegen das kapitalistische System, in dem wir leben, wenden.
Dem Rechtsruck entgegen – für ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen!
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Göppingerinnen und Göppinger,
seit einigen Monaten treten Nazis in Göppingen sowie in der Region verstärkt in Erscheinung. Faschistische Sticker und Schmierereien im Stadtbild, Kundgebungen, Flyerverteilaktionen stehen bei ihnen auf der Tagesordnung. Selbst vor einem Gedenktag an die Pogrome am 9. November machen sie nicht halt und stören diesen mit Böllern und „Juden-raus“-Rufen.
Des Weiteren gründeten sie eine sogenannte „Bürgerwehr“ um Migrantinnnen und Migranten sowie politisch Andersdenkende anzugreifen.
Diejenigen, die diese Taten verübten, sind der der faschistischen Kleinstpartei „Der dritte Weg“ angehörig. Die meisten führenden Köpfe des „dritten Wegs“, waren vorher unter dem Label „Autonome Nationalisten Göppingen“ aktiv und vor einigen Jahren schon Urheber des Naziproblems in Göppingen. Diese Gruppierung wurde vom Oberlandesgericht Stuttgart verboten, einige der Kader saßen in Untersuchungshaft. Nach dem Verfahren wurden sie wieder freigelassen, da das Verbot mittlerweile auch aufgehoben wurde und nochmals aufgerollt werden soll. Kurze Zeit später waren sie in vollem Umfang in Göppingen und der Region wieder präsent – als „Dritter Weg“.
Die faschistische Partei ist besonders in Süd – und Ostdeutschland unterwegs und fährt überall die gleiche Schiene. Sie sind Lückenfüller für die großteils verbrannte NPD, kooperieren vor allem mit aktionistischen Nazigruppierungen und geben sich andererseits der Bevölkerung gegenüber bürgernah. Und das nicht ohne Grund, der voranschreitende Zerfall der NPD räumt ihnen Platz in der extrem rechten Parteienlandschaft ein; viele von den Faschisten waren Bestandteil von freien Kameradschaften wie dem Neonazinetzwerk des „Freien Netz Süd“ und durch ihren scheinbar soliden Anstrich mit vermeintlichen Charity-Aktionen, jedoch ausschließlich für Bedürftige Deutsche in Kombination mit Hetze gegen Geflüchtete bilden ihren Zugang zu den ideologischen Anknüpfungspunkten zu Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks.
Im „Dritten Weg“ finden sich also hauptsächlich erfahrene Neonazis wieder, die sich vor einem Verbotsverfahren durch die Parteistruktur schützen, bundesweit vernetzt sind und eine Taktik entwickelt haben, die nicht sofort abschreckend und realitätsfern auf die Bevölkerung wirkt. Ihre Slogans wie „Asylflut stoppen“, persönliche Angriffe auf Migrantinnen und Migranten sowie politisch Andersdenkende und auch ihr „Zehn-Punkte-Programm“, welches an das „25-Punkte-Programm“ der NSDAP angelehnt ist, entlarven sie jedoch noch mehr als das, was sie sind: Faschisten.
Wenn wir nun wieder konkret auf die Situation in Göppingen blicken, ist das erschreckende, dass diese Faschisten seit Jahren bekannt sind und jetzt nur mit einem anderem Namen und einer neuen Strategie auftreten. Doch die Verwaltungs- und Justizbehörden Göppingens verstehen es wie auch schon seit Jahren ihnen ein Terrain zu bieten, in dem sie beinah ungestört walten können. So reden diese durchgängig von Extremisten – wodurch sie die gefährlichen Aktivitäten des Dritten Wegs relativieren. Doch so leicht können sie sich nicht aus der Affäre ziehen! Göppingen hat nach wie vor ein Naziproblem und dieses wäre deutlich höher wenn es keinerlei Gegenwehr seitens antifaschistischer Kräfte oder der Bevölkerung gebe.
Es hilft nichts die Augen zu verschließen oder Probleme umzuformulieren, vielmehr müssen wir alle offensiv handeln! Wenn faschistische Sticker oder Schmierereien im Stadtbild zu sehen sind, entfernt diese! Wenn der Dritte Weg öffentlich durch Kundgebungen oder Flyeraktionen auftritt, so macht ihnen deutlich, was ihr von den Nazis haltet – nämlich nichts! Und damit ihnen der Nährboden für rechte Hetze entzogen wird, informiert Kolleginnen und Kollegen, Familie und Bekanntenkreis von dem Naziproblem in Göppingen und geht gemeinsam dagegen vor!
Antifaschistische Arbeit ist alltäglich und findet auf den verschiedensten Ebenen statt!
Lasst uns den Nazis des Dritten Wegs klar machen, dass sie weder in Göppingen noch anderswo Erfolg mit ihrer faschistischen Strategie haben werden!
Gegen den Dritten Weg und für ein Göppingen ohne faschistische Hetze!
Folge uns!