Von Paul Linker – Stuttgart. Im Dezember 2013 wurde ein Mitarbeiter der Beobachter News bei einer Stuttgart-21-Demonstration von einer aufgebrachten Menge Polizisten rüde aus der Demonstration herausgerissen. Er wurde in einer Seitenstraße an eine Hauswand gestellt, ausgiebig abgetastet und schließlich mit einem Platzverweis davongejagt. Ein Jahr später, im Dezember 2014, fand er sich wegen dieser Festnahme als Angeklagter vor dem Amtsgericht Stuttgart wieder (siehe „Satz mit x – war wohl nix„). Der damalige Prozess nahm einen für die hiesige Justiz eher ungewöhnlichen Verlauf.
Die damals als Zeugen geladenen Polizisten hinterließen den Eindruck eines recht wirren Haufens. Ein Beamter hatte sogar Mühe, sich an seinen Namen zu erinnern. Es war also nicht verwunderlich, dass die Herren von der Polizei zur Aufklärung der Geschehnisse, die damals ja auch schon ein Jahr zurücklagen, nicht allzu viel Sinnvolles beitragen konnten.
Zur allgemeinen Überraschung des Angeklagten und seines Rechtsbeistandes kam es wohl auch deswegen zu einer Einstellung des Verfahrens. Selbst die Verfahrenskosten wurden von der Staatskasse vollständig übernommen. Nun ja, eigentlich vom Steuerzahler, denn weder Cops noch Richter oder Staatsanwälte zahlen solche Dinge aus dem eigenen Geldbeutel. So etwas sollte grundsätzlich eingeführt werden, die Zahl der Verfahren gegen politische Aktivisten würde sich mit Sicherheit deutlich reduzieren.
Wegtragegebühr trotz Einstellung des Verfahrens
Soweit schien ausnahmsweise also alles gut zu sein. Doch weit gefehlt! Das Polizeipräsidium Stuttgart als für das „Wegtragen“ respektive Wegzerren zuständige Landesbehörde zeigte sich von diesem Urteil völlig unbeeindruckt und beharrte weiterhin auf einer „Wegtragegebühr“ von 90 Euro.
Da sich das Polizeipräsidium für Argumente nicht zugänglich zeigte, sah sich der Betroffene veranlasst, eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegen diese „Wegtragegebühr“ einzureichen – und zwar bereits im Februar 2015.
Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Manchmal auch sehr langsam! In diesem Fall waren es genau drei Jahre, bis endlich ein Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart anberaumt wurde. Unser Mitarbeiter zeigte sich schon hocherfreut auf ein Wiedersehen mit den bereits als Zeugen vor dem Amtsgericht Stuttgart geladenen Polizeibeamten. Doch diese Vorfreude wurde jäh zerstört.
Beharrlichkeit siegt – und wieder gilt: Satz mit x – war wohl nix
Am 13. Februar 2018, genau zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin, zog das Polizeipräsidium Stuttgart völlig überraschend die Reißleine. In einem sogenannten „Rücknahmebescheid“ nahm besagtes Polizeipräsidium den Gebührenbescheid von 2014 bezüglich der „Wegtragegebühr“ zurück. Freundlicherweise erging dieser „Rücknahmebescheid“ gebührenfrei.
Noch erfreulicher war für den Betroffenen, dass die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang vom beklagten Land Baden-Württemberg (in Gestalt des Polizeipräsidiums Stuttgart) übernommen wurden. Na, ja, also wieder vom Steuerzahler.
Der Prozess war also nun obsolet. Eigentlich schade. In den letzten Monaten kam es nämlich vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart zu einer auffälligen Häufung von ähnlich gelagerten Fällen. In diesen Klageverfahren, die von Aktivisten wegen „Wegtragegebühren“ gegen das Land Baden-Württemberg angestrengt wurden, kam es regelmäßig zu Ablehnungen dieser Klagen mit teilweise sehr merkwürdigen Argumenten. Über den Grund, warum es bei dieser Klage anders gelaufen ist, lässt sich nur spekulieren.
Dieser Fall kann allerdings zeigen, dass Beharrlichkeit durchaus zu einem kleinen Erfolg führen kann. Es lohnt sich also, sich gegen jegliche staatliche Repression zu wehren.
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