Köln. „Geheimdienste abschalten – Eine Betriebsstörung des Bundesamts für Verfassungsschutz.“ Unter diesem Motto planen Chor und Orchester Lebenslaute zwei klassische Konzerte: ein Vorkonzert am Sonntag, 19. August, um 18 Uhr in der Alten Feuerwache in der Melchiorstraße 3 in Köln und ein Aktionskonzert am Dienstag, 21. August, um 10 Uhr am Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler.
Mit rund 70 MusikerInnen und dem klassischen Konzert für Chor und Orchester fordert das Netzwerk Lebenslaute, den Verfassungsschutz und alle anderen Geheimdienste abzuschalten und die TäterInnen und Mitwissenden im NSU Komplex aus Politik und Behörden zur Verantwortung zu ziehen. Das Netzwerk fordert stattdessen den Ausbau demokratischer Grundrechte.
Mit einem türkischen Klagelied
Am Dienstag, 21. August, wollen um 10 Uhr etwa 70 Musikerinnen und Musiker der Aktionsgruppe Lebenslaute mit Chor und Orchester ein Aktionskonzert vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler geben und den Betriebsablauf blockieren. Bei dem Aktionskonzert werden vorwiegend klassische Werke aufgeführt, darunter ein türkisches Klagelied in Gedenken an die Opfer des NSU.
Bereits am Sonntag, 19. August, präsentiert Lebenslaute das Musikprogramm bei dem Vorkonzert um 18 Uhr in der Alten Feuerwache Köln. Daneben gibt es Redebeiträge von Lebenslaute und dem zu Unrecht über vier Jahrzehnte observierten Bürgerrechtsaktivisten Rolf Gössner. In ihnen wird über den deutschen Inlandsgeheimdienst informiert und die Forderung „Geheimdienste abschalten!“ begründet.
Am 11. Juli endete der NSU-Prozess, bei dem viele Fragen der Opfer und ihrer Familien zur Rolle der Geheimdienste unbeantwortet blieben. Kürzlich wurden Absprachen zwischen Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), und der AfD-Führung bekannt. Dies zeigt aus Sicht des Netzwerks, dass das BfV immer wieder aktiv und zugleich verdeckt in politische Prozesse in Deutschland eingreift.
Lange Reihe von Verfehlungen
Die im NSU-Fall bekannt gewordene selektive Aktenvernichtung, selektive Zurückhaltung von Beweismitteln und Aussageverweigerungen seien Mittel der politischen Einflussnahme und verhinderten eine rechtsstaatliche Ahndung von schweren Verbrechen.
Das Netzwerk erinnert an weitere prominente Beispiele in der Vergangenheit: 1974 wurde Ulrich Schmücker ermordet. Die Verwicklung des Verfassungsschutzes ist bis heute ungeklärt. Der Schmücker-Prozess war einer der größten Justizskandale der Bundesrepublik.
1978 führte der niedersächsische Verfassungsschutz die „Aktion Feuerzauber“ durch (bekannt als „Celler Loch“). 1980 wurde das Oktoberfestattentat verübt, bei dem bis heute unklar ist, welche Rolle die Wehrsportgruppe Hoffmann genau spielte und wie viele V-Männer des Verfassungsschutzes wiederum in dieser rechtsextremen Gruppierung aktiv waren.
Schaden für die Demokratie
Eine Kontrolle der Geheimdienste sei zwar formal geregelt, so das Netzwerk, ihre faktische Wirksamkeit jedoch nicht möglich. In welchem Ausmaß eine verdeckte Einflussnahme auf politische Prozesse stattfinde, sei unbekannt. Dies schade der Demokratie grundsätzlich.
Umgekehrt sei nicht nachvollziehbar, welche Schutzfunktion der Verfassungsschutz hat, die nicht durch die Strafverfolgungsbehörden der Polizei wahrgenommen wird.
Musik mit aktuellen Bezügen
Lebenslaute will die Bedeutung der Forderung sinnlich erlebbar machen und spielt Werke von Ludwig van Beethoven, Dmitri Schostakowitsch, Auszüge einer Oper von C. W. Gluck mit bemerkenswert aktuellem Textbezug zum Wesen von Geheimdiensten, die Gedichtvertonung „Wer die Wahrheit spricht“ aus einem Oratorium von U. Klan, das türkische Klagelied „Ötme Bülbül Ötme“ und eine Bearbeitung des James-Bond-Themas.
Lebenslaute ist ein bundesweites Netzwerk von MusikaktivistInnen, Laien und Profis, die klassische Musik an Orten aufführen, von denen Bedrohung ausgeht. Seit 1986 fanden Besetzungen und Blockaden unter anderem von Militärstützpunkten, Atomkraftwerken, 2015 auch dem Braunkohletagebau Hambach statt. Die diesjährige Lebenslaute-Aktion erfolgt in Kooperation mit der „Initiative Keupstraße ist überall“, der DFG-VK-Gruppe Köln, dem „Tribunal NSU-Komplex auflösen“ sowie „Köln gegen Rechts“.
Im Jahr 2016 war die Lebenslaute in Stuttgart in Aktion: Schlussakkord dem Drohnenmord (wir berichteten – siehe hierzu „AFRICOM über Stunden blockiert“ und „Protest gegen Todeslisten„).
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