Von Alfred Denzinger – Fellbach. In der Fellbacher Lutherkirche fand am Montag, 2. Dezember, ein Bundeswehrkonzert statt. Vor der Kirche protestierten zeitweise bis zu 50 Menschen gegen die Öffnung der Kirche für die Bundeswehr. Aber auch in der Kirche kam es zu Beginn des Konzerts zu Störungen dieser militaristischen Veranstaltung.
Die Kundgebung wurde von der Deutschen Friedensgesellschaft organisiert. Unterstützer des Protestaufrufs waren neben dem DGB-Ortsverband unter anderem auch Attac, die Linke Stuttgart und Rems-Murr und weiteren Friedensinitiativen.
Staatsschutzchef im Einsatz
Gleich zu Beginn des Konzerts mit dem Heeresmusikkorps Ulm kam es in der Kirche zu lautstarkem Protest. Rund ein Dutzend FriedensaktivistInnen hatten sich unter die rund 400 Konzertbesucher gemischt. Von der Empore hallte es mehrfach laut: „Gegen Krieg und Militär – Feuer und Flamme der Bundeswehr“. Pfarrer Eberhard Steinestel bat die FriedensaktivistInnen, die Kirche zu verlassen. Die Protestierenden befolgten die Bitte und verließen die Kirche, gefolgt von den wachsamen Augen und Beinen von einigen Staatsschutzbeamten der Kriminalpolizei. Sogar deren Chef war es offenbar wichtig, diese „gefährlichen“ FriedensaktivistInnen zu observieren. Vermutlich gibt es im Rems-Murr-Kreis nichts, was polit-kriminalistisch wichtiger wäre (siehe hierzu Video unten oder hier) .
Die Bundeswehr aus Stuttgart vertrieben – jetzt sei Fellbach dran
An einem Infostand neben der Kirche wurden PassantInnen über das Konzert und den Protest informiert. Der Fellbacher Ortsvorsitzende des DGB Dieter Keller erklärte, der DGB habe kein Verständnis dafür, „dass eine Militärkapelle in der Kirche spielt. Thomas Haschke von der Deutschen Friedensgesellschaft führte aus, man habe „die Bundeswehr aus Stuttgart und Cannstatt vertrieben, und es wird uns auch in Fellbach gelingen“. Auch der Diplom-Theologe Paul Russmann von der Organisation Ohne Rüstung leben hielt einen Redebeitrag.
Einzelne AktivistInnen verteilten vor dem Kircheneingang Informationsblätter an die BesucherInnen und diskutierten mit einigen von ihnen.
Die Linke Stuttgart teilte über Facebook am 3. Dezember mit: „Gestern protestierten zahlreiche AntimilitaristInnen in Fellbach vor der Lutherkirche, in der das Adventskonzert des Ulmer Militärorchesters bzw. „Heeresmusikkorps“ stattfand. Die Tatsache, dass das Konzert in Fellbach war und nicht in Stuttgart, ist übrigens Ergebnis der ziviligesellschaftlichen Gegenproteste gegen das Konzert in den vergangenen Jahren: Bisher hatte das Konzert immer in Stuttgart stattgefunden, nun fand sich aber keine Kirche mehr bereit, das in der kritischen Öffentlichkeit unbeliebte Event zu hosten. Druck von Links wirkt also. Gut so und weiter so!“
Im Vorfeld des Konzerts gab es einen Offenen Brief des DGB-Fellbach, den wir nachstehend dokumentieren:
„Keine kirchlichen Räume für Bundeswehrkonzerte
Sehr geehrter Herr Pfarrer Steinestel,
sehr geehrte Damen und Herren im Kirchengemeinderat der Lutherkirche Fellbach,
Mit diesem Offenen Brief wollen wir unser Unverständnis und Kritik formulieren dass Sie der Bundeswehr am 2. Dezember die Lutherkirche für ihr Bundeswehrkonzert zur Verfügung stellen. „Die Musik ist die beste Gottesgabe“, hat Martin Luther formuliert. „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, … Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“
Wir begrüßen es, wenn Menschen im Gottesdienst zusammenkommen um zu singen, zu musizieren und kommunizieren. Mehr als einen bitteren Beigeschmack löst es jedoch bei uns aus, wenn Sie, die Lutherkirche für ein Konzert des Heeresmusikkorps aus Ulm öffnen.
Die Bundeswehr nutzt die Schönheit der Musik, die Atmosphäre der Lutherkirche, die Weihnachstimmung rund um die Kirche nicht nur um gute Laune zu verbreiten, sondern auch um Akzeptanz für ihre Auslandseinsätze zu werben. Ausgeblendet werden dabei die Gräuel der Kriege, die zahlreichen Opfer der Kriegs- und Auslandseinsätze die todbringenden Waffenexporte und die horrenden Rüstungskosten die im kommenden Jahr auf 50 Milliarden Euro steigen sollen
Militärkonzerte lenken ab von der Sinnlosigkeit der Kriege und den Kriegseinsätzen der Bundeswehr. Sie sollen Militär – und Kriegseinsätze vergessen machen, überspielen oder gar noch rechtfertigen. Wir jedoch meinen:
Musik und Kultur soll dem Frieden und der Völkerverständigung dienen
Nicht aber den Kriegen und deren Vorbereitung!
Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr werden so – auch wider Willen – öffentlich indirekt kirchlich legitimiert befürchten die „Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden“ (AGDF) und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK).
Laut Bundeswehr-Website geht es bei Konzerten der Bundeswehr auch darum, „Werbung in eigener Sache zu machen und jungen Menschen den Arbeitgeber Bundeswehr auf eine ganz besondere Art näher zu bringen.“
Militär setzt auf die Anwendung von Waffen und Gewalt, das Töten von Menschen, die Zerstörungen der Infrastruktur eines Landes, machen große Gebiete unbewohnbar und vertreiben die Menschen aus ihrer Heimat. Sie tun damit genau das Gegenteil von dem, was die christliche Botschaft verkündet.
Nach den grausamen und schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege formulierte der Ökumenische Rat der Kirchen 1948: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ und konkretisierte diese Aussage 1975 auf der V. Vollversammlung in Nairobi folgendermaßen:
„Die Kirche sollte ihre Bereitschaft betonen, ohne den Schutz von Waffen zu leben und bedeutsame Initiativen ergreifen, um auf eine wirksame Abrüstung zu drängen.“ Doch statt wirksamer Abrüstung gibt es einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf, den z. B. Papst Franziskus immer wieder kritisiert indem er vor einem 3. Weltkrieg warnt.
Die Zahl akuter Krisen, Konflikte und Kriegen nimmt zu. Die Ursachen sind vielfältig. Die Herausforderungen vor der die Menschheit steht sind groß. Die Lösungen der Probleme sind nicht einfach. Doch Waffen und Gewalt sind nicht die Lösung der Probleme in der Welt. Um das Leben aller Menschen und das künftiger Generationen sicher, sozial gerecht und ökologisch tragfähig zu gestalten, braucht es nachhaltige friedliche Alternativen.
Wir wollen Frieden schaffen ohne Waffen!
Wer wirksame Abrüstung und Frieden will, darf in seiner Kirche keine Plattform für Militärwerbekonzerte bieten. Kirchliche Ressourcen bereitzustellen für eine Organisation, die das Töten oder Verstümmeln von Menschen trainiert und das Erlernte auf Befehl im Ernstfall auch praktiziert, sind für uns unerträglich!
Die Bundeswehr hat versucht in Stuttgart das Konzert durchzuführen. Anscheinend war auf Grund der Proteste in den letzten Jahren, dort keine Kirchengemeinde mehr bereit ein solches Konzert durchzuführen.
Wir fragen auch deshalb: Warum muss es die Lutherkirche in Fellbach sein? Es geht uns dabei nicht gegen Soldat*innen als Person, sondern um den uniformierten Auftritt als Werbeveranstaltung der Bundeswehr in der Kirche.
Sehr geehrter Herr Pfarrer Steinestel,
sehr geehrte Damen und Herren des Kirchengemeinderates,
statt der Bundeswehr eine Plattform zu bieten, fordern wir sie auf, stellen sie die Lutherkirche für Konzerte der Bundeswehr nicht zur Verfügung. Verhindern sie den Missbrauch der Lutherkirche durch die Bundeswehr.
Keine Bundeswehrwerbung in Schulen und Kirchen.
Gerne sind wir bereit mit Ihnen über unser Anliegen und Forderungen ins Gespräch zu kommen.“
Siehe auch „Nein zum Bundeswehrkonzert in der Lutherkirche“
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