Freiburg. Ende April wurden in der Nähe von Freiburg bei einem Einsatz von Polizei- und Ordnungsamt Angehörige einer Roma-Familie zum Teil schwer verletzt. Ein 48-jähriger Familienvater erlitt schwere Verletzungen durch Bisse eines Polizeihundes, zwei Frauen und ein weiterer Mann wurden durch Schläge verletzt. Der Polizeieinsatz erfolgte nach Angaben des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma wegen einer Bagatelle, bei der es um eine Parkplatzfrage vor der Haustür der Geschädigten gegangen sein soll. Der Zentralrat fordert lückenlose Aufklärung der Polizeigewalt gegen die Roma-Familie.
Die beteiligten Beamten sollen von Beginn an aggressiv aufgetreten und die Situation vorsätzlich eskaliert haben, heißt es in einer Mitteilung des Zentralrats. In deren Verlauf sollen ein Polizeihund auf den Mann gehetzt und seine Familienangehörigen mit Faustschlägen traktiert worden seien. Die Verletzungen wurden in einem Krankenhaus behandelt und dokumentiert.
Die Geschädigten seien später zu einer Polizeidienststelle gegangen, um Strafanzeige zu erstatten. Nachdem sie den Sachverhalt geschildert hatten, sollen sie jedoch von dem oder den Polizeibeamten abgewiesen worden sein.
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kritisiert deutlich „das vollkommen unverhältnismäßige Vorgehen der Polizeibeamten“ und erklärt: „Dieser Vorfall muss lückenlos aufgeklärt werden, damit das Vertrauen unserer Minderheit in die Polizei nicht beschädigt wird. Sollten die Vorwürfe zutreffen, hätten wir es mit Fällen von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung und Nötigung zu tun. Sollte die Annahme der Strafanzeige dieses Vorfalls durch die Freiburger Polizei tatsächlich verweigert worden sein, besteht zudem der Verdacht der versuchten Strafvereitelung im Amt durch weitere Polizeibeamte.“
Der Zentralrat hat sich daher an Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und an den Freiburger Polizeipräsidenten Franz Semling mit der Bitte um umfassende Aufklärung gewandt. Romani Rose hatte zuletzt die sorgfältigen Ermittlungen der Ulmer Polizei bei dem Brandanschlag auf eine Roma-Familie ausdrücklich positiv gewürdigt.
Allerdings zeigt der aktuelle Diskriminierungsbericht des ‚Roma Büro Freiburg‘, dass Diskriminierung durch die Freiburger Polizei und unverhältnismäßige, überzogene Polizeimaßnahmen gegen Sinti und Roma kein Einzelfall sind. Der Bericht dokumentiert für den Raum Freiburg zahlreiche Fälle – so etwa den Einsatz von Hundestaffeln und selbst des SEK gegen Sinti und Roma mit Aussagen von Betroffenen. Wegen des „in Freiburg auch in anderen Lebensbereichen zunehmenden offenen Antiziganismus“ hat sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und des Landes Baden-Württemberg und Freiburgs gewandt, um grundsätzlich die Situation der Minderheit in Freiburg prüfen zu lassen.
Für das Jahr 2019 hat die Bundesregierung 78 antiziganistische Straftaten gezählt, heißt es in der Mitteilung weiter. Angesichts der geringen Anzahl dokumentierter Fälle sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Denn nur ein Bruchteil der Straftaten werde von Betroffenen zur Anzeige gebracht oder von Strafverfolgungsbehörden als antiziganistisch motiviert eingestuft und gemeldet.
„Minderheiten sind in Deutschland in besonderem Maße auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien angewiesen, gerade durch die Polizeibehörden. Deshalb müssen in der Aus- und Weiterbildung der Beamtinnen und Beamten Geschichte und Gegenwart von Sinti und Roma aufgenommen werden, um zu einem gleichberechtigen Verhältnis zu kommen. Wir müssen uns als Bürger dieses Landes darauf verlassen können, dass unsere Polizeibehörden der Demokratie genauso verpflichtet sind wie der Verfolgung von Kriminalität“, so Romani Rose.
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