Göttingen/Berlin. Das Hans-Litten-Archiv würdigt das große Verdienst der FilmemacherInnen von „Babylon Berlin“, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Millionenpublikum auf den engagierten linken Anwalt Hans Litten aufmerksam gemacht zu haben – und das in vorzüglicher Art und Weise.
Dr. Nikolaus Brauns, Vorsitzender des Hans-Litten-Archivs e.V., führt hierzu aus:
„Am 14. Oktober wurde in der ARD die 22. Folge der populären Fernsehserie „Babylon Berlin“ ausgestrahlt. Zwischen den Minuten 13.24 – 15.31 kann man eine instruktive Darstellung aus der Arbeit der Roten Hilfe im Jahre 1929 sehen. Aus der Totale zeigt uns die Kamera zunächst das prall mit Akten gefüllte Büro der „Kanzlei Litten – Rote Hilfe Berlin-Schöneberg“. Danach treten in dieser Szene drei SchauspielerInnen auf, einer davon ist der von Trystan Pütter gespielte Hans Litten. Wikipedia informiert uns diesbezüglich in dem Eintrag zur Filmserie: „Rechtsanwalt der „Roten Hilfe“. Die Figur beruht auf Hans Achim Litten, der als „Anwalt des Proletariats“ und Gegner des NS-Regimes bekannt war; 1938 im KZ Dachau in den Tod getrieben.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Babylon_Berlin#Nebenrollen)
„Was würde so was kosten, wie viel ….?“
Die Szene zeigt wie die von Liv Lisa Fries gespielte Kriminalassistentin „Charlotte Richter“ den Genossen Litten in seinem Büro mit der Absicht aufsucht, Rechtshilfe für ihre inhaftierte Freundin „Greta Overbeck“ zu erbitten. Overbeck ist für die Mithilfe an einem Bombenanschlag auf einem hohen Repräsentanten der Weimarer Republik zum Tode verurteilt worden, der von den Nazis durchgeführt worden ist. Im Strafprozess hat sie unter dem Druck einer Erpressung des Leiters der Politischen Polizei in Berlin die Kommunisten dieser Tat beschuldigt.
Ohne sich in ihrer beruflichen Position vorzustellen informiert Kriminalassistentin „Charlotte Richter“ Hans Litten darüber, dass es, „seit neuestem wieder eine Spur zu den möglichen Hintermännern“ dieser Tat gibt. Genosse Litten winkt hier ab, ihm reicht die Feststellung: „Offenbar war das Urteil politisch gewollt!“ „Charlotte Richter“ fragt Litten mit fragendem Blick nach Unterstützung: „Was würde so was kosten, wie viel ….?“
„Was können sie denn? Ich frage, weil …“
Genosse Litten, am Schreibtisch sitzend, antwortet ihr mit offenem Blick: „Was können sie denn? Ich frage, weil ich annehme, dass sie keine Vorstellungen haben, was die Rote Hilfe ist“.
Kriminalassistentin „Richter“ erwidert leicht hilflos: „Nein.“
Genosse Litten zündet sich eine Zigarette an, und führt dann wie folgt zu den Aufgaben der Roten Hilfe aus: „Wir gewähren Rechtshilfe für Unterprivilegierte. Für Arbeiter, für Arbeitslose. Wir beraten die Menschen. Wir vertreten sie vor Gericht. Wir kämpfen für diese Menschen und helfen ihnen so zu etwas was ihnen zusteht: Nämlich zu ihrem Recht!“
Die ins Bild als aufmerksam zuhörende gesetzte „Charlotte Richter“, schaut beeindruckt, lächelt und nickt zustimmend.
Im weiteren Verlaufe der Szene weist Litten noch auf ein anderen wichtigen Aspekt des Selbstverständnisses der Roten Hilfe hin: „Wir sind eine Freiwilligenorganisation.“ Und so geht die Szene erst mal gut aus: Genosse Litten sagt der Freundin von „Greta Overbeck“ zu, dass er diese „so oder so vertreten (werde), ganz unabhängig von einer Bezahlung.“ Kriminalassistentin „Richter“ bestätigt das erleichtert lächelnd mit dem Wort: „Abgemacht!“ Ende der Szene.
… und „auch nicht die Bohne“ extremistisch
Der Anwalt der Roten Hilfe Hans Litten wird in Babylon Berlin als das dargestellt, was er bestimmt immer auch war: Offen und sympathisch, Hilfesuchenden vorurteilslos zugewandt, gut informiert, außerordentlich engagiert und „auch nicht die Bohne“ extremistisch. Dass er allerdings am Ende dieser Szene die Kriminalassistentin bittet für die RH als Stenotypistin zu arbeiten ist nur daraus zu erklären, dass „Charlotte Richter“ hier nicht ganz mit offenen Karten spielt.
Wir haben unseren 2006 gegründeten Archivverein zur Geschichte der Solidaritätsorganisationen der ArbeiterInnenbewegung und der sozialen Bewegungen nach Hans Litten benannt, um die Erinnerung an diesen mutigen Rote-Hilfe-Anwalt und Antifaschisten wachzuhalten. In seinen letzten Amtswochen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahr 2018 hat Hans-Georg Maaßen veranlasst, dass das Hans-Litten-Archiv im kommenden Jahr als „extremistische Gruppierung“ im Verfassungsschutzbericht gelistet wird, die „verfassungsfeindliche Ziele“ verfolge. Dabei werden wir als eigenständiger und als gemeinnützig anerkannter Verein fälschlich als „Struktur“ der Roten Hilfe e.V.“ markiert. Auch im diesjährigen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 wird unser Archivverein genannt. Eine solche Eintragung im Verfassungsschutzbericht gefährdet unsere wissenschaftliche Kooperation mit anderen Institutionen wie Universitäten. Zudem droht uns durch die Nennung im Verfassungsschutzbericht der Entzug der Gemeinnützigkeit, wie dies auch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) widerfahren ist. Dagegen verfolgen wir derzeit noch eine Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.
Unterprivilegierten Rechtshilfe zukommen lassen
In „Babylon Berlin“ wird auch gezeigt, wie die Weimarer Republik gerade nicht durch „Linksextremisten“ sondern durch das Bündnis von Teilen des Staatsapparates mit den Nazis zerstört wurde. Dagegen hat auch Hans Litten gekämpft.
Das Hans-Litten-Archiv als Freiwilligenorganisation heute sieht sich selbst ganz im Geist der Worte von Hans Litten in „Babylon Berlin“. Indem wir die Geschichte der Solidaritätsorganisationen der ArbeiterInnenbewegung und der sozialen Bewegungen einschließlich der verschiedenen Rote-Hilfe-Organisationen der letzten 100 Jahre dokumentieren, wollen wir zeigen, wie wichtig es ist und bleibt den Unterprivilegierten Rechtshilfe zukommen zu lassen, um ihnen so zu etwas zu verhelfen, was ihnen zusteht. „Nämlich zu ihrem Recht!“
Wir sind sehr gespannt darauf, wie die Darstellung von Hans Litten in der nächsten Staffel von „Babylon Berlin“ weiter gestrickt wird. Für Rückfragen aller Art stehen wir gerne zur Verfügung.“
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