Von Sahra Barkini – Stuttgart. Rund 400 Menschen versammelten sich am Abend des 15. Februar auf dem Stuttgarter Schlossplatz, um an der Kundgebung „Für eine gerechte Corona-Politik. Unsere Solidarität gegen Demokratiefeinde und rechte Stimmungsmache“ teilzunehmen. Musik kam vom Duo „Los Santos“ (Lucia Schlör & Stefan Hiss) und von Stine Marie Fischer (Staatsoper Stuttgart). Moderiert wurde die Kundgebung von der Studentin Celine und Joe Bauer. „Soziale Ungerechtigkeit ist der Nährboden für rechte Rattenfänger“, warnte er.
RednerInnen aus Kultur, Sozialverbänden, der Flüchtlingshilfe, aus der Pflege sowie ein Redakteur des SWR kritisierten unter anderem die ungerechte Corona-Politik. Sie spiele nur rechten Kräften in die Hände. Auch die Angriffe auf JournalistInnen durch TeilnehmerInnen der „Querdenker“ Demos waren Thema.
Armin Biermann vom Caritasverband Stuttgart legte den Schwerpunkt seiner Rede auf soziale Gerechtigkeit. So kritisierte er, dass ErzieherInnen, Paketboten und Pflegekräfte zwar die meiste Last während der Pandemie schultern müssen, aber schlecht bezahlt werden. Und das sei besonders bei den hohen Mieten in Stuttgart ein Problem. Er sagte: „Wir brauchen keine einmaligen Bonuszahlungen, sondern eine nachhaltige politische Veränderung hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit“.
JournalistInnen werden attackiert
Der SWR Redakteur Stefan Tiyavorabun berichtete über Angriffe auf JournalistInnen. So wurde vergangenes Jahr bei einer „Querdenker“ Demonstration auf dem Cannstatter Wasen ein Kollege erst mit „Lügenpresse“ Rufen beschimpft und dann mit einem Stein oder einem ähnlich harten Gegenstand beworfen, so dass er die Liveschalte zur Tagesschau abbrechen musste. Wenn JournalistInnen sich in Sicherheit bringen müssen statt der Berichterstattung nachzugehen, sei die Grenze erreicht, so der Redakteur. Bei der „Querdenker“ Demonstration im Januar wurde einem Kamerateam-Kollegen mit der Trillerpfeife direkt ins Ohr getrillert. Da ist es dann nicht mehr weit bis zum direkten Angriff, so Tiyavorabun.
Im Aufruf zu dieser Demonstration war zu lesen, der SWR sei „das Virus“ und „wir kommen euch besuchen“. Was damit gemeint ist, sah man bereits 2020 in Baden-Baden. Da wurden die KollegInnen aufs übelste beschimpft. So hieß es: „Wir vertreiben euch aus den Redaktionsstuben“. Damals ging die Aggression nicht von „Querdenkern“ aus, sondern von einem inzwischen ehemaligem Mitglied der AfD (siehe „Unerschrocken für Pressefreiheit„).
„Wir sind heute hier, um darauf aufmerksam zu machen, worum es geht. Die Berichterstattung ist weder Selbstzweck noch ist der SWR Staatsfunk, sondern unabhängiger Rundfunk“, so Tiyavorabun. Zum Abschluss sagte er: „Jeder der versucht, eine unabhängige Presse mundtot zu machen, muss wissen, was damit verloren geht.“ Mit jedem Schritt, mit dem die Presse diskreditiert werde, sei auch ein Stück Demokratie in Frage gestellt.
Pflegekräfte am Limit
Für den Pflegebereich sprach Johanna, sie arbeitet in einem Stuttgarter Krankenhaus. Mit Blick auf die beiden letzten Jahre sprach sie von einer Ausnahmesituation für fast alle Menschen. Die Belastung im Pflegesektor war schon vor der Pandemie hoch, und die Löhne waren niedrig. Die Pflegekräfte seien am Limit. Die andauernd schlechten Bedingungen führen dazu, dass immer mehr von ihnen ihren Beruf aufgeben. Und so traf das Virus auf ein völlig kaputtgespartes Gesundheitswesen und verschärfte die Lage nur noch mehr.
Mit Blick auf die „Querdenker“-Bewegung sagte Johanna, in Krisen wie der heutigen suchten die Menschen Antworten, die sie verstehen und hören wollen. Dann passiere, was immer passiert: Rechte und faschistische Bewegungen bäumten sich auf, gäben sich als „der Widerstand“ aus und versprächen, dass die AnhängerInnen dieses Mal nicht auf der Verliererseite stehen, wenn sie sich ihnen anschließen. Denn sie seien gegen das Establishment. Dass die führenden Köpfe dieser Bewegung und deren wirtschaftliche Programmatik nur so von Establishment trieft, komme dabei niemandem spanisch vor, so die Rednerin.
„Spalten und vernebeln“
Was diese reaktionären Bewegungen in der Zeiten der Krise machten, seien zwei Dinge. Zum einen griffen sie fortschrittliche Bewegungen und soziale Kämpfe frontal an. Die Pseud-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ will nun von den Metallbetrieben in den Gesundheitssektor expandieren. Deren hauptsächliche Arbeit bestehe darin, gegen die DGB-Gewerkschaften und Linke zu hetzen. Und zum zweiten vernebelten Rechte und Faschisten in Krisenzeiten mit ihren wirren Theorien und Konstrukten die eigentlichen Konfliktlinien zwischen unten und oben.
Für Hans D. Christ vom Württembergischen Kunstverein liegt die Qualität der Demokratie in der Solidarität mit den Verwundbaren. „Die Querdenkerbewegung will nichts anderes, als ihre sogenannten persönlichen Freiheiten auf Kosten anderer durchsetzen“, sagte er.
Die Co-Moderatorin Celine sprach über die Situation an Unis und Schulen. Geeint habe junge Menschen in den letzten zwei Jahren das Gefühl, vergessen zu werden. So dürfe mit jungen Menschen nicht umgegangen werden, wenn sie doch die Zukunft seien.
Näheres über die KünstlerInnen Soforthilfe findet sich hier. Die Initiative freut sich weiterhin über Spenden.
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