Kommentar von Sahra Barkini – Stuttgart. Zugegebenermaßen sind die Zeiten aktuell nicht einfach. Seit über zweieinhalb Jahren leben wir und die ganze Welt in einem Ausnahmezustand. Erst eine weltweite Pandemie mit Schulschließungen und Ausgangssperren, die noch immer nicht vorbei ist. Aktuell steigt die Zahl der Infizierten wieder stark an. Und nun, seit über einem halben Jahr, führt Wladimir Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dies führt bei uns zu massivsten Preissteigerungen nicht nur, was Gas, Strom und Öl betrifft. Auch an der Supermarktkasse spürt jeder und jede von uns die Inflation deutlich.
Inzwischen sind in Geschäften teilweise die Butterpäckchen, für die über 3,50 Euro fällig werden, Diebstahl-geschützt. Dies alles verunsichert die Menschen. Sie haben Angst um ihre Existenz. Auch aus diesem Grund gibt es Aktionen, Infostände und Kundgebungen linker Gruppen oder der Linkspartei. Ja, auch von Rechten und Nazis, aber die sind jetzt hier nicht Thema.
Die richtige Antwort: Als Klasse kämpfen
Und komme mir bloß keiner mit der Hufeisen- oder der Extremismustheorie. Links und Rechts sind nicht gleich. Auch wenn das so manche ständig behaupten – vielleicht auch, um vor sich selbst zu rechtfertigen, warum er oder sie nicht zu einer Kundgebung geht, zu der linke Gruppierungen aufrufen. Schließlich würde man da ja so „böse“ Wörter wie „Klassenkampf“ hören. Dabei wäre als Klasse kämpfen eigentlich die richtige Antwort auf die aktuelle Situation. Also zusammen stehen.
PolitikerInnen in Landes- oder Bundespolitik machen aktuell teilweise mit ungeschickt formulierten oder bewusst provokanten Zitaten von sich reden. Das ist nichts wirklich Neues. Neu ist aber, wie darauf reagiert wird. Im Netz bekommen die TastaturheldInnen Schnappatmung, weil man es wagt, ein Zitat von Robert Habeck zu nutzen, in dem er sagte, er habe seine Duschzeit bereits verkürzt, um Energie zu sparen. Währenddessen sind die selben Leute still, wenn der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen KlimaaktivistInnen in einem rechten Internetmedium als FaschistInnen bezeichnet und sie mit dem NS vergleicht.
Still ist man auch – beziehungsweise schnell wieder still -, wenn CDU-Chef Friedrich Merz Geflüchtete aus der Ukraine als „Sozialtouristen“ tituliert. Erstens kommt dieses Wort, dieser Vorwurf, aus rechten Telegram-Kanälen. Zweitens nutzte es die NPD, und zum dritten war es bereits Unwort des Jahres 2013. Für Merz hagelte es zurecht Kritik von allen Seiten. Daraufhin hat er sich „entschuldigt“, wobei: Eine Entschuldigung für dieses unsägliche Wort war es nicht. Er entschuldigte sich nur dafür, dass er wohl Menschen gekränkt habe. Aber dies reichte aus, die Öffentlichkeit ist zufrieden. Solche Sätze in die Welt posaunen, gerne per Social Media, und dann bei Gegenwind halbherzig zurückrudern, das kennt man ja von den Herrschaften vom rechten und ganz rechten Rand. Es färbt wohl ab.
Und da war dann auch noch Nancy Faeser. Sie wollte keinen Rassismus in der Aussage eines Berliner Polizisten erkennen, der in der Wohnung einer syrischen Familie sagte: „Ihr seid hier in unserem Land, ihr habt euch nach unseren Gesetzen zu verhalten.“ Und dazu: „Das ist mein Land, und du bist hier Gast.“ Doch, Frau Faeser: Diese Aussage ist genau das. Und überhaupt, vielleicht sollten wir mal Betroffenen zuhören, was sie als rassistisch empfinden, und nicht von oben herab urteilen. Aber auch bei Faeser war der Aufschrei recht verhalten. Im übrigen war das Vergehen des Mannes, den die Polizei in seiner Wohnung aufsuchte, laut „Süddeutscher Zeitung“ dreimaliges Schwarzfahren. (https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-polizei-rassismus-syrer-schwarzfahren-1.5659393)
Ja, die Regierung hat es nicht einfach. Aber einfach ist es aktuell für niemanden. Es rollen Heizkostenerhöhungen auf uns zu, bei denen man oft nicht weiß, wie man sie stemmen soll. Kürzlich berichtete ein Redner bei einer Kundgebung in Stuttgart von seiner Erhöhung. Der Gasabschlag steigt bei ihm von derzeit monatlich 92 Euro auf 456 Euro ab Oktober (https://beobachternews.de/2022/09/19/gegen-eine-unsoziale-krisenpolitik/)
TastaturheldInnen im warmen Wohnzimmern
Statt dass man sich solidarisch zeigt und zusammensteht, wird sich über Kleinkram aufgeregt. Freilich im warmen, bequemem Wohnzimmer, denn auf die Straße gehen diese TastaturheldInnen nicht. Und bevor jetzt wieder der Vorwurf kommt, wer sich jetzt wegen der hohen Preise auf die Straße stellt, sei PutinversteherIn: Ich habe Putin schon vor dem 24. Februar nicht verstanden. Denn auch damals war sein Politikstil mehr als fragwürdig, auch wenn ein ehemaliger SPD-Kanzler in ihm „einen lupenreinen Demokraten“ sah. Oppositionelle, JournalistInnen, Homosexuelle einsperren hat nichts mit Demokratie zu tun. Das kennen wir aus autoritären Staaten wie der Türkei. Und auch vor Februar führte Putin Krieg, er schickte 2008 Truppen nach Südossetien – völkerrechtlich ein Teil Georgiens -, annektierte 2014 die Krim und infiltrierte den Donbass.
Vielleicht besinnen wir uns alle einfach mal auf das Wesentliche. Ein bisschen „Cool down“ hat noch niemanden geschadet. Natürlich ist der Angriffskrieg nicht zu rechtfertigen, natürlich muss den UkrainerInnen geholfen werden. Aber die fundamentale Bevorzugung der ukrainischen gegenüber anderen Geflüchteten ist ebenfalls skandalös: Sie erhalten seit Juni Hartz IV. So gibt es in Deutschland nun Geflüchtete erster und zweiter Klasse.
Aber auch den Menschen auf der Balkanroute muss geholfen werden oder jenen, die aktuell versuchen, übers Mittelmeer zu flüchten. Denn nach der Wahl in Italien mit einer nun ultrarechten Regierung kommen auch auf sie noch härtere Zeiten zu. Für sie wird es noch kälter in Europa, denn ob Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder Innenministerin Faeser: Man sieht Deutschland an seinen Kapazitätsgrenzen. Solidarität ist auch eine Waffe. Setzen wir sie ein.
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