Kommentar von Sahra Barkini – Stuttgart. Der öffentliche Dienst ist streikbereit. Das spüren wir alle hin und wieder. Sei es, wenn Busse und Bahnen nicht fahren oder sich der Müll vor dem Haus stapelt. Oder wenn in Kliniken und Kitas nur eine Notversorgung angeboten wird. Die Angebote der ArbeitgeberInnen sind ein Witz und oft ein Schlag ins Gesicht derer, die sich schon während der Corona Pandemie ein Bein ausgerissen haben, um „den Laden am Laufen zu halten“.
Verdi fordert 10,5 Prozent mehr Gehalt, aber mindestens 500 Euro für eine Laufzeit von 12 Monaten. Das ist den ArbeitgeberInnen zu viel, auch Innenministerin Faeser lehnt das als „nicht zielführend“ ab. Die Arbeitgeberseite bietet 5 Prozent mehr Gehalt auf 27 Monate an und somit weit weniger als die aktuelle Inflationsrate. Doch in einer Situation, in der Gewerkschaften fast täglich auf die Straße gehen, erhöhen sich die TopverdienerInnen im Stuttgarter Rathaus – die sechs BürgermeisterInnen – mal schnell ihre Einkünfte. Mit Absegnung des Gemeinderates und obwohl sie zusätzlich von den Tarifverhandlungen profitieren werden.
Einzig die sieben Abgeordneten des Links-Bündnisses stimmten gegen die Erhöhung. Die BürgermeisterInnen bekommen nun also 470,57 Euro mehr pro Monat. Und das bei einem schon üppigen Grundgehalt von 11 764 Euro. Oberbürgermeister Frank Nopper findet diese Erhöhung „angemessen und richtig“. Sie mit den Tarifforderungen zu vergleichen, sei nicht „statthaft“ – so war es jedenfalls in der Stuttgarter Zeitung zu lesen. Hannes Rockenbauch (Stadtrat die Fraktion) hält diese Argumentation für absurd. Städtische Bedienstete müssten wochenlang für eine angemessene Erhöhung streiken – und zwar für sich und letztlich auch für die BürgermeisterInnen, die dann zwar doppelt profitieren aber keine Solidarität zeigen.
Aber Solidarität mit Streikenden war noch nie Herrn Noppers Sache. So weihte er am 17. Juli 2021 lieber „sein Weindorf“ ein (es bestand lediglich aus einer Hütte) als sich nur fünf Minuten bei den Streikenden aus dem Einzelhandel blicken zu lassen. Und das obwohl diese Einweihung und der Streik nur ein paar Meter voneinander entfernt waren. (Wir berichteten: https://beobachternews.de/2021/08/03/mit-applaus-zahlt-man-keine-miete/).
Auf der Streik-Kundgebung von Verdi am 22. März sprach Landesbezirksleiter Martin Gross auch das BürgermeisterInnen-Thema an: „Wer 470 Euro oben mehr bezahlt, on top zum Gehalt, hat kein einziges Argument mehr gegen einen hohen Mindestbetrag. Ich erwarte von Oberbürgermeister Nopper, dass er sich nach diesem völlig überzogenen Schluck aus der Pulle beim KAV Baden-Württemberg (Kommunaler Arbeitgeberverband, Anm. d. Red.) uneingeschränkt für unsere Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr, stark macht. Damit sich nicht nur Bürgermeister Stuttgart als Beruf leisten können.“
Die Stadt Stuttgart in Person ihres Pressesprechers Sven Matis hat eine eigene Sicht auf die Streiks. So twitterte er noch am Mittwoch: „Es gibt Grenzen für das Streikrecht – zum Beispiel, wenn sie unverhältnismäßig sind oder das Gemeinwohl stark einschränken. Für uns bedeutet der Streik einen Spagat.“ Für Gross und alle Streikenden ist definitiv klar: „Ohne Streik wird sich nichts verändern“. Und sie werden weitermachen. Denn wie heißt es so schön: „Streik in der Schule, Streik im Betrieb, das ist unsere Antwort auf eure Politik“. Alle Menschen, die nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, tun gut daran, aktuell solidarisch mit den Streikenden zu sein. Denn vorerst wird es wohl noch häufiger heißen: „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streik-Tag“.
.
Weitere Bilder vom Streik aus
Stuttgart und Freiburg
Folge uns!