München/Göttingen. Mit einer bundesweiten Razzia am 24. Mai haben die Repressionsbehörden die Verfolgungen gegen die Klimabewegung weiter verschärft: Betroffen war erneut die „Letzte Generation“, gegen die das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) und die Generalstaatsanwaltschaft München ein Verfahren nach § 129 StGB („kriminelle Vereinigung“) eingeleitet haben. Federführend ist dabei die „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ (ZET).
Am frühen Morgen des 24. Mai durchsuchten vermummte Polizeieinheiten insgesamt 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern. Im Visier der Razzia waren vor allem die finanziellen Grundlagen der Klimaschutzorganisation, weshalb zwei zentrale Konten beschlagnahmt wurden. Auch weitere Infrastruktur war von der Polizeiaktion betroffen: Neben den Mailadressen und -verteilern wurde auch die Homepage der „Letzten Generation“ gesperrt, und die ZET soll nach Angaben der Roten Hilfe auf der Startseite eine Warnung vor Spenden an die Organisation platziert haben. Dieser Text sorge inzwischen für Furore, da die ZET darin erklären soll: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB dar!“
Verstoß gegen rechtsstaatliche Minimalstandards
„Diese Vorverurteilung während eines laufenden Ermittlungsverfahrens stellt einen klaren Verstoß gegen rechtsstaatliche Minimalstandards dar, indem die ZET nicht einmal mehr ein Gerichtsverfahren abwartet“, merkte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. an. „Die laufende Hetze gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung erreicht damit ein neues Niveau.“
Die konkreten Vorwürfe gegen die sieben Beschuldigten der heutigen Durchsuchungen konzentrieren sich auf ihr Engagement für eine Spendenkampagne, mit der die „Letzte Generation“ 1,4 Millionen Euro für ihre Aktivitäten eingeworben haben soll. Zwei AktivistInnen werde zudem Aktionsplanungen gegen eine Öl-Pipeline vorgeworfen.
Mit dem Ermittlungsverfahren nach § 129 stehen die bayerischen Repressionsorgane nicht allein: Bereits seit Ende 2022 versuchen die Behörden in Brandenburg, die „Letzte Generation“ als „kriminelle Vereinigung“ zu verfolgen, und auch die Berliner Justiz prüft derzeit ein mögliches Verfahren.
Ende der Kriminalisierung gefordert
„Mit den heutigen Razzien gegen die ‚Letzte Generation‘ treibt die staatliche Kriminalisierung der Klimabewegung erneut groteske Blüten: Dass die bayerischen Repressionsorgane Spendensammlungen für Aktionen gegen die Klimazerstörung als ‚kriminelle Vereinigung‘ verfolgen, ist ein Schlag ins Gesicht aller, die der globalen Klimakatastrophe nicht tatenlos zusehen wollen“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Ununterbrochen müssen wir erleben, wie KlimagerechtigkeitsaktivistInnen zu immer höheren Strafen – oftmals sogar zu Haftstrafen ohne Bewährung – verurteilt werden oder willkürlich in ‚Präventivhaft‘ genommen werden. Die jetzigen Ermittlungsverfahren nach § 129 stellen eine weitere Verschärfung der Gangart dar. Gegen diese Repressionswelle hilft nur Solidarität: Die Rote Hilfe e. V. steht an der Seite der verfolgten KlimaaktivistInnen und fordert ein sofortiges Ende der Kriminalisierung!“
Wir dokumentieren nachstehend die Stellungnahme der Letzten Generation zu den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Bayern und ihre weiteren Planungen:
„Die 15 Hausdurchsuchungen heute haben alle Unterstützer:innen der Letzten Generation getroffen. Bei einer Unterstützerin, Carla Hinrichs, wurde heute früh die Wohnungstür von über fünfundzwanzig Beamt:innen aufgebrochen. Mit gezogner Waffe stürmten die Beamt:innen in Carlas Zimmer, in welchem sie noch im Bett lag.
Das alles macht uns Angst. Aber wir können es uns nicht erlauben, in dieser Angst zu verharren.
Denn die Bundesregierung führt uns in eine Klimahölle, und die Regierung Scholz drückt weiterhin aufs Gaspedal. Wir müssen zusehen wie unsere Lebensgrundlagen weiterhin zerstört werden – und mit ihnen unsere Freiheit und unsere Demokratie. WIR werden weiterhin dafür einstehen, Leben zu schützen.
Deshalb werden wir den Protest auf das ganze Land ausweiten. Wir rufen alle Menschen dieses Landes auf, sich nächsten Mittwoch an einem Protestmarsch in einer Stadt in ihrer Nähe zu beteiligen. Schon heute um 17 Uhr findet ein Protestmarsch in Berlin, morgen in Leipzig, übermorgen in München statt.
Alles, was wir tun, tun wir transparent. Wir stehen mit unseren Namen und Gesichtern für unseren Protest. Wir kündigen an, was wir vorhaben. Wir führen Gespräche mit Politiker:innen, mit der Polizei, mit Kirchenoberhäuptern. Was ist daran kriminell? Wir bereichern uns nicht – im Gegenteil, wir zahlen laufend Strafen für das, was wir tun.
Unsere gesamte Arbeit ist öffentlich: Ein Organigramm unserer Struktur. Die Namen der Bürger:innen, die mitmachen. Unsere Forderungen: Ein Gesellschaftsrat, der uns sozialgerecht aus der Klimakrise führt. All das steht auf unserer Website. Die Website, die heute auf Weisung der Justiz vom Netz genommen wurde.
Wir sind entsetzt und empört darüber, dass unsere Spendenkonten beschlagnahmt wurden.
Was wird dann nun aus den Menschen die uns kleine Beträge gespendet haben? Was ist mit den vielen Menschen, die uns 5, 10 oder 50 Euro gespendet haben. Müssen die jetzt alle bald mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, weil sie eine „kriminelle Vereinigung“ unterstützen?
Wir glauben an den Rechtsstaat. Wir appellieren jeden Tag an ihn. Wir haben keine Angst vor einem Prozess. Im Gegenteil, wir haben grosse Angst vor der Zerstörung unseres Rechtsstaates durch die Folgen der Klimakrise. Staatsanwälte aus ganz Deutschland haben bereits klargemacht, dass sie den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung für absurd halten. Aber was sind das für Untersuchungen, bei denen schon durch Sperrung unserer Website und unserer Konten so tief in unsere Organisation eingegriffen wird und dadurch unser legitimer Protest behindert wird? Auf diese Weise erleidet unsere Demokratie schon jetzt massiven Schaden.
Kriminell sind nicht wir, die für das Klima eintreten. Kriminell ist die fehlende politische Führung in dieser Krise. Das sind die Worte von UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Wir sind am 19.4.2923 mit mehr Menschen als je zuvor nach Berlin gekommen. Zur größten Welle des Widerstands der Letzten Generation. Wir sind nach Berlin gefahren mit der Unterstützung von acht Oberbürgermeister*innen, die sich solidarisch erklärt haben und von so vielen mehr, die sich hinter uns stellen.
Die Regierung will der Öffentlichkeit verkaufen, dass unser Land auf einem guten, gar vorbildlichen Weg sei. Aber das stimmt nicht. Das ist eine Illusion, die den Menschen jeden Tag aufgetischt wird. Die Regierung ignoriert wissenschaftliche Fakten. Sie verweigert das zu tun, was notwendig wäre, um das Überschreiten der Kipppunkte und damit den gesellschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern.
Die Bundesregierung bricht ihre eigenen Gesetze. Die Bundesregierung bricht jeden Tag die Verfassung. Und wir bringen das mit unserem Protest jeden Tag auf die Straße.
Und solange das so weitergeht, solange Kanzler Scholz und die ganze Regierung ihre eigenen Klimaschutzgesetze brechen. Solange sie den Artikel 20a des Grundgesetzes nicht achten, so lange werden wir weiter von unserem Recht Gebrauch machen, friedlich zu protestieren.
Was wir in Berlin gesät haben, ist nun ein Stein des Anstoßes geworden. Die Wellen, die wir in Berlin geschlagen haben, sind haben sich über das ganze Land ausgebreitet. Dort kommen nun immer mehr Menschen ins Handeln, wollen protestieren in dieser nie dagewesenen Krise. Im ganzen Land sprudeln Widerstandsgruppen aus dem Boden, die sich ab jetzt in Protestmärschen in allen Regionen Deutschlands zeigen werden.
Morgen starten München mit einem Protestmarsch durch die Stadt, nächste Woche werden sich etliche Städte anschließen.
Wir laden die Bürger:innen im ganzen Land ein, sich anzuschließen. Wir haben das Recht, friedlich zu protestieren. Wir haben nicht nur das Recht. Wir haben die Pflicht, da alles auf dem Spiel steht, was uns lieb ist.“
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