Ein ganz normaler Montag. Eine fast normale Montagsdemo gegen Stuttgart 21. Tausende von AktivistInnen versammelten sich am gewohnten Ort. Sie wollten sich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit nicht nehmen lassen. Meine Lebensgefährtin Antonietta und ich rasselten an diesem an sich friedlichen Abend mit der Polizei aneinander.
Ich war im Auftrag der Beobachter News unterwegs und so ausgestattet, dass das auch leicht zu erkennen war. Die Polizei ließ die Demo zunächst unbehelligt. Als sich der Zug über die Theodor-Heuss-Straße zum eigentlichen Kundgebungsplatz in Bewegung setzte, gingen Antonietta und ich ganz am Ende. Das erwies sich insofern als fatal, als wir mit etwa hundert anderen Aktivisten von der auf einmal in massiver Präsenz auftretenden Polizei eingekesselt wurden. Vom Rest der Demo waren wir abgehängt.
Antonietta und ich befanden uns mit vielen Anderen auf der Fahrspur in Richtung Innenstadt, als sich rechts von uns der schwarze Block der Polizeikräfte in Bewegung setzte. Sie drängten und schubsten uns alle ziemlich grob in Richtung des Mittelstreifens der Straße. Dort stellten wir keine Behinderung mehr für den kurz darauf einsetzenden Verkehr dar. Dennoch tauchte absolut zielsicher ein halbes Dutzend anderer Beamter auf, deren Zielobjekt eindeutig ich war. Ich wurde an beiden Armen gepackt, aus der Menge gezogen und über die Straße geleitet – nur um in einer angrenzenden Seitenstraße wie ein nasser Sack an eine dortige Hauswand geklatscht zu werden. Wie ich später erfuhr, erging es Antonietta kurz darauf ebenso.
Zum Verdruss der Beamten leistete ich keinerlei Widerstand. Mir wurde mitgeteilt, dass ich in Gewahrsam genommen sei und damit rechnen müsse, einem Haftrichter vorgeführt zu werden. Auf meine Frage, was mir eigentlich vorgeworfen werde, erhielt ich die Antwort, dass ich dies ja wisse – was allerdings nicht der Fall war. Ich wies auf mein Recht hin, Kontakt zu einem Anwalt aufzunehmen. Daraufhin hieß es, dies sei gegenwärtig aus „technischen Gründen“ nicht möglich. Vom Anführer der Truppe bekam ich auch mitgeteilt, dass ich Ärger bekäme, wenn ich auch nur mit der Wimper zuckte. Und wortwörtlich: „Sie sind ja in Stuttgart bekannt.“
Die ganze Zeit war ein Beamter mit seiner Kamera damit beschäftigt, die Festnahme-Aktion abzulichten. Damit war er offenbar nicht allein. Ein anderer Fotograf muss ebenfalls Bilder gemacht haben. Ein sehr wütender Beamter brüllte in meinem Rücken: „Kamera runter, oder ich nehm dich fest.“ Dieses Gebrüll hielt einige Minuten an, ich konnte aber nicht feststellen, wer Fotos machte, da die beiden jungen und kräftigen Beamten links und rechts von mir meinen Kopf an die kalte Hauswand pressten.
Ich wurde gefilzt, und ein junger Beamter nahm Drehbewegungen an meinem linken Handgelenk vor. Falls er mir damit Schmerzen zufügen wollte, ist ihm dies nicht gelungen. Er machte sich dann in meinen Hosentaschen zu schaffen und grabschte vor allem im Bereich meines Gesäßes nach Beweismitteln. Als Frau hätte ich ihn wegen sexueller Belästigung angezeigt. Wenig sorgfältig gingen die Beamten mit meinen mitgeführten Taschen um. Sie leerten ihren Inhalt achtlos in den Straßenschmutz aus. Dabei stießen die Beamten auch auf einige Ausgaben der Beobachter News. Das führte zu dem Hinweis, es sei ja schließlich auch bekannt, dass ich schon „Artikel für dieses ‚Schmieren-Blatt’ geschrieben“ hätte.
Die Durchsuchung brachte nichts Verbotenes zutage. Die Beamten gingen mit mir zirka 500 Meter zur nächsten Wanne, um meine Personalien festzustellen. Dort traf ich Antonietta wieder.
Sie war in der Zwischenzeit mit einem Griff an ihren Rucksack weggeschleift und zur nächsten Wanne gebracht worden. Gegen ihre aufkommende Panik half ein Aktivist, der dankenswerter Weise mit ihr Augenkontakt hielt und den Vorfall aus nächster Nähe verfolgte. Mir wurde überraschenderweise nur ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht vorgeworfen. Antonietta und ich erhielten einen zwölfstündigen Platzverweis für die Innenstadt.
Übrigens waren wir am darauf folgenden Montag wieder auf der Demo, diesmal ohne Zwischenfälle. Antonietta fest eingehakt links und rechts. Wir lassen uns nicht mehr los.
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