Freiburg/Stuttgart. Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar präsentieren die Vereine Rosa Hilfe Freiburg und Weissenburg in Stuttgart ihr Internetprojekt „Der Liebe wegen“. Die Website macht Lebensaspekte von Menschen sichtbar, die wegen ihrer Liebe und Sexualität in der heutigen Region Baden-Württemberg ausgegrenzt, gedemütigt und verfolgt wurden.
Im Mittelpunkt steht die digitale Gedenkkarte „Namen und Gesichter“. Auf ihr werden über 250 Einzelschicksale von Menschen bei jenen Orten von Baden-Württemberg angezeigt, in denen diese geboren wurden, ihren letzten Wohnsitz hatten, verhaftet, verurteilt und/oder in ein Strafgefangenen- oder Konzentrationslager eingewiesen wurden. Viele von ihnen haben die nationalsozialistische Diktatur nicht überlebt. Doch auch in der Nachkriegszeit gab es Verfolgung.
„Erstmals werden zahlreiche Scans von Originaldokumenten veröffentlicht, die zum Beispiel die Einweisung in ein Konzentrationslager durch regionale Polizeidienststellen belegen oder Häftlings-Personal-Karteien und Todesmeldungen aus den Konzentrationslagern zeigen.
Baden-Württemberg war ganz vorne dabei
Für die Nachkriegszeit wird sichtbar, dass Baden-Württemberg bei der Ausgrenzung und Verfolgung ganz vorne mit dabei war. Dafür stehen polizeiliche Lichtbildersammlungen, der Einsatz von V-Männern, annähernd 20 000 Ermittlungsverfahren zwischen 1953 und 1969 und im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohe Verurteilungszahlen, Extrabehandlungen in den Gefängnissen wie zum Beispiel monatelange Isolationshaft, angeblich ‚freiwillige‘ Kastrationen noch im Jahre 1968“, hebt Joachim Stein vom Vorstand des Vereins Weissenburg hervor.
Das Projekt wird im Rahmen des 2015 verabschiedeten Aktionsplans für Akzeptanz und gleiche Rechte vom Sozial- und Integrationsministerium Baden-Württemberg und durch eine Spende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber finanziell ermöglicht. Projektbeteiligte sind: für „Geschlechts- & Familienbilder und die (Un-)Sichtbarkeit frauenliebender Frauen“ Claudia Weinschenk, für „Die Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung homosexueller Männer“ Werner Biggel, Ralf Bogen (Projektleitung), Rainer Hoffschildt (dessen außeruniversitäre Forschung seit 1987 wesentliche Grundlage der Gedenkkarte ist), Jens Kolata und William Schaefer (Mitinitiator des Homepageprojekts) und für „Exkurs Geschlecht & Minderheiten“ Kim Schicklang und Christina Schieferdecker.
Gegen rückswärtsgewandte Familienbilder
„Der Inhalt der Webseite macht deutlich, warum Repressionen gegen Lesben nicht mit der Verfolgung von Schwulen gleichgesetzt werden können, sondern unter anderen Prämissen und nur im Kontext mit den vom Nationalsozialismus geprägten, ausgrenzenden Geschlechter- und Familienbilder zu verstehen sind. Dass es möglich sein soll, das Geschlecht jedes Menschen auf der Basis von körperlichen Untersuchungen zu bestimmen, dass nur zwei Geschlechter (,Frau‘ und ‚Mann‘) existieren und dass es im Interesse aller ist, einem dieser beiden Geschlechter anzugehören, wird als weit verbreitete Fehlannahme kritisiert“, so Mathias Falk vom Vorstand der Rosa Hilfe Freiburg.
Durch diesen weiten Blick hofften die Initiatoren dazu beizutragen, dass rückwärtsgewandte Sexualitäts-, Geschlechts- und Familienbilder heute nicht wieder von rechtspopulistischen und neonazistischen Kräften für demokratiefeindliche Zwecke instrumentalisiert werden können, sondern stattdessen die Akzeptanz menschlicher Liebes- und Lebensvielfalt nachhaltig gestärkt wird“.
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