Stuttgart. 4300 Euro – soviel sollen die drei angeklagten HausbesetzerInnen Rosevita Thomas, Adriana Uda und deren Lebenspartner gemäß drei Strafbefehlen des Amtsgericht Stuttgart bezahlen. Die Betroffenen haben Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Das Amtsgericht Stuttgart hat drei Prozesstermine angesetzt: jeweils Mittwochs am 3., 10. und 17. April ab 9 Uhr soll verhandelt werden. Der zur Unterstützung gegründete Solidaritätskreis „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4!“ ruft an allen drei Prozesstagen zu Kundgebungen vor dem Gericht jeweils ab 8 Uhr auf.
Zu den Geldstrafen kämen nach Angaben der Betroffenen Anwaltskosten von rund 10 500 Euro hinzu, welche die Eigentümer der ehemals besetzten Wohnungen in der Stuttgarter Wilhelm-Raabe-Straße 4, die Investorenfamilie Passy aus London, in einem separaten Zivilrechtsprozess von ihnen fordern.
Im Vergleich dazu seien die Bußgelder der Landeshauptstadt Stuttgart, die seit Einführung der Zweckentfremdungssatzung im Jahr 2016 bis ins Jahr 2018 verhängt wurden, geradezu ein Witz, heißt es in einer Pressemitteilung: Sie hätten insgesamt nur 2400 Euro betragen. Dass die Stadt nun „wenigstens zaghaft und symbolisch“ gegen unbegründeten Leerstand vorgehe, könne mutmaßlich als ein Verdienst der Heslacher Hausbesetzung angesehen werden.
Wesen Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft ist das?
Dafür sollten die BesetzerInnen selbst nun aber bezahlen, wenn es nach Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft geht. Während sie selbst eher zu den Geringverdienenden zählten und die drohenden Strafen nur schwer stemmen könnten, seien die Beträge für Leerstandsprofiteure geradezu Peanuts.
Adriana Uda, eine der Angeklagten, hierzu: „Das zeigt doch, wie in diesem Staat und in dieser Stadt beim Thema Wohnraumkrise vorgegangen wird: Spekulanten werden mit Samthandschuhen angefasst, diejenigen, die auf den Missstand aufmerksam machen, werden hart bestraft“.
„Nicht wir gehören angeklagt, sondern die Spekulanten“
Das sei der Grund, aus dem sie wie auch ihr Lebenspartner und die alleinerziehende Rosevita Thomas Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hätten, den sie im letzten Jahr erhielten. Adriana Uda weiter: „Ansonsten hätte ich ja eine Straftat gestanden. Aber was wir getan haben, war legitim. Nicht wir gehören angeklagt, sondern die Spekulanten. Das wollen wir auch vor Gericht zeigen.“
Strafbefehle werden von Gerichten auf Antrag der Staatsanwaltschaft ausgestellt. Akzeptieren die AdressatInnen sie, gestehen sie die Straftat und müssen die festgesetzte Strafe bezahlen. Sie haben keine Möglichkeit, sich zu verteidigen – es sei denn, sie legen Widerspruch ein.
Die BesetzerInnen haben sich auf die Verhandlungen schon vorbereitet und möchten vor Gericht mehrere politische Erklärungen abgeben. „Wir lassen uns nicht einfach so aburteilen, hier geht es um ein großes soziales Problem und den Widerstand dagegen.“
Kundgebungen vor dem Gericht geplant: „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4!“
Der zur Unterstützung gegründete Solidaritätskreis „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4!“ ruft an allen drei Prozesstagen zu Kundgebungen vor dem Gericht jeweils ab 8 Uhr auf. Im Anschluss werden UnterstützerInnen vom Solidaritätskreis aufgefordert, die Verhandlung zu besuchen, um sich mit den Angeklagten solidarisch zu zeigen. Daneben wird zu Spenden aufgerufen, auch ein Spendenkonto ist eingerichtet.
Große Mietendemo am 6. April in Stuttgart
Außerdem ruft sowohl der Solidaritätskreis „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4!“ als auch die angeklagten BesetzerInnen zur Teilnahme an einer Mietendemo am 6. April in Stuttgart auf. Sie unterstützen einen „Besetzen-Block“ auf der Demo. Dabei handelt es sich um einen Bereich, in dem unter dem Motto „Wohnraum statt Kapitalismus“ für die Legitimität von Hausbesetzungen demonstriert und gegen die Ursache der Wohnraumkrise protestiert werden soll.
Das Ex-BesetzerInnenkollektiv der Wilhelm-Raabe-Straße 4 gehört neben Sozialverbänden, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Parteien zu den mehr als 30 Mitgliedern des Demobündnisses. Adriana Uda wird auf der Demonstration eine Rede halten.
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