Von Kevin Roth-Vogel – Kandel/Landau. Seit fast zwei Jahren wird die Südpfalz von extrem rechten Gruppierungen heimgesucht. Das rechte Frauenbündnis Kandel marschiert immer am ersten Samstag eines Monats durch Orte wie Kandel und Landau. Es sind die immer gleichen Aufmärsche. Die Parolen verstören, sie machen einfach nur sprachlos.
Bei der Demonstration „Wir sind das Volk“ am Samstag, 2. November, in Landau waren es nicht, wie immer behauptet wird, nur „besorgte“ oder „islamkritische“ Bürger, die quer durch die Stadt zogen und sich als demokratische Patrioten ausgaben. Was mittlerweile jedem in der Südpfalz auffallen sollte, insbesondere der Politik, der Polizei und Ordnungsdiensten: Diese Veranstaltungen sind knallharte antidemokratische, rassistische Neonazi-Aufmärsche.
Diese angeblichen bürgerlichen Protestzüge machen immer wieder deutlich, welche Klientel das selbsternannte Frauenbündnis anzieht. Viele Teilnehmer sind an rechtsextremen Symbolen erkennbar – etwa an in der rechten Szene beliebten Kleidermarken, Zahlencodes und Bildern, an Fahnen die dem Nationalsozialismus und im speziellen der Wehrmacht huldigen, oder an Fahnen des Deutschen Reiches.
Drohungen gegen Andersdenkende, die Polizei schaut zu
Fatal dabei: Die Polizei gibt sich ahnungslos – trotz mehrfacher persönlicher Hinweise. Videoaufnahmen, Fotos, Personenkontrollen und Repressalien müssen eher Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Gegendemonstrationen fürchten. Das Filmen von Gegendemonstranten und auch unbeteiligten Passanten aus nächster Nähe und personalisierte Fotografien werden von der Polizei geduldet.
Wie üblich wurde auch am Samstag in mehreren Fällen das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole hingenommen und bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz dezent weggeschaut. Hinweise wurden einfach ignoriert.
Bürger und Bürgerinnen, die an der Aufzugsstrecke ihren Protest ausdrückten, wurden von den Marschierenden mehrfach beleidigt, bedroht und eingeschüchtert. Die Polizei ignorierte auch diese Vorfälle, und on Top wurde sogar die Aufnahmen von Anzeigen verweigert. Statt hier einzugreifen, konzentriert sich die Polizei immer mehr darauf, linke Gruppierungen dingfest zu machen.
GegendemonstrantInnen eingekesselt
Eine kleinere Gruppe von AntifaschistInnen versperrten dem rechtsextremen Aufzug den Weg. Die Polizei leitete den Zug um eine Straßenecke um. Eine Eskalation ging von der Gruppe nicht aus. Außer Parolen wie „Es gibt kein Recht auf Nazi- Propaganda“ war nichts zu vernehmen. Die rechte Gruppierung konnte gefahrlos ihren Weg ohne große Störung fortsetzen.
- Kurzzeitige …
- … antifaschistische Blockade
Dennoch wurde die kleinere Gruppe von Gegendemonstranten von allen Seiten von der Polizei eingekesselt und durch Stoßen und Entreißen von Transparenten gezielt provoziert. Die Meinungsfreiheit kurzerhand auf den Kopf gestellt.
Alle Personen wurden einer erkennungsdienstlichen Maßnahme unterzogen. Selbst BürgerIinnen und Bürger, die eigentlich nur auf ihrem Weg nach Hause waren, wurden von der Polizei überprüft, abgefilmt und fotografiert. Selbst ein uns bekannter Journalist entging diesem unverhältnismäßigen Prozedere nicht.
- AntifaschistInnen …
- … von der Polizei drangsaliert
Die Glocken der Lutherkirche durften nicht läuten
Der Höhepunkt zur Unterdrückung jeglichen Protestes gegen diesen rechtsextremen monatlichen Aufmarsch fand auf dem Stiftsplatz statt. Dort hielten die Rechten eine Zwischenkundgebung ab, die auf Beleidigen, Beschimpfen und Diskreditieren von Passanten beschränkt war. Vor der Kirche wurde die Statue von Luther mit Fahnen der Rechtsextremen und Parolen auf Schildern verunstaltet. Auch hier griff die Polizei trotz Hinweisen aus der Bevölkerung nicht ein.
Die Glocken der Lutherkirche läuteten gut eine viertel Stunde, für viele Anwesenden ein Zeichen für Frieden, Toleranz, Menschlichkeit und Zusammenhalt. Wegen einer angekündigten Anzeige wegen Störung einer Versammlung musste die Lutherkirche dieses Glockengeläut dann gezwungenermaßen beenden.
Kopfschütteln über das Vorgehen der Polizei
Viele Passanten fragten sich offen, wie lange es noch dauern werde, bis auch durch die Straßen von Landau Parolen wie „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot“ zu vernehmen sind. Man kann den Passanten noch nicht einmal ihre Gedanken streitig machen, wenn sie davon sprechen, dass die Ordnungskräfte eher die Rechtsextremen schützen statt einzugreifen.
Nach unseren Informationen werden mehrere Anzeigen gegen die Polizei Rheinland-Pfalz wegen Willkür, Unverhältnismäßigkeit, unterlassener Dienstpflicht und Amtsmissbrauchs erstattet.
Auf dem Alten Messplatz in Landau fand parallel eine Veranstaltung statt, um den Opfern von Hass, Hetze und Ausgrenzung ein Gesicht zu geben. Ein Gesicht zu geben, nicht nur den Opfern von rechtsextremen Gewalttätern, sondern auch die Opfer der skrupellosen Herrschenden der Gräueltaten von Rojava und weltweit.
Alle Fotos: © Der Rote Rabe -BlogSpot für politische Kultur-
Kommentar: Die Mutigen und die MeinungsFEIGEN
Die Faschisten breiten sich aus in Deutschland.
Rassismus, Antisemitismus, Diffamierung und Ausgrenzung sind fester Bestandteil der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung.
Die Grenzen von Moral und Anstand sind seit langem verwischt – den Worten folgten Taten. Nicht erst in der letzten Zeit, immer wieder in der Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.
Lange dachten wir, die Situation wäre „unter Kontrolle“, unsere Freiheit ein manifestiertes Gut, nicht in Gefahr. Was für ein fataler Irrglaube!
Die öffentliche Debatte dreht sich nicht um die Bedrohungen, denen unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausgesetzt ist.
Es gibt nicht die Diskussion darum, was jeder einzelne von uns, was jede Gruppierung, jede Partei tun kann und zu tun hat.
Es wird nicht selbst-reflektiert, nicht gehandelt.
Wir diskutieren über die Meinungsfreiheit.
Die Meinungsfreiheit, die angeblich in Gefahr ist, die nicht geachtet wird, die „vom System und dessen Systemmedien“ angeblich beschnitten wird.
Ich möchte über MeinungsFEIGHEIT diskutieren.
Über das Schweigen der Vielen.
Über das Nichts-Tun der nicht direkt Betroffenen.
Und über den Umgang mit „Meinungen“, die eben keine Meinungen sind.
Über Meinungen, die beleidigen, die diffamieren, die persönlichen Ressentiments entspringen, die krude Verschwörungstheorien kundtun, die zu Gewalt aufrufen.
Meinungsfreiheit beinhaltet für mich auch – wie jede Freiheit – die Pflicht, sich zu positionieren. Laut zu werden, wenn Menschen bedroht werden, wenn Gewalt (ob verbal oder tätlich) im Spiel ist. Sie beinhaltet, dass ich dazu stehe. Zu meiner Meinung, zu meinem Wort.
Mit aller Konsequenz. Und sie beinhaltet, dass man meine Meinung falsch finden, angreifen, verurteilen kann und darf.
Die „MeinungsFEIGEN“ zeigen nicht Gesicht.
Sie schütten ihre „,Meinung“ aus, die meist nichts anderes ist als Hass.
Sie verstecken sich hinter der Anonymität der Sozialen Medien, hinter anonymisierten Profilen.
Sie äußern sich nicht öffentlich – sie verstecken sich hinter der Masse des Mobs, der dazu aufruft, „das System“ zu stürzen, die Verantwortlichen, die „Volksverräter“, zur Rechenschaft zu ziehen.
Es ist Hass.
Es sind Aufrufe zur Gewalt.
Behauptungen, Beschimpfungen, lassen sich nicht als „Meinung“ deklarieren – wie rhetorisch spitzfindig sie auch immer sein mögen – sie verletzen den Schutz der persönlichen Ehre und die Grenzen der Sittlichkeit.
Die seltsame Diskussion um die Meinungsfreiheit wirkt sich aus.
Auch auf die Zivilcourage, die wir in diesen Zeiten so dringend nötig haben.
Es liefen (zum 33. Mal !!!) Rechtsextreme durch die Pfalz – diesmal wieder durch Landau.
Sie haben die Grenzen der Meinungsfreiheit längst niedergetrampelt. Sie suchen Schutz unter den Bestimmungen des Rechtsstaates, den sie verleumden und auszuhebeln suchen.
Sie diffamieren Einzelpersonen, politisch Aktive, MandatsträgerInnen, RichterInnen,…
Sie beschimpfen, rufen öffentlich zum Sturz des Staates auf, verbreiten rassistische Hetze …
Ohne Konsequenzen. Ohne Einschränkungen. Ohne Repressalien.
Friedliche Demonstranten stellten sich ihnen in den Weg.
Sie machten deutlich, dass rechtsextreme Parolen nicht ohne Gegenwehr bleiben.
Sie standen. Sie verhinderten ein Weiterziehen. Sie waren laut.
Mit Konsequenzen. Mussten Repressalien in Kauf nehmen. Wurden erkennungsdienstlich behandelt.
Meinungsfreiheit? Fehlanzeige!
Und es gab einen – für mich – sehr ergreifenden Moment.
Ein lautes, deutliches, unüberhörbares und absolut friedliches Zeichen der Solidarität und der Zivilcourage:
die Glocken der Stiftskirche läuteten.
Ein klares Statement in einer Zeit des kollektiven Schweigens.
Eine Ausdruck der Meinungsfreiheit – „Wir dulden euren Hass nicht! Wir lassen ihn nicht unwidersprochen!“.
Leider ahnt man bereis, was kommt: Der Leiter der Landauer Polizei wertet dies als „unzulässige Störung“, es ,müsse mit einer Anzeige gerechnet werden.
Mir fehlen die Worte – aber nur kurzfristig.
Von den MeinungsFEIGEN werden wir uns die Meinungsfreiheit nicht nehmen lassen.
„Wo Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit“ (Willy Brandt)
Alle Fotos: © Der Rote Rabe -BlogSpot für politische Kultur-
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