Von Sahra Barkini – Stuttgart. So hatten sich die „Querdenker 711“ ihren Protest am Samstag, 8. August, wohl nicht vorgestellt. Zu Beginn versammelten sich auf dem Marienplatz etwa 1000 Corona-Leugner, Maskenverweigerer, Personen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung, ImpfgegnerInnen, um dem „Ruf der Trommeln“ zu folgen. Neben Deutschland- und Pacefahnen waren auch wieder schwarz-weiß-rote Reichsfahnen zu sehen (siehe Video) – diese Flagge ist als Symbol und Erkennungszeichen in der Neonazi-Szene besonders beliebt. Nach der Kundgebung zog ein Demonstrationszug in den Unteren Schlossgarten. Dort hörten dann circa 1500 „Querdenker“ unter anderem dem ehemaligen VfB-Profi Thomas Berthold zu. Aber auch Kabarettist Florian Schroeder stand auf der Bühne, um die Meinungsfreiheit der Anwesenden zu testen. Diese erreichte allerdings schnell ihre Grenzen. Zuerst bejubelt, verließ er nach einem etwa 11-minütigen Auftritt unter Buhrufen die Bühne (siehe Video unten).
An dem sehr heißen Samstag bot sich auf dem Marienplatz ein groteskes Bild. PassantInnen schüttelten die Köpfe, als die Redner der Kundgebung von fehlender Freiheit sprachen. Wer mit Maske an dieser Kundgebung vorbeilief, wurde oftmals angepöbelt und beleidigt. Auf Schildern war zu lesen: „Wer Videos löscht, löscht auch Menschen“, oder „Nein zum Impfzwang“, „Corona lies Matters“. Außerdem „Mit Maske – ohne mich“. Passend dazu wurden weder Masken getragen noch Abstände eingehalten. Natürlich durfte die Medienschelte auch nicht fehlen. Auch waren vereinzelt Trumpfans zu sehen.
Im Anschluss an die Kundgebung setzte sich ein Demonstrationszug Richtung Unterer Schlossgarten in Bewegung. Dort sprach unter anderem Ex-VfB-Spieler und Fußball-Weltmeister von 1990 Thomas Berthold. Er erklärte, dass sein Vertrauen in die Politik gleich Null und er mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht einverstanden sei. Außerdem wolle er gern am 29. August bei der Querdenken-Demonstration in Berlin auftreten. Zu dieser Demonstration unter dem Motto „Berlin invites Europe – Celebrating freedom and peace“ hat Michael Ballweg, der „Querdenken711“-Gründer, auch den US-Präsidenten Donald Trump eingeladen. Da dieser als einziger Präsident der Vereinigten Staaten keine Kriege führe, passe er gut zu dieser „friedlichen Veranstaltung“. Die Einladung wurde sowohl im Schlossgarten als auch via Twitter ausgesprochen.
Kabarettist Florian Schroeder las in Stuttgart maskenlosen „Querdenkern“ die Leviten
Für ein Highlight der etwas anderen Art sorgte der Kabarettist Florian Schroeder. Er hielt den KundgebungsteilnehmerInnen den Spiegel vor. Bei seiner Vorstellung sagte er noch, er komme aus dem „Mainstream“, was ihm großen Applaus einbrachte. Dann testete er die von den Corona-Protestlern geforderte Meinungsfreiheit und stieß recht schnell an Grenzen. Er stellte die Frage, ob die Protestierenden denken, in einer Diktatur zu leben, lauter Applaus und „Ja“ schallte durch den Park. Schroeder antwortete: „Wenn wir irgendeine Form von Diktatur hätten, dürftet ihr euch hier gar nicht versammeln und ich dürfte hier gar nicht sprechen. Schon deshalb sind wir nicht in einer Diktatur”. Auch auf die Frage: „Wollt Ihr die totale Meinungsfreiheit?“, ist von den ZuhörerInnen ein lautes „Ja“ zu hören. Anschließend sagte der Kabarettist: „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefährliche, ansteckende Krankheit ist, und ich bin der Überzeugung, dass Maskentragen und Abstand halten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können.“ Dafür erntet er Buhrufe und er fügt an: „Wenn Ihr für Meinungsfreiheit seid, müsst Ihr meine Meinung aushalten.“ Zum Abschluss und bevor er unter lauten Buhrufen die Bühne verließ sagte er: „Verhindert die Diktatur, indem ihr vernünftig seid! Maske auf, Abstand halten, nachdenken! Danke!”
Florian Schroeders Rede kann hier angesehen und -gehört werden:
Video
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