Frankfurt/Hanau/Schwalbach. Zwischen September 2018 und Juli 2019 gab es im Rhein-Main-Gebiet eine Serie von zwölf Brandanschlägen, die sich gegen linke Wohnprojekte und Zentren richteten. Am 6. November 2020 beginnt vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts in Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Brandstifter Joachim S. Zum Prozessauftakt rufen Betroffene und ihre UnterstützerInnen zu einer Demonstration und einer Kundgebung auf. Ihr Motto: „Feurio! Es brennt schon viel zu lange… Gemeinsam gegen rechten Terror in Staat, Behörden und auf der Straße“.
Außerdem kündigen sie an, den Prozess zu begleiten und zu dokumentieren. Die Demonstration beginnt am Donnertag, 5. November, dem Vorabend des Prozesses, um 19 Uhr am Kaisersack. Am Prozesstag selbst, 6. November, wird es um 9 Uhr eine Kundgebung in der Gerichtstraße direkt vor dem Landgericht in der Frankfurter Innenstadt geben.
Ob die Anschläge auf linke Projekte Teil des Verfahrens sein werden, ist unklar. Es steht zu befürchten, dass die Frankfurter Staatsanwaltschaft im Prozess den Schwerpunkt auf die Brandstiftungen legt, die S. zwischen September und Dezember 2019 begangen haben soll und bei denen er seine Ziele eher willkürlich in seinem nächsten Wohnumfeld gesucht hatte.
Angeklagter soll AfD-Unterstützer sein
In ihrem Aufruf machen die Betroffenen auf teils gravierende Ermittlungsversäumnisse von Polizei und Staatsanwaltschaften aufmerksam. Scharf kritisieren sie, dass die Ermittlungsbehörden sich noch immer weigerten, den politischen Hintergrund der Taten zu erkennen. Unter anderem soll S. die Rechtsaußenpartei AfD mit einer Spende von knapp 1700 Euro unterstützt haben – einen Monat vor dem ersten Brandanschlag im August 2018.
Darüber hinaus nehmen die betroffenen Projekte das gesellschaftliche Klima und die politischen Verhältnisse, besonders in Hessen, in den Blick: Immer wieder hatten VertreterInnen von FDP, CDU und AfD die Schließung linker Zentren gefordert. Sie trügen als „geistige BrandstifterInnen in jedem Fall eine Mitverantwortung“, heißt es in dem Aufruf.
Rechtsruck in Staat und Gesellschaft
Anita Conrad, eine der Betroffenen, fasst den Aufruf noch weiter: „Für uns ist die Brandanschlagsserie nur ein Ausdruck eines voranschreitenden Rechtsrucks in Staat und Gesellschaft. Dabei bildet Hessen einen traurigen Schwerpunkt: Neonazinetzwerke in der Polizei, NSU 2.0, das rassistische Attentat in Hanau, dem zehn Menschen zum Opfer fielen, der Mordanschlag auf einen Geflüchteten in Wächtersbach und die Ermordung Walter Lübckes durch Neonazis in Istha bei Kassel.“
Tom Schmitz, der als Prozessbeobachter die betroffenen Projekte unterstützen möchte, ergänzt: „Wir wollen diese Taten nicht gleichsetzen. Uns ist jedoch wichtig, auf die Parallelen im gesellschaftlichen und politischen Umgang hinzuweisen: Nach Bestürzung und Versprechungen von vollumfänglicher Aufklärung, folgen schon im selben Atemzug die Relativierungen und die Erzählungen von Einzelfällen und EinzeltäterInnen. Es sind die Betroffenen, die FreundInnen und die Angehörigen, die immer selbst für Aufklärung sorgen und dafür kämpfen müssen, dass Verharmlosen und Vergessen nicht einfach möglich sind.“
Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus seien im Staat, in Behörden und auf der Straße weit verbreitet und würden beständig reproduziert. Sie müssten als strukturelles Problem benannt und bekämpft werden, sonst fühlten sich rechte TäterInnen immer wieder ermuntert.
Über die Kundgebung und die Demonstration hinaus wollen die Betroffenen und ihre UnterstützerInnen den gesamten Prozess begleiten und auf ihrer Website www.rheinmain-doku.org sowie auf Instagram (instagram.com/feurio161
<https://www.instagram.com/feurio161/>) und Twitter (https://www.twitter.com/feurio161>) dokumentieren.
Der vollständige Aufruf sowie eine ausführliche Dokumentation der Brandanschlagsserie finden sich ebenfalls auf www.rheinmain-doku.org.
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