Von Walter Burkhardt – Schorndorf. Die Ausstellung „Vergessene Geschichte – 50 Jahre Berufsverbote“ im Herbst an der Bilderwand der Manufaktur in Schorndorf (siehe „Ein Unrecht – damals wie heute„) endete mit einer Gesprächsrunde mit den Betroffenen Sigrid Altherr-König, Lothar Letsche und Klaus Mausner. Moderator war der junge Antifaschist Anthony Nicola Cipriano. Werner Siebler, ehemaliger Postbeamter aus Freiburg und einer der ersten Berufsverbotsopfer, konnte krankheitsbedingt nicht an dem Gespräch teilnehmen.
Gegen die von Anthony Cipriano interviewten Betroffenen wurden Berufsverbotsverfahren im Schuldienst eingeleitet. Es folgten jahrelange und zermürbende Gerichtsverfahren mit dem Ergebnis, dass sie wegen mangelnder „Verfassungstreue“ letztendlich nicht zum Schuldienst zugelassen wurden. In den Interviews schilderten die Befragten die persönlichen und sozialen Folgen dieser skandalösen Berufsverbotspraxis. Sie berichteten über zerstörte berufliche Werdegänge, soziale und materielle Auswirkungen, Stigmatisierung der Angehörigen und drohende Altersarmut – bis hin zur Vernichtung der materiellen Existenz.
- Klaus Mausner
- Sigrid Altherr-König
Allerdings wurde den Betroffenen auch eine breite und starke Welle der Solidarität entgegengebracht, denn die Berufsverbotspraxis stieß von Anfang an auf massive Kritik. 1973 konstituierte sich die zentrale Initiative „Weg mit den Berufsverboten“, die über lange Jahre die Arbeit zahlreicher örtlicher Komitees koordinierte. Auch in Baden-Württemberg veranstalteten diese Komitees Solidaritätsaktionen für die Berufsverbotsopfer. Für die interviewten Betroffenen war diese breite Solidarität sehr wichtig, da sie durch sie in ihrem Bestreben gestärkt wurden, sich politisch nicht anzupassen und nicht auf ihr systemkritisches Engagement zu verzichten.
- Lothar Letsche
- Anthony Cipriano
Die Betroffenen fordern eine vollständige Rehabilitierung und eine umfassende Entschädigung aller Opfer des Radikalenerlasses. In diesem Zusammenhang verwiesen sie auf die an der Universität Heidelberg erstellte wissenschaftliche Studie „Verfassungsfeinde im Land?“. Sie wurde von der baden-württembergischen Landesregierung in Auftrag gegeben und kommt zu dem Ergebnis, dass der Radikalenerlass von 1972 verfassungswidrig war.
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