Mit 100 Neonazis wollte Sebastian Schmidtke (NPD) am Samstag durch Berlin-Kreuzberg laufen. Das verhinderten etwa 5000 Menschen durch Blockaden.
Die Neonaziszene weiß inzwischen, dass Aufmärsche in Berlin frustrierend sind. Ihre Anhänger kamen zwar am Samstag aus allen möglichen Orten in Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Aber gerade in Berlin war die Mobilisierung der rechten Szene mehr als mangelhaft. Die Neonazis kämpften um jeden Meter, von einem Aufmarsch konnte keine Rede sein.
Am Samstag waren es etwa 170 Meter, und schon sah sich Sebastian Schmidtke (NPD) als Gewinner. Schon zu Beginn des Aufmarschs kam es zu Rangeleien zwischen Journalisten und Neonazis. Besonders Neonazis aus Dortmund um den Hooligan und bekannten Rechtsaußen Siegfried Borchardt mussten vom eigenen Ordnerdienst zurückgezogen werden. Aus den Kreisen der Dortmunder Neonazi-Szene folgte der erste Redebeitrag. Der Redner soll sich mit den Worten „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ volksverhetzend geäußert haben. Mehrere Berliner Abgeordnete zeigten ihn an, und die Polizei nahm ihn für kurze Zeit in Gewahrsam. Ebenfalls in Gewahrsam genommen wurden drei Neonazis, welche zur Crew des Lautsprecherwagens zählten. Sie sollen Gegendemonstranten aus dem Wagen heraus mit Feuerlöschern und Latten bedroht haben.
Sebastian Schmidtke stellte fest, dass „doch einige Gegendemonstranten“ unterwegs seien, und packte ein. Er meldete mit dem Hinweis an einen Polizeibeamten, „die Route kennen sie ja“, später einen spontanen Aufmarsch vom Bahnhof Adlershof zum Bahnhof Spindlersfeld an. Neonazis nutzten diese Route bereits vor Jahren immer wieder in abgewandelter Form bei „Jugend braucht Perspektiven“-Demonstrationen. Dort konnten die Neonazis ohne nennenswerten Gegenprotest laufen.
Die GegendemonstrantInnen konzentrierten sich auf Kreuzberg. Sie verbuchten den Tag als Erfolg, da die Neonazis den symbolträchtigen Bezirk nicht durchqueren konnten. Schon früh hatten sich auf der Heinrich-Heine-Straße mehrere hundert Menschen eingefunden und einen Durchmarsch zum Moritzplatz verhindert.
Eine Stunde vor Aufmarschbeginn entwickelten sich spontane Katz-und-Maus-Spiele in den Nebenstraßen. Dort wurden mehrere Polizeiabsperrungen überrannt. Es gab wenige Festnahmen und vor allem auf Polizeiseite Verletzte durch eigenes Pfefferspray.
Als die Neonazis am Versammlungsort ankamen, brachen einige Gegendemonstranten direkt unter der S-Bahnbrücke am Bahnhof Jannowitzbrücke durch. Sie konnten aber eine zweite Reihe Hamburger Gitter nicht überwinden. Die Polizei drängte sie wieder zurück. Als die Neonazis los liefen, kam es parallel in der Rungestraße zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstranten. Letztere warfen mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik. Die Polizeikräfte antworteten mit Pfefferspray und Schlagstock. Dabei nahm die Polizei mindestens zehn Personen fest.
Über den ganzen Tag verteilt gab es mehr als fünfzig Festnahmen. Auf den verhinderten Neonazi-Aufmarsch durch Kreuzberg folgte eine Jubeldemo durch den Bezirk. Ihr schlossen sich aber laut Polizei nur wenige hundert Menschen an. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Unterstützung erhielt sie durch die Bundespolizei und eine kleine Gruppe von Beweis- und Festnahme-Einheiten aus Erfurt. Mittelpunkt der Fotojournalisten war allerdings ein finnischer Beamter, mit finnischer Uniform und Berliner Helm, der zum Hospitieren anwesend war.
Unter der S-Bahnbrücke am Bahnhof Jannowitzbrücke war die Berliner Polizei mit zwei Reihen Hamburger Gittern und Hundestaffeln im Einsatz. Die Hunde waren äußerst aggressiv und griffen eigene Beamte und Journalisten immer wieder zum Teil auf Kopfhöhe an.
Text und Bilder: (C) Sören Kohlhuber
Hier geht´s zur Pressemitteilung vom Bündnis Berlin nazifrei.
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