Stuttgart. Das Stuttgarter Amtsgericht verurteilte am Donnerstag eine junge Antifaschistin wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 40 Tagessätzen zu je 6 Euro. Sie hatte sich im September am Protest gegen eine Kundgebungstour der rechten Partei „pro Deutschland“ beteiligt.
Erst Ende April hatte sich eine andere junge Frau wegen der selben Sache verantworten müssen. Das Stuttgarter Amtsgericht stellte damals das Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen sie ein (wir berichteten). Für die jetzt Angeklagte kam es am vergangenen Donnerstag anders.
Die Staatsanwältin warf der 19-Jährigen vor, an einer Blockade auf der Schickhardtstraße im Stuttgarter Süden beteiligt gewesen zu sein. Nachdem die Gruppe zurück gedrängt worden war, sollte eine Einheit der Göppinger Bereitschaftspolizei helfen, die Personalien der eingekesselten Personen aufzunehmen. In den Berichten der Polizei steht zu einer der Situationen: Ein weiterer Demonstrant habe sich rechts und links bei Leuten eingehängt, unter anderem bei der Angeklagten.
Ein Polizist (Polizeihauptmeister) erklärte als Zeuge, sein Zug habe diesen Mann aus den Reihen der Gegendemonstranten lösen wollen. Die Angeklagte habe aber den Arm des Mannes von sich aus weiterhin festgehalten. Um die zierliche 19-Jährige zu überwältigen, waren nach Aussagen des Zeugen zwei Bereitschaftspolizisten notwendig. Sie habe nur durch einen „Körperdrehgriff“ überwältigt werden können.
Verletzt wurde angeblich niemand. Der Verteidiger legte dem Gericht später trotzdem Bilder und eine ärztliche Notiz vor, die eine Gewalteinwirkung gegen seine Mandantin dokumentieren. Die Angeklagte äußerte sich zum Vorwurf des Widerstands in einer politischen Erklärung. Dabei ging sie auf die Biedermanntaktik der Rechten ein, erklärte die Gefahr durch Rechtspopulisten wie „pro Deutschland“ und forderte konsequentes Vorgehen gegen solche Umtriebe mit einem Hinweis auf die aktuelle Situation in Frankreich. Weitere Angaben dazu machte sie nicht.
Im Prozess wurde auch wegen Schwarzfahrens mit einer Schadenshöhe von 6,60 Euro verhandelt. Diesen Vorwurf räumte die junge Frau ein. Sie sagte aber, dass sie bereits 120 Euro Buße bezahlt habe.
Nach weniger als einer halben Stunde kam es auch schon zum Plädoyer der Staatsanwältin. Sie ordnete den Widerstand zwar im unteren Bereich ein, sagte, es habe keine Verletzten gegeben, und die Beschuldigte sei nicht „extra aktiv“ gewesen. Zusammen mit dem Vorwurf des Schwarzfahrens forderte die Staatsanwältin aber eine Gesamtstrafe von 90 Tagessätzen nach Erwachsenenstrafrecht.
Der Verteidiger sah in dem Widerstand höchstens eine Handlung am untersten Rand des Verbotenen. Allerdings beschränkte er sich in seiner Forderung im Wesentlichen darauf, die Höhe der Tagessätze gering anzusetzen, weil seine Mandantin ein sehr niedriges Einkommen habe.
Letztendlich legte die Richterin in ihrem Urteil fest, dass die Angeklagte 40 Tagessätze zu je 6 Euro zahlen muss. Die Richterin kommentierte ihr Urteil mit den Worten, die Tat sei „nicht am aller untersten Rand“ des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) einzustufen. Die Forderung der Staatsanwaltschaft wurde zwar nicht erfüllt, aber es ist schon beachtlich, welches Strafmaß in Stuttgart in einem solchen Fall angesetzt werden soll und angesetzt wird.
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