Göppingen. Wegen ihres Protests gegen eine Neonazidemonstration standen am Donnerstag, 6. November, vier Antifaschisten in Göppingen vor dem Amtsgericht. Den beiden Frauen und zwei Männern im Alter zwischen 24 und 31 Jahren wurde gemeinschaftlicher Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollzugsbeamte vorgeworfen. Das Gericht sprach sie nach dreistündiger Verhandlung frei.
Der Anklageschrift von Staatsanwalt Dr. Tobias Mästle zufolge waren die Angeklagten am 6. Oktober 2012 kurz nach 11 Uhr mit dem Regionalzug aus Stuttgart angereist. Gleich nach dem Aussteigen aus dem Zug hätten sich die vier Angeklagten einer Gruppe von ungefähr 100 bis 150 Personen angeschlossen und auf dem Bahnsteig lautstark Parolen skandiert.
Beamte der Bundespolizei bildeten an der Treppe hinunter zu den Bahnsteigen eine Sperre und hielten die Gruppe auf. Angeblich sollen Demonstrierende Gewalt gegen die Beamten ausgeübt haben. Die Gruppe habe die Polizeikette durchbrochen, um sich Platz in Richtung Treppe und Bahngleiszugängen zu verschaffen. Am Treppenaufgang zur Bahnhofshalle, der ebenfalls mit einer Polizeikette gesichert war, sei es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen der Gruppe und Beamten gekommen. Anschließend führte die Polizei die Gruppe über den Bahnsteig eins um das Bahnhofsgebäude zum Omnibusbahnhof. Dort kesselte die Polizei die Protestierenden ein und stellte ihre Personalien fest.
Rechtsanwalt Andreas Baier hielt der Anklage entgegen, seine Mandanten hätten sich wie viele andere dem Aufruf zahlreicher Organisationen und Gewerkschaften zum Protest angeschlossen. Zu keiner Zeit sei auf dem Bahnsteig Gewalt von seinen Mandanten ausgegangen. Rechtsanwalt Wolfram Treiber warf der Anklage „ein künstliches Konstrukt“ vor. Seine Mandantinnen seien durch das Versammlungsgesetz geschützt. Es habe keinen Grund für die Polizei gegeben, auf dem Bahnsteig eine Sperre einzurichten.
Polizeihauptkommissar Otto schilderte als Zeuge, dass sich die Gruppe in Richtung Treppenabgang bewegte und geordnet von anderen Fahrgästen vom Bahnsteig entfernt habe. Um das zu ermöglichen, hätten die Beamten eine Polizeisperre errichtet. Als ein Intercity mit sehr hoher, ungedrosselter Geschwindigkeit an dem Bahnsteig mit den Demonstranten und Polizisten vorbeifuhr, sei es jedoch zu einer extrem gefährlichen Situation gekommen. Eine solche Polizeisperre, die nicht geplant war, dürfe es in solch einer Situation nicht mehr geben, sagte Otto. Es sei ein Glück gewesen, dass keiner der Anwesenden von dem ungebremsten Intercity erfasst und verletzt worden sei. „ Es hätte Tote geben können“, sagte Polizeihauptkommissar Otto.
Polizeikommissar Neubauer, der an diesem Tag als Zugführer eingesetzt war, schilderte Ähnliches. Neubauer konnte sich jedoch an die beiden angeklagten Frauen erinnern und sie ebenfalls identifizieren.
Amtsrichter Felix Schwarz ließ drei Polizeivideos von den Ereignissen am Bahnsteig abspielen. Auf ihnen ließen sich keine Straftaten der Angeklagten erkennen – ebenso wenig auf Fotos. Staatsanwalt Dr. Tobias Mästle forderte dennoch, die Angeklagten zu Geldstrafen von über 3000 Euro zu verurteilen. Verteidiger Andreas Baier und Wolfram Treiber forderten einen Freispruch für ihre Mandanten.
Richter Felix Schwarz unterbrach die Verhandlung für 15 Minuten. Bei der Urteilsverkündigung befand er, nur ein klarer Freispruch der Angeklagten sei gerechtfertigt. Zu keiner Zeit konnten den Angeklagten auf den Videos und Lichtbildern Gewalttaten nachgewiesen werden.
Fazit: Alle Verfahren in Göppingen gegen Gegendemonstranten und Antifaschisten aus den Jahren 2012 und 2013 wurden mit Freispruch oder Einstellung beendet. Der Versuch der Kriminalisierung durch Beamte und Behörden geht jedoch weiter. Es gibt nur wenige Beamte und Staatsanwälte, die zur Entschärfung beitragen.
Eindrücke vom 6. Oktober 2012 in Göppingen:
Aggressiv, vermummt und gewaltbereit
- Empfangskomitee in der Schalterhalle
- Verletzt durch einen Polizeischlagstock
- Vermummt…
- Zusammengepfercht wie Vieh
- Von wem ging die Gewalt aus?
- Jagdszenen in der Innenstadt
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