Von Tape Lago – Würzburg /Heppenheim. Rund 1500 Menschen demonstrierten am Samstag, 5. September, in Würzburg gegen Rassismus, Fremdenhass und rechten Terror. Unter dem Motto „Refugees Welcome“ (Flüchtlinge willkommen) rief das Bündnis „Würzburg lebt Respekt – kein Platz für Rassismus“ zu dieser Demonstration auf, um ein starkes Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten zu setzen. Bei der Abschlusskundgebung vorm Vierröhrenbrunnen am Rathaus-Vorplatz stellte das Kaufhaus Wöhrl den Strom ab. In Heppenheim waren es rund 600 AntifaschistInnen und BürgerInnen, die am Sonntag, 6. September, auf die Straße gingen, um ebenfalls ihre Solidarität mit Menschen in Not kundzutun.
Beweggrund der Demonstration in der hessischen Kleinstadt war ein Brand in der Flüchtlingsunterkunft in der Briefelstraße.
Nach einer kurzen Begrüßung von Frank Kempe vom Bündnis „Würzburg lebt Respekt – kein Platz für Rassismus“ und einer Schweigeminute für die vielen Opfer von Krieg und Flucht setzte sich der Demonstrationszug am Samstag in Bewegung durch die Würzburger Innenstadt. Annette Ludwig vom Bündnis „No Fragida“ war aus Frankfurt mit einer Delegation angereist, um an der Demo teilnehmen zu können und die Erfahrungen ihres Bündnisses mit den WürzburgerInnen zu teilen.
An dem Protestmarsch am Samstagnachmittag beteiligten sich TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Altersgruppen. Während der Demozug durch die Innenstadt zog, skandierten die DemonstrantInnen „Refugees Welcome! Kein Mensch ist illegal! Rassismus tötet! Nazis vertreiben, Flüchtlinge bleiben!“. Neben dem Fronttransparent waren in der Demo weitere Banner und Plakate zu sehen, die das Thema Asyl, Menschenrechte und Rassismus thematisierten.
Deutschland wird sich für Umgang mit Geflüchteten schämen
Auf den Protestmarsch durch die Innenstadt folgte eine Abschlusskundgebung am Vierröhrenbrunnen. Sebastian Hansen von der Grünen Jugend Würzburg moderierte. Antonella Caprini, Vorsitzende des Würzburger Ausländerbeirats, kritisierte in ihrem Grußwort den Umgang mit Flüchtlingen hierzulande sehr scharf. „Deutschland wird sich für das Verständnis dem „besorgten Bürger“ gegenüber, für das Zulassen rassistischen Gedankenguts in unserem Alltag, die Pöbeleien gegen Ausländer und die Angriffe auf Flüchtlinge, den Hass gegen Menschen in Not schämen!“ sagte sie.
Das Kaufhaus Wöhrl stellte nach dem Grußwort Caprinis den Strom ohne ersichtliche Gründe ab. Dies sorgte für Unmut bei den TeilnehmerInnen und Veranstaltern, die nach einer kurzen Unterbrechung eines Notstromaggregats organisierten.
Die Festung Europa muss ihre Tore öffnen
Annette Ludwig, Sprecherin des Frankfurter Bündnisses „No Fragida“, prangerte als Gastrednerin die europäische und deutsche Asylpolitik an. „Unser Mittelmeer ist zu einem Massengrab geworden, und die EU setzt auf Abschottung. Kriege sind gewollt. Jedoch die Menschen, die vor diesen Kriegen fliehen müssen, sind nicht gewollt!“ sagte sie und forderte eine Öffnung der Tore der Festung Europa für eine legale Einreise der Flüchtlinge in die EU.
Der katholische Hochschulpfarrer Burkhard Hose forderte Politik und Gesellschaft auf, mehr Solidarität den Geflüchteten gegenüber zu zeigen. Es sei kein Verbrechen, wegen Krieg, Hunger, Armut oder in der Hoffnung auf ein besseres Leben aus seinem Land zu fliehen: „Es ist aber ein Verbrechen, Menschen einfach im Meer ertrinken zu lassen“, mahnte er.
Flagge und Gesicht für eine offene und menschenfreundliche Gesellschaft zeigen
Eva Peteler, engagierte und bekannte Flüchtlingshelferin in Würzburg, rief Gesellschaft und TeilnehmerInnen dazu auf, Zivilcourage und mehr Mut gegen Rassismus zu zeigen. „Es ist unsere Geschichte und Verantwortung, es ist unsere Gesellschaft, um die es jetzt geht, und wir dürfen sie nicht denen überlassen, die immer dreister, immer aggressiver ihre menschenfeindliche Ideologie durchsetzen wollen. Primitiver Hass, rassistischer Reinheitswahn, aber auch deren subtile Spielarten im gutbürgerlichen Tarnmantel, das geht uns alle an, nicht nur die jungen Antifaschisten, die trotz aller staatlichen Repression und erheblicher persönlicher Risiken unbeirrt Flagge zeigen und denen ich an dieser Stelle dafür öffentlich Respekt zolle und meine Solidarität erkläre. Rassismus und Nationalismus sind unser aller Angelegenheit, in der Nachbarschaft, im Land, in Europa. Sie werden nicht von alleine verschwinden, und sie erfordern viel mehr an entschlossener Gegenöffentlichkeit als bisher, viel mehr klare Worte und Widerstand von uns allen. Es steht viel auf dem Spiel, das lehrt uns die Geschichte. Wir stehen hier, weil wir Flagge und Gesicht zeigen wollen für eine offene, menschenfreundliche Gesellschaft, von der wir glauben, dass wir sie sehr wohl mit unseren neuen Mitbürgern gestalten können, und dass wir Werte, Kraft und Zusammenhalt haben, es gemeinsam zu schaffen“, sagte sie.
Oliver Plume, von der Würzburger Linken forderte eine rasche Änderung der Asylpolitik der Großen Koalition. Abdu Bilican, Sprecher der AG Migration und Vielfalt, plädierte am Ende für eine offene und tolerante Gesellschaft, in der Flüchtlinge akzeptiert werden können. Ein angeblich „besorgter Bürger“ versuchte die Abschlusskundgebung zu stören wurde von der Polizei ferngehalten.
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Heppenheim soldarisiert sich mit Geflüchteten
In der hessischen Kleinstadt Heppenheim folgten am vergangenen Sonntag rund 600 AntifaschistInnen und BürgerInnen dem Aufruf der Anti-Nazi-Koordination (ANK) Bergstraße, um ebenfalls ein Zeichen gegen Rassismus und Hass gegen Flüchtlinge zu setzen. Auf die Auftaktkundgebung am Bahnhof am Sonntagnachmittag folgte eine Demonstration durch die Stadt. Sie sollte als antifaschistische Protestaktion gegen den rechten Terror verstanden werden.
Anlass der Demonstration war der Brand in der Flüchtlingsunterkunft in der Briefelstraße. Gekommen waren Menschen aus breiten Teilen der Gesellschaft. Neben antifaschistischen Gruppen aus Frankfurt, Mannheim und Heidelberg und Vertretern linker Parteien sowie Hilfsorganisationen zeigten viele BürgerInnen aus Heppenheim ihre Solidarität mit den Betroffenen. Auch Flüchtlinge und MigrantInnen reihten sich in den Demonstrationszug ein. So setzte sich vom Bahnhof aus ein langer Zug in Bewegung.
Kurzzeitig besetzten die DemonstrantInnen eine Hauptverkehrkreuzung, um ihre Wut gegen rechtsextremistische Hetze und Gewalttaten zu zeigen. Heppenheim setzte mit dieser machtvollen Demonstration ein klares Zeichen für Humanität und gegen Rechtsextremismus.
Bei der Abschlusskundgebung sprachen Daniel von der ANK Bergstraße und Manfred Forell – Integrationsbeauftragter der Stadt Bensheim. Redner der Initiative gegen rechts und Fremdendfeindlichkeit, des DGB Bergstraße und der GEW Bergstraße. Reinhard Volz vom Arbeitskreis Asyl, Kristos Thingilouthis von den Piraten, Hermann Schaus von der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. Weitere Redebeiträge gab es von der Antifa Heidelberg, dem ATIF – Verband der türkischen Arbeitervereine in Deutschland (Heppenheim) und von einem Flüchtling aus Somalia.
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Aufruf der ANK Bergstraße
Anti-Nazikoordination Bergstraße ruft zur Demonstration auf:
Refugees Welcome! – Gegen Rassismus und Nationalismus in Heppenheim und überall !
Beim Brand einer Flüchtlingsunterkunft in Heppenheim wurden in der Nacht zum Freitag, den 4. September, fünf Bewohner verletzt, einer von ihnen schwer.
Das Feuer war hinter der Eingangstür ausgebrochen. Einen technischen Defekt schlossen die Ermittler des LKA als Ursache aus. Ob das Feuer absichtlich gelegt worden oder versehentlich entstanden sei, sei noch unklar, so die Staatsanwaltschaft Darmstadt am Freitag.
Unabhängig davon, was die Ermittlungen ergeben werden, sehen wir diesen Brand in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext: Angriffe auf Flüchtlinge und Brandanschläge auf deren Unterkünfte sind nur die Spitze eines Eisberges, der aus Ressentiments, Vorurteilen, Stammtischparolen, Alltagsrassismus und krudem Nationalismus besteht.
Die, die letztlich ein Feuer legen, sind nur die ausführende Hand derer, die täglich hetzen, rechtspopulistische Parolen verbreiten und gesellschaftsfähig machen.
Diesem Verhalten wollen wir bewusst und entschlossen entgegentreten, wir wollen dem Hass auf alles Fremde eine weltoffene und willkommen heißende Gesellschaft entgegenstellen. Deshalb sagen wir: „Refugees Welcome.“
Gleichzeitig ist es wichtig, genauer hin zuschauen und auf die geistigen Brandstifter aufmerksam zu machen: Die gesamte Rhein-Neckar Region hat seit Jahren eine durchaus aktive und organisierte extrem rechte Szene, von der immer wieder Gewalt auf Menschen ausgegangen ist, die nicht in ihr Weltbild passen. Auch wenn in den letzten Jahren weniger Aufmärsche stattgefunden haben und sowohl so genannte Kameradschaften als auch NPD weniger aktiv als in dem Jahrzehnt davor erschienen sein mögen, so haben sich die Akteure und ihr Umfeld natürlich nicht einfach in Luft aufgelöst. Und sie versuchen seit einer Weile, wieder verstärkt Fuß zu fassen, sich als „politische Alternative“ zu etablieren, sich als freundliche Menschen von Nebenan zu inszenieren: Die NPD beispielsweise veranstaltete ihren Bundesparteitag in den vergangenen Jahren regelmäßig in Weinheim, Mitglieder der selben Partei luden zu einem „Sommerfest“ im Vogelpark am 18.07.2015 in Heppenheim ein. Und wo sich die einen sicher genug fühlen, zu feiern, fühlen sich meist auch andere sicher genug, Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden.
Nicht nur in Hoyerswerda, Rostock, Möln und Solingen brannten in den 90er Jahren Unterkünfte Asylsuchender: Am 31. Januar 1992 starb bei einem Brandanschlag in Lampertheim eine dreiköpfige Familie aus Sri Lanka in den Flammen ihres Hauses. Und am 10. Juli 2000 warfen im Ludwigshafener Stadtteil Oppau gegen 01.30 Uhr mehrere Täter einen Molotow-Cocktail durch ein Fenster im Erdgeschoss einer Flüchtlingsunterkunft, dabei wurden drei Kinder verletzt.
Solche Tragödien dürfen sich nicht wiederholen!
Lasst uns zusammen ein Zeichen setzen, dass Rassismus und Nationalismus in Heppenheim und anderswo keinen Platz haben!
Kommt alle am Sonntag um 14:00 Uhr zum Demonstrationsauftakt auf den Bahnhofsvorplatz nach Heppenheim.
„Refugees Welcome.“ – Gegen Rassismus und Nationalismus in Heppenheim und überall ! Sonntag 6.9. 14 Uhr Heppenheim Bahnhofvorplatz
Und: Den NPD-Bundesparteitag in Weinheim am 21. und 22. November verhindern! Rassismus und völkischem Nationalismus entgegentreten!
Jeder ist gefragt.
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