Von Tape Lago – Frankfurt. In der Bankenmetropole wurde am Samstag und Sonntag, 18. und 19. Juni, das 11. Afrikanische Kulturfest auf dem Gelände des Rebstockparks gefeiert. Unter dem Motto „Humanität statt Populismus“ wollten der Veranstalter „Afrika Kulturprojekte“ ein starkes Zeichen gegen den Populismus von rechts, Rassismus, Diskriminierung, Neokolonialismus und rechte Gewalt setzen. Das Festival war eine Begegnung von Kultur, Kunst, Menschen und Politik. Mehr als 4000 Menschen besuchten laut Veranstalter das diesjährige Frankfurter Afrofest. Höhepunkt war ein Konzert von Irie Révoltés.
Das Fest wurde am Samstagsmittag eröffnet. Die vielen BesucherInnen, die bereits vor Ort waren, stießen auf afrikanische Kultur. Ziel der Organisatoren war, den Gästen ein Forum der Zusammenkunft und des Austauschs zu bieten. Die Anwesenden sollten aber auch durch Diskussionen zu aktuellen Themen für die politischen Realitäten sensibilisiert werden. Neben einem großen Bazar mit Kunsthandwerk, Anziehsachen und kulinarischen Genüssen boten Manga Diagne und seine Genossen ein exzellentes Kinderprogramm und großartige Konzerte.
Geflüchtete kamen zu Wort
Die Podiumsdiskussion mit Geflüchteten und UnterstützerInnen war für alle Beteiligten eine gute Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen. Alain Charlemoine, Vertreter der Internationalen Koalition der Sans-Papiers und MigrantInnen in Mannheim und Mal Élevé, Frontmann der antifaschistischen Musikband „Irie Révoltés“, prangerten die Asylpolitik Deutschlands und der EU an. Charlemoine kritisierte scharf die harten Lebensbedingungen der Geflüchteten in Europa und Deutschland und ihre Ausbeutung durch Ein-Euro-Jobs. Anstatt alles daran zu setzen, Flüchtlinge schnell und effizient zu integrieren, nutzten Politik und Wirtschaft sie als billige Arbeitskräfte. Walldorf sei, so Charlemoine, ein Beispiel für die Ausbeutung von Geflüchteten.
Die Flüchtlinge kamen ebenfalls zu Wort und kritisierten ihre Isolation in Lagern und Heimen durch den Staat. Sie seien Opfer von alltäglichen Rassismus und Diskriminierung. Sei es in der Gesellschaft oder bei der Arbeitssuche. Die Situation in ihren Unterkünften sei unerträglich und menschenunwürdig. Bei den anschließenden Diskussionen zeigten FlüchtlingshelferInnen aus dem Publikum ihre Solidarität mit den Geflüchteten. Man solle sich noch besser vernetzen, um den Kampf für eine Willkommenskultur fortsetzen zu können. „Der Staat hat genug Geld, um sich um Flüchtlinge zu kümmern“, betonte Mal Élevé von Irie Révoltés, der das Schlusswort hatte. Es sei genug Geld vorhanden, um Geflüchteten ein vernünftiges und menschenwürdiges Leben in Deutschland und Europa zu ermöglichen.
Eindrucksvolle Konzertreihe
Nach der Podiumsdiskussion mit Geflüchteten, begann die Konzertreihe gegen 18 Uhr mit Wiyaala, einer bekannten Künstlerin aus Ghana, und ihrer Band. Genannt „The Young Lioness of Africa“, die junge Löwin zu Deutsch. Wiyaala ist die Personifizierung des modernen Afrika. Man würde sie als Königin des Afro-Pops bezeichnen. Mit dieser Musikstilrichtung rockte sie die Bühne und brachte das Publikum zum Tanzen.
Fast am Ende ihres Auftritts fing es an, sehr stark zu regnen. Das Publikum blieb trotzdem. Denn man erwartete die Heidelberger Band Irie Révoltés. Der Auftritt von Mal Élevé und Carlito, den Frontmännern der Band, sollte der Höhepunkt der Konzertreihe sein. So betrat die antifaschistische Musikband die Bühne mit einer Gruppe von Kindern kurz nach 21.30 Uhr. Ohne Unterbrechung begeisterte Irie Révoltés ihre Fans und alle ZuschauerInnen. Sie sangen unter anderem ihre bekannte Lieder „Antifaschist“ und „Fäuste hoch“. Die Botschaft darin war klar: „Für immer AntifaschistIn bleiben und den Faschismus überall bekämpfen.“ Mal Élevé, Carlito und Band ließen die Bühne vibrieren, begeisterten das Publikum und brachten alle auf dem Festivalgelände zum Tanzen und Jubeln. Es waren zwei Stunden „Musik-Nonstop“.
Fluchtursachen bekämpfen statt Flüchtlinge schikanieren
Am Sonntag startete die Podiumsdiskussion kurz nach 15 Uhr mit der Referentin Ines Welge vom Hessischen Flüchtlingsrat. Sie schilderte die soziopolitische und wirtschaftliche Situation einiger afrikanischer Länder. In Eritrea könne der Militärdienst unter dem diktatorischen Regime von Isayas Afewerki als Fluchtursache betrachtet werden, sagte sie. Die Regierung betrachte ihre Bürger als permanente Kriegsreserve. Um dem erzwungenen Militärdienst zu entgehen, flüchteten viele junge Menschen aus Eritrea nach Europa.
Auch in Ländern wie Kamerun und Nigeria sei die Situation nicht besser. Mit der schlechten wirtschaftlichen Lage und der Bedrohung von Boko Haram seien ebenfalls junge Menschen gezwungen zu flüchten. Auch Umweltzerstörungen spielten eine große Rolle bei der Flucht der Menschen aus Afrika nach Europa.
Länder wie Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Länder einzustufen, sei für sie absurd, sagte Welge. Die Vertreterin des Hessischen Flüchtlingsrates kritisiert mit deutlichen Worten das Integrationsgesetz der Bundesregierung. Anstatt den Geflüchteten das Leben schwer zu machen, sollte die Bundesregierung die Fluchtursachen bekämpfen.
Der „EU-Erdogan-Deal“: Ein Deal des Grauens
Die zweite Referentin Annette Ludwig, Sprecherin von „No Fragida“ Frankfurt, prangerte scharf die kommunale Flüchtlingspolitik an. Die Behörden hätten bei der Aufnahme von Geflüchteten anfangs versagt. In Frankfurt seien Flüchtlinge zu Beginn der „Flüchtlingswelle“ mit ihrem Schicksal alleingelassen worden. Ohne „No Fragida“ und die vielen freiwilligen FlüchtlingshelferInnen wäre die Aufnahme von Geflüchteten zum Desaster geworden. Ludwig kritisierte ebenfalls die Politik für ihre Untätigkeit im Kampf gegen den Rassismus. Sie bezeichnete das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, genannt „EU-Erdogan-Deal“, als Deal des Grauens.
Der Moderator der Podiumsdiskussion Ababacar Seck, ehemalige Vorsitzender des Afrikanischen Dachverband NRW (ADV NRW e.V.), kritisierte das Integrationsbild Deutschlands. Menschen, die hierzulande eingebürgert sind oder einen „Migrationshintergrund“ haben, würden nicht sehr oft als Deutsche wahrgenommen. Auch sei die Angst vieler BürgerInnen keine Rechtfertigung, Hass gegen Flüchtlinge zu schüren.
Für Seck und Ludwig sind Pegida und die AfD für die Feindschaft und rassistischen Übergriffe gegen Geflüchtete verantwortlich. Man solle daher eine klare Haltung gegen die Partei Frauke Petrys zeigen und den Rassismus in der Gesellschaft nicht dulden. Sie riefen das Publikum und die Gesellschaft auf, sich gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt einzusetzen. Am späten Nachmittag ging es mit Livemusik auf der Wiese des Rebstockparks weiter. Für die Veranstalter war das Afrikanische Kulturfest in Frankfurt auch in diesem Jahr ein riesen Erfolg.
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