Von Tape Lago – Remagen. In der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Remagen im Landkreis Ahrweiler demonstrierten am Samstag, 18. November, zum neunten Mal, mehr als 500 AntifaschistInnen gegen einen Naziaufmarsch. Aufgerufen hatte das Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen!“. Der Protest gegen die rund 250 Neonazis war diesmal musikalisch, laut und kreativ. Die Polizei war vor Ort mit knapp 600 Kräften und sorgte dafür, dass die Neonazis ungestört ihren „Gedenkmarsch“ durchführen konnten. Zahlreiche Zivilpolizisten von Verfassungs- und Staatsschutz waren ebenfalls auszumachen.
Bei dem Naziaufmarsch kam es zur Behinderung der Pressearbeit. Ein Polizist drohte einem Journalisten mit einer Anzeige, weil er angeblich eine Porträtaufnahme von ihm gemacht habe. Als der Fotograf sich weigerte, dem Polizisten seine Aufnahmen zu zeigen, stellte die Polizei seine Personalien fest. Der Fotograf vermutet nun, dass seine persönlichen Daten beim BKA landen werden.
Bekannter Neonazi: „Diese Republik wird sterben“
„Diese Republik wird sterben, Deutschland wird leben, alles für ein freies nationalsozialistisches Deutschland“, rief ein bekannter Neonazi in einem Redebeitrag in der Innenstadt. Wie die Bundesrepublik Deutschland sterben wird, verriet er jedoch nicht. Er wolle mit einer Anklage die Bundesrepublik zu Fall bringen. Deshalb kämpfe er. Die AntifaschistInnen seien – so ein anderer Neonazi – keine Deutschen, sondern „Verräter“ an der eigener Herkunft, Heimat, Kultur und „Rasse“.
Die Zukunft gehöre nicht der Antifa und den demokratischen Parteien, sondern der „deutschen Jugend“. Gemeint waren hier die Neonazis. Sie seien die Wegbereiter für ein „neues deutsches Vaterland“.
Verfassungsfeindliche Parolen
Aus Sicht der „Verfassungsfeinden“ habe Hitlerdeutschland keinen Krieg gewollt. Schuld am Krieg seien allein die Alliierten, die keine Befreier gewesen seien, sondern Verbrecher. Die Soldaten der Wehrmacht seien dagegen Helden. Das deutsche Volk sei seit 1945 nicht souverän. Deutschland sei von fremden Besatzungsmächten besetzt. Diese Parolen waren so BeobachterInnen des „Gedenkmarsches“ verfassungsfeindlich, von klarem Geschichtsrevisionismus, NS-Verherrlichung und Volksverhetzung geprägt.
Auf der Straße gegen NS-Verherrlichung
Die Tanzdemo die vom Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ geplant war, begann am Vormittag. Unter dem Motto „Opfermythos Remagen zerstören – Rheinwiesen wieder positiv besetzen!“ versammelten sich hunderte AntifaschistInnen aus Remagen, Rheinland-Pfalz, NRW, Hamburg und Hessen an der Stadtmauer, gegenüber dem Bahnhof. Sie trugen Transparente und Plakate, die auf das Motto ihrer Veranstaltung hinwiesen.
- Pressesprecher von „NS-Verherrlichung stoppen!“
- Tanzdemo „Gegen Naziterror und rechte Hetze!“
In einem Redebreitrag wies der Pressesprecher des Bündnisses auf die Verbrechen des NS-Regimes und Hitlerdeutschland hin und rief die TeilnehmerInnen zu mehr Engagement auf, um die NS-Verherrlichung und die Gedenkmärsche der Neonazis in Remagen endlich zu stoppen. Denn man könne sich nicht auf die Stadt verlassen. Daraufhin setzte sich die lautstarke und kreative Tanzdemo in Richtung Innenstadt in Bewegung.
Kutlu: „Oury Jalloh, das war Mord!“
Während die angereisten Neonazis sich hinter dem Bahnhof versammelten, machte der Demonstrationszug für ein Konzert in der Bahnhofstraße einen Halt. Der Künstler und Rapper Kutlu von „Microphone Mafia“ sorgte dort mit antirassistischen, antifaschistischen und politisch kritischen Liedern für gute Stimmung und brachte die DemoteilnehmerInnen zum Tanzen.
„Niemand wird es vergessen, Oury Jalloh, das war Mord!“, rief er im Hinblick auf den „Feuertod“ des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau. Mit Sprechchören wie „für die Freiheit, für das Leben, Nazis von der Straße fegen“ machten die AntifaschistInnen den Neonazis klar, dass sie in Remagen und anderswo unerwünscht seien.
Polizei stoppt Blockadeversuche
Nach dem Konzert setze sich die gutgelaunte Tanzdemo weiter in Richtung jüdischer Friedhof in Bewegung. Auf dem Weg dorthin versuchte eine Gruppe von 30 Antifaschistinnen, auf die Demoroute der Neonazis zu gelangen. Doch die Polizei stoppte sie und drängte die AktivistInnen zurück. Eine genervte Nazigegnerin warf der Polizei vor, den roten Teppich für die Neonazis auszurollen, indem sie diese schützt und bei solchen Demonstrationen stets Gewalt gegen AntifaschistInnen anwende.
Am Jüdischen Friedhoff wurde fortlaufend eine Gedenkkundgebung für die Opfer des Nationalismus und den zunehmen Antisemitismus in der Gesellschaft abgehalten. Auf dem Rhein-Ahr-Campus Gelände versammelten sich Parteien, Gewerkschaften und weitere Organisationen, um gegen die Neonazis zu protestieren. Mit Infoständen und Flyern zeigten sie, dass sie die Anwesenheit der Neonazis in ihrer Stadt ablehnen. An der Fachhochschule in unmittelbarer Nähe zur Schwarzen Madonna kam die Tanzdemo in Hör- und Sichtweite des „Heldengedenkens“ der Neoazis. Mit lauter Musik und Parolen wurde das „SS-Ritual“ der Neoazis gestört.
Laustarker Protest entlang der Naziroute
Die Demoroute der Neonazis war von der Polizei mit Hamburger Gittern abgeriegelt. Zahlreiche GegnerInnen versammelten sich davor und protestierten lautstark. Mit Sprechchöre und Buhrufen machten sie den „Anhängern des Nationalsozialismus“ klar, dass sie nichts in Remagen verloren hätten. Antifaschistinnen, die unbedingt den Naziaufmarsch blockieren wollten, liefen den Neonazis immer wieder hinterher. Doch die Polizei sorgte jedes Mal dafür, dass die Neonazis ungestört ihren Marsch fortsetzen konnten.
Aufruf zu Protesten gegen AfD-Bundesparteitag
Wolfgang Huste, Sprecher des Kreisverbands Ahrweiler der Linken, der zum fünften Mal bei den Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch war, forderte in einer Ansprache Linke und AntifaschistInnen auf, den Rechtsruck in Deutschland und Europa zu stoppen.
Bei der Abschlusskundgebung des Bündnisses „NS-Verherrlichung stoppen!““ kritisierte eine antifaschistische Rednerin die jüngsten Äußerungen Sahra Wagenknechts gegen die im Programm der Linkspartei festgehaltene Forderung nach „offenen Grenzen für alle Menschen“ und forderte die Linke auf, antinational zu bleiben und geschlossen rechtspopulistische Positionen in ihren Reihen abzulehnen. Sie rief die TeilnehmerInnen auf, nach Hannover zu fahren und sich an den Protesten zu beteiligen, damit der Bundesparteitag der AfD am 2. Dezember, verhindert werden kann.
Naziaufmarsch ohne Außenwirkung
Die Neonazis, die von einem Großaufgebot der Polizei geschützt wurden, durften zwar aufmarschieren. Doch ihr Aufmarsch blieb ohne Außenwirkung. Sie waren unter sich und konnten die Bevölkerung nicht erreichen. Ihre verfassungsfeindliche Botschaft blieb ungehört. Nach ihrem „Spaziergang“ durch leere Straßen kehrten die Neonazis gegen 15 Uhr zum Bahnhof zurück. Vor dem Rathaus fand zu diesem Zeitpunkt ein Musikkonzert gegen Rechts statt.
Klarer Geschichtsrevisionismus
Anlass für den „Gedenkmarsch“ der Neonazis sind die „Rheinwiesenlager“. Am Ende des Zweiten Weltkriegs errichteten die Alliierten etwa 20 dieser Gefangenenlager entlang des Rheins, um die vielen deutschen Kriegsgefangenen unterzubringen. Nach Schätzungen von Historikern starben in den Lagern insgesamt knapp 10 000 Gefangene. Die Neonazis hingegen sprechen von einer Million – klarer Geschichtsrevisionismus und Vertauschung der Rolle von Tätern und Opfern.
Die an dem diesjährigen „Gedenkmarsch“ teilnehmenden Neonazis reisten überwiegend aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen an. Neonazis aus beiden Bundesländern hatten den „Gedenkmarsch“ organisiert. Die NPD, Die Rechte und „Kameraden“ aus dem Umfeld des „Aktionsbüros Mittelrhein“ durften nicht fehlen.
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