Stuttgart/Dessau. Eine Protest- und Gedenk-Demonstration an Oury Jalloh ist am Sonntag, 7. Januar, in Dessau geplant. An diesem Tag jährt sich der Feuertod des Geflüchteten in einer Polizeizelle zum 13. Mal. Die Demonstration soll ein Zeichen gegen tödliche und rassistische Gewalt des Staates und die „systematische Straflosigkeit für die TäterInnen setzen“, heißt es im Aufruf der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Beginn ist um 14 Uhr am Hauptbahnhof in Dessau. Auch in Stuttgart ist zum Todestag Oury Jallohs eine Kundgebung geplant. Sie beginnt am Samstag, 6. Januar, um 15.30 Uhr auf dem Schlossplatz.
Zu der Kundgebung in Stuttgart rufen das Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) und die VVN-BdA Stuttgart auf.
AfD kündigt Gegenkundgebung an
Als Teilnehmer der Demonstration in Dessau wird auch Oury Jallohs Bruder Saliou Diallo aus Guinea erwartet. Besondere Brisanz erhält sie dadurch, dass Sachsen-Anhalts AfD eine „Gegenkundgebung am Todestag von Oury Jalloh“ angekündigt hat. Sie soll von 14 bis 16 Uhr auf dem August-Bebel-Platz im Dessauer Stadtzentrum parallel zum Gedenkmarsch für Oury Jalloh stattfinden.
„Der jährliche linksautonome Propaganda-Spuk muss mal ein Ende haben. Stop dieser politischen Leichenfledderei“, schrieb der AfD-Landeschef André Poggenburg auf Twitter. Er hatte schon beim Gedenken vor einem Jahr einen Zwischenfall provoziert, indem er am Rande der Demo ein Interview gab, berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung„.
Brand- und Todesursache nicht aufgeklärt
Oury Jalloh war vor 13 Jahren in Dessau in einer Polizeizelle verbrannt, nachdem ihn Polizeibeamte gewaltsam in Gewahrsam genommen und auf einer schwer entflammbaren Matratze an Händen und Füßen fixiert hatten. Bis heute sind die Brand- und Todesursache nicht aufgeklärt. Die offizielle Version war, Oury Jalloh habe sich trotz Fesselung und intensiver zweimaliger Leibesvisitation mit einem dabei übersehenen Feuerzeug selbst angezündet.
„Oury Jalloh – das war Mord“ war und ist hingegen die Überzeugung der Initiative, die über all die Jahre nicht locker ließ und die Aufklärung des mutmaßlichen Verbrechens forderte. In jüngerer Zeit kam Bewegung in die Ermittlungen: Im April 2017 verwarf der leitende Oberstaatsanwalt in Dessau die 12 Jahre lang von den Behörden aufrechterhaltene Selbstmordthese und leitete Mordermittlungen gegen konkret benannte Polizeibeamte ein.
Mordermittlungen gegen Polizeibeamte
Er regte bei der Bundesanwaltschaft an, dass sie die Mordermittlung leiten solle. Die Behörde lehnt die Zuständigkeit jedoch ab: Die den Beschuldigten zur Last gelegten Taten reichten nicht aus, um eine Zuständigkeit der Bundesjustiz zu rechtfertigen. Ein fremdenfeindliches Motiv sei nicht erkennbar. Ähnlich war es schon 2013, als die Initiative Anzeige wegen Mordes gegen unbekannte Polizisten beim damaligen Generalbundesanwalt erstattete. Auch da lehnte der Generalbundesanwalt seine Zuständigkeit ab, das Verfahren wurde an Dessau zurückgegeben.
Gutachter: das Feuer müsse „von dritter Hand“ gelegt worden sein –
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren dennoch ein
Diesmal landete die Morduntersuchung bei der Staatsanwaltschaft Halle, die das Verfahren im Sommer 2017 einstellte, weil angeblich die Faktenlage „uneindeutig“ sei und auch keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Dabei hatte die Dessauer Staatsanwaltschaft eine Transparenzoffensive ausgerufen und Medien, Anwältinnen der Familie und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh im August 2016 zu einem Brandversuch einen Monat später eingeladen. Mehrere Gutachter kamen zu dem Schluss, das Feuer müsse „von dritter Hand“ gelegt worden sein.
Der „Mitteldeutschen Zeitung“ zufolge prüft derzeit die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, ob das Verfahren wieder aufgenommen wird. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte zuletzt Einsicht in die Ermittlungsakten beantragt. Sie sollen den Mitgliedern des Rechtsausschusses in der Geheimhaltungsstelle vorgelegt werden.
Der Fall Oury Jalloh: Justizskandal ohne Ende
Im November 2017 berichtete das Fernsehmagazin Monitor über eine dramatische Wende im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh. Der Monitor-Beitrag kann hier angesehen werden.
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