Hamburg. Die Rote Hilfe sieht in den Verfahren im sogenannten Rondenbarg-Komplex „einen weiteren Höhepunkt in der massiven Repressionswelle gegen G20-GegnerInnen“. Sie sei auch dreieinhalb Jahre nach dem Gipfel in Hamburg im Juli 2017 weiter ungebrochen, heißt es in einer Erklärung der Organisation. Mit insgesamt über 80 Angeklagten handle sich außerdem um den „größten Mammutprozess gegen Linke seit Jahrzehnten“. Am Donnerstag, 3. Dezember, beginnt der Pilotprozess gegen die fünf jüngsten Angeklagten, drei Frauen und zwei Männer. Sie waren bei den G20-Protesten noch minderjährig. Zum Prozessauftakt ist ab 9.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Landgericht geplant. Der Verhandlungsbeginn ist um 10.30 Uhr.
Über viele Monate hinweg müssten die Heranwachsenden nun wöchentlich nach Hamburg zu ihren Prozessterminen pendeln, kritisiert die Rote Hilfe. Das sei „eine ungeheure Belastung für die fünf Betroffenen“. Die eigentlichen Ereignisse gäben keinen Anlass „zu einem so aufgeblähten Prozess“. Etwa 200 DemonstrantInnen, die auf dem Weg zu Blockadeaktionen waren, seien am Morgen des 7. Juli 2017 in der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld ohne Vorwarnung von einer BFE-Einheit angegriffen worden. Bei dem Polizeieinsatz seien zahlreiche AktivistInnen verletzt worden, elf von ihnen so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten und bleibende Schäden davontrugen. Das Geschehen sei auf Videos dokumentiert. Die Polizei habe von Anfang an „auf massive Kriminalisierung“ der dort festgenommenen GipfelgegnerInnen gesetzt. Sie seien tagelang in der Gefangenensammelstelle inhaftiert worden. Der italienische Aktivist Fabio sei sogar fünf Monate in Untersuchungshaft genommen und wegen seiner Beteiligung am Protestzug im Rondenbarg angeklagt worden, bis der Prozess im Februar 2018 geplatzt sei. Damals ging die Richterin noch vor Abschluss der Beweisaufnahme in Mutterschutz.
Es drohen Verurteilungen ohne Nachweis von konkreten Straftaten
Nun stehen die fünf jüngsten Angeklagten vor Gericht. „Das juristische Konstrukt“ sehe nicht vor, individuelle strafbare Handlungen nachzuweisen oder den einzelnen Beschuldigten konkrete Straftaten zuzuordnen, kritisiert die Rote Hilfe. Allein die Anwesenheit der Angeklagten bei der Versammlung reiche aus, ein gemeinsames Tathandeln zu unterstellen, was für eine Verurteilung ausreiche. Straftaten einzelner TeilnehmerInnen könnten so allen vor Ort befindlichen Personen zugeschrieben werden. „Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, würde künftig jede Teilnahme an einer Demonstration ein enormes Kriminalisierungsrisiko bedeuten“, befürchtet die Rote Hilfe.
Bundesweite Demonstration in Hamburg
Zunächst sei ein Großprozess mit bis zu 19 Angeklagten vorgesehen gewesen. Das habe sich als logistisch nicht durchführbar erwiesen. Nun stünden zunächst die jüngsten Angeklagten vor Gericht. Das habe „für die Justiz den Vorteil, dass die unbequeme kritische Öffentlichkeit und solidarische UnterstützerInnen von der Verhandlung ausgeschlossen werden.“ An einem dezentralen Aktionstag zur Unterstützung der Angeklagten am 28. November beteiligten sich Tausende. Unter anderem gab es Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin, Hamburg, München und Köln, Braunschweig, Freiburg, Heidelberg, Kiel, Marburg, Münster, Regensburg und Stuttgart. Am 5. Dezember ist eine bundesweite Demonstration in Hamburg geplant.
Die Rote Hilfe will auf einer Sonderseite rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de über den Verlauf des Prozesses berichten. Sie ruft dazu auf, die Angeklagten durch Spenden, durch Öffentlichkeitsarbeit und durch den Besuch von Kundgebungen zu unterstützen. Sie fordert die Einstellung der Verfahren im Rondenbarg-Komplex.
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