Von Sahra Barkini – Stuttgart. In der Stuttgarter Innenstadt versammelten sich am Samstag, 6. Februar, zirka 60 Menschen, um sich mit Protesten von Studentinnen und Studenten in Istanbul zu solidarisieren. Anfang Januar ernannte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan Professor Dr. Melih Bulu zum Rektor der Boğaziçi Universität. Dies führte zu den Protesten der Studierenden. Und auch zu Repression und Verhaftungen seitens der Regierung. Die Kundgebung stand unter dem Motto: „Stoppen wir die Repression des faschistischen türkischen Staates“.
Um auf die Situation der Studierenden der Boğaziçi Universität in Istanbul aufmerksam zu machen, versammelten sich die KundgebungsteilnehmerInnen vor dem Herzog-Christoph-Denkmal in Stuttgart (Kobanê Platz). Die Proteste in Istanbul dauern nun schon einen Monat an. Bisher seien Universitätsrektoren demokratisch gewählt und nicht einfach eingesetzt worden, erklärten die RednerInnen in Stuttgart. Einen „Zwangsverwalter“, wie der neue Rektor von den Studierenden genannt wird , wollten sie nicht akzeptieren.
„Terroristen, Perverse und giftige Schlangen“
Das Erdoğan-Regime reagiert auf die Proteste mit Verhaftungen und Repressionen. Die türkische Staatsführung bezeichnet die StudentInnen als „Terroristen“, „Perverse“, „giftige Schlangen, deren Kopf man zermalmen muss“. Sie findet momentan viele Bezeichnungen, um die StudentInnen zu diffamieren. Die Antwort von Erdoğan auf die Proteste an der Boğaziçi-Universität lautete: „Ich ernenne elf loyale Uni-Chefs“ Das sei faktisch eine Kriegserklärung an die demokratischen Hochschulen der Türkei.
In einem offenen Brief der StudentInnen, der auch auf der Kundgebung in Stuttgart verlesen wurde, heißt es: „Verwechseln Sie uns nicht mit bedingungslos Gehorsamen. Weder sind Sie unser Sultan noch sind wir Ihre Untertanen. Sie haben von Mut gesprochen. Wir genießen keine Immunität. Sie hingegen plustern sich seit 19 Jahren hinter dem Panzer der Immunität auf. Sie nennen unsere LGBTI+FreundInnen pervers. Wir sagen, dass LGBTI-Rechte Menschenrechte sind. (…) Sie halten die HDP-Vorsitzenden, JournalistInnen, Gewerkschafter unrechtmäßig im Gefängnis fest. Wir sagen, dass wir zusammen mit allen stehen, die ohne Angst die Wahrheit herausschreien. Wir sind gegen alle Zwangsverwalter.“
Homophob, transphob und frauenfeindlich
Die RednerInnen sagten, die Ernennung des Rektors an der Boğaziçi-Universität ziele darauf ab, eine konservative Gesellschaft zu schaffen, indem Universitäten homophoben, transphoben, frauenfeindlichen und treuhänderischen Richtlinien unterworfen werden. Seit Beginn der Proteste seien Scharfschützen gegenüber der Universität positioniert, und es gebe regelmäßig Verhaftungen mit lapidarer Begründung: weil ein Student nicht zu Boden schaute oder die Regenbogenflagge gezeigt habe. Dies halte die Menschen aber nicht davon ab, weiterhin auf die Straße zu gehen. Nicht nur in Istanbul, auch in Ankara und Izmir und in europäischen Städten wie in Stuttgart solidarisierten sich die Menschen.
In dem offenen Brief heißt es weiter, dass die Studierenden nicht den Rücktritt von Recep Tayyip Erdoğan fordern. Hätte er den Willen zum Rücktritt gehabt, wäre er bereits zurückgetreten, als Hrant Dink ermordet wurde. Er wäre zurückgetreten, als in Soma 301 Minenarbeiter getötet wurden. Er hätte es getan, als in Roboski 34 Kurden ermordet wurden. Er wäre nach dem Zugunfall in Çorlu zurückgetreten. Er wäre zurückgetreten, als er gesehen habe, dass tausende Bürgerinnen und Bürger Probleme mit ihrem Lebensunterhalt haben, weil sie keine Arbeit finden oder ihnen ihre Arbeit, insbesondere über die Dekrete von Erdoğan, genommen wurde. Anstatt seinen Schwiegersohn zu opfern, als es keinen Ausweg mehr aus Ihrer Wirtschaftspolitik gab, die die Bevölkerung zur Armut verurteilt hat, hätte er die Verantwortung übernommen. Es könnten noch mehr Beispiele aufgeführt werden, aber er werde niemals zurücktreten.
Weitere Proteste angekündigt
Die Protestierenden in Istanbul wollen ihre Proteste solange fortsetzen, solange Melih Bulu Rektor ist. Sie sagen an den Staatspräsidenten gerichtet: „In der Hoffnung, dass Sie verstehen, dass Sie die Unterdrückten dieses Landes nicht zum Schweigen bringen können, indem Sie von den Plätzen und Rednerpulten schreien und drohen.“
Auch die RednerInnen in Stuttgart kündigten weitere Proteste an.
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