Von Sahra Barkini – Stuttgart. Zur Kundgebung am Internationalen Tag der politischen Gefangenen versammelten sich am Freitag, 18. März, vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stuttgart-Stammheim 85 Personen. Aufgerufen hatten verschiedene linke Organisationen. Aktuell sind neben dem Antifaschisten Dy auch fünf kurdische Aktivisten in Stammheim inhaftiert. Nach diversen Redebeiträgen spazierten die AktivistInnen spontan zur Rückseite der Haftanstalt und grüßten die Inhaftierten lautstark. Nicht unweit davon wurde zur Freude der Gefangenen ein kleines Feuerwerk gezündet. Wieder auf der Vorderseite angekommen wurde deutlich, dass die Polizei das Gebäude des Oberlandesgerichts mittels Hamburger Gittern und zahlreichen BeamtInnen abgeschirmt hatte. Eine Notwendigkeit für diesen polizeilichen Aufwand war nicht erkennbar.
Traditionell ziehen im In- und Ausland am 18. März Linke vor Gefängnisse, um sich solidarisch mit den inhaftierten politischen Gefangenen zu zeigen. Ins Leben gerufen wurde der Tag bereits 1923, um an die Zerschlagung der Pariser Kommune und die darauf folgende Repressionen zu erinnern. Mit dem Verbot der Roten Hilfe im Jahr 1933 geriet der Tag in Vergessenheit, wird aber seit dem 18. März 1996 auf Initiative der Roten Hilfe und Libertad! wieder regelmäßig begangen.
Dy mit Lieblingssong gegrüßt
Die an der Kundgebung beteiligten Organisationen hielten Redebeiträge und erklärten ihre Solidarität mit den politischen Gefangenen. Immer wieder war die Parole: „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ zu hören. Neben dem Stuttgarter Dy, ihm wurde als Gruß sein Lieblingssong über eine Lautsprecheranlage gespielt, sind aktuell noch der Stuttgarter Findus in der JVA Heimsheim und die Leipzigerin Lina oder auch die Klimaaktivistin „Ella“ und Jan in Nürnberg, sowie weitere AntifaschistInnen und KurdInnen in den deutschen Gefängnissen inhaftiert. Alleine in Stammheim sitzen nach Informationen der Roten Hilfe neben Dy noch die kurdischen Aktivisten Merdan, Veysel, Agit, Kamuran und Mazlum.
Fast wöchentlich fanden im vergangenen Jahr in Stuttgart Verfahren gegen linke AktivistInnen statt und es gab zahlreich Strafbefehle. Weiteren AktivistInnen droht die Inhaftierung. So sollte beispielsweise am Freitag, 25. März, der Prozess gegen Chris stattfinden (wir berichteten), der aber wegen einer Erkrankung des Richters kurzfristig abgesagt wurde. Der Stuttgarter Antifaschist Jo wurde ebenso wie Dy im sogenannten Wasenverfahren zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (siehe hierzu „Fünfeinhalb und viereinhalb Jahre Gefängnis ohne handfeste Beweise„). Gegen die beiden Urteile läuft noch ein Revisionsverfahren.
Jeder staatliche Angriff auf Teile der linken Bewegung schwäche alle, deshalb sei Solidarität wichtig. Die Unterstützung der Gefangenen müsse ebenso wie die Repressionen alltäglich werden. Und die Gefangenen bräuchten Solidarität etwa durch Briefe, Karten oder Bilder, damit sie wüssten, dass sie nicht alleine seien, so die RednerInnen der Roten Hilfe. Die ModeratorInnen der Kundgebung fügten noch an, dass die Repression gegen AntifaschistInnen zunähme und es immer wieder zu Haftstrafen käme. Hinzu kämen Gesetzesverschärfungen verschiedenster Art, beispielsweise die Verschärfungen der Polizeigesetze oder den Entzug der Gemeinnützigkeit von linksgerichteten Vereinen und die Hetze in den Medien gegen Linke.
Besonders im Visier der Strafverfolgung: Migrantische linke Strukturen
In einem weiteren Redebeitrag wurde die Repression gegen migrantische linke Strukturen thematisiert, die seit jeher Ziel von Repression seien. „Infolge der Terroranschläge vom 11. September und dem daraus resultierenden „Kampf gegen den Terror“ wurden Befugnisse ausgeweitet und neue Gesetze erlassen, die die Verfolgung von linken Strukturen deutlich vereinfacht. Dies kommt seit 2008 verstärkt gegen migrantisch linke Bewegungen zum Einsatz. So wurden seit 2011 in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden auf Grundlage des § 129a/b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) angeklagt, inhaftiert und zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Hiervon betroffen sind seitdem 51 AktivistInnen. Derzeit befinden sich elf Kurden in deutschen Gefängnissen. Stuttgart ist ein Paradebeispiel für das Vorgehen der deutschen Regierung gegen KurdInnen, denn von den 11 inhaftierten Kurden befinden sich sechs in Stammheim. Einer der aktuell in Stammheim inhaftierten, der Kurde Merdan, hat der Roten Hilfe ein Grußwort zukommen lassen. Er befindet sich seit September 2021 in der JVA in Untersuchungshaft und stammt aus dem Rhein-Main Gebiet“, führte die Rednerin aus. In Merdans Grußwort heißt es: „Der deutsche Staat möchte mit seinen Repressionen verhindern, dass wir unsere Stimme für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit erheben. Sie möchten verhindern, dass wir uns gegen den türkischen Faschismus, gegen die Angriffe gegen das kurdische Volk und für den kurdischen Befreiungskampf einsetzen. Ich als kurdischer Jugendlicher werde mich nicht den Repressionen des deutschen Staates beugen.“
Solidarität sowohl mit den Inhaftierten, aber auch bei bevorstehenden Prozessen sei wichtig, darin waren sich alle RednerInnen einig. Solidarität beschränke sich nicht nur auf den Tag der politischen Gefangenen und endet nicht, wenn Menschen hinter Mauern säßen, denn sie seien weiterhin Teil der Bewegung.
Im Anschluss an die Kundgebung setzte sich eine Spontandemonstration mit lauten Parolen zur Rückseite des Gefängnisses in Bewegung.
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