Kommentar von Sahra Barkini – Berlin/Stuttgart. Seit Jahren verbreitet Sahra Wagenknecht Thesen, die eigentlich konträr zu ihrer Partei stehen. Seit Jahren gibt es darüber Streit. Konsequenzen? Bisher leider Fehlanzeige. Erst faselt sie in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“, das eigentlich passender „Die Selbstgerechte“ heißen müsste, von „skurrilen Minderheiten“, die in der Partei zu viel Beachtung fänden. Ihre Meinung gegenüber Geflüchteten ist sehr AfD-nah. Schon vor Jahren setze sich mein Kollege Ferry Ungar mit der früheren Vorsitzenden der Linksfraktion auseinander (siehe „Sahra Wagenknecht: Setzen – sechs„. Geändert hat sich an ihrem Vorgehen seither nichts.
Zu Corona vertrat Sahra Wagenknecht Thesen, die man sonst nur von QuerdenkerInnen kannte. Und nun, seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, vertritt sie überall die Propaganda Wladimir Putins.
Applaus von Rechtsaußen
Am Donnerstag, 8. September, durfte Wagenknecht mal wieder im Bundestag sprechen. Was man da zu hören bekam, passte wieder viel besser zur AfD als zur Linken. Deshalb verwundert es nicht, dass es Applaus von Rechtsaußen gab. So sprach Wagenknecht von einem „Wirtschaftskrieg“ gegen Putin. Im Wortlaut: „Das größte Problem ist die grandiose Idee, einen Wirtschaftskrieg gegen unseren größten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“. Nunja – Deutschland hat nichts vom Zaun gebrochen. Sondern Putin startete am 24. Februar einen Angriffskrieg. Darauf hat Deutschland mit Sanktionen reagiert.
Und weiter meinte Wagenknecht: „Wenn wir ein Industrieland bleiben wollen, brauchen wir russische Rohstoffe und leider auf absehbare Zeit auch russische Energie, und deshalb Schluss mit den fatalen Wirtschaftssanktionen. Verhandeln wir in Russland mit Russland (sic) über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen“. Sie bezeichnet dann in einem Nebensatz den Krieg gegen die Ukraine als „schrecklichen Krieg“, aber wer der Aggressor ist, scheint ihr entfallen zu sein. Die von Russland ausgehende Aggression scheint nichts an der Putintreue so mancher Genossinnen und Genossen der Linkspartei zu ändern.
Applaus von der Linksfraktion
Die Fraktion applaudierte jedenfalls nach Wagenknechts Bundestagsrede fast geschlossen – wobei die meisten ihrer Kritikerinnen gar nicht erst in den Plenarsaal gekommen waren. Die Wagenknecht-Getreuen fallen allzu gerne auf russische Fake News rein und stellen sich auch nur allzu gerne an die Seite Putins.
Erst vor kurzem verbreiteten sowohl Wagenknecht als auch Sevim Dağdelen in „sozialen Medien“ ein aus dem Zusammenhang gerissenes, verfälschtes Zitat, das von Außenministerin Annalena Baerbock stammen sollte. Dasselbe Zitat teilten auch Alice Weidel, Tino Chrupalla und weitere Personen aus der rechten Ecke. Recherchen des „Spiegel“ zufolge lag der Ursprung des gefälschten Zitats in einer russischen Propaganda-Werkstatt. Aus der Spiegel Recherche: „Doch es war nicht nur die AfD, die gegen die Regierung und insbesondere Baerbock Stimmung machte. Auch Linkenpolitikerinnen wie Sevim Dağdelen oder Sahra Wagenknecht behaupteten, dass die Außenministerin „Ukraine first, Bürger egal Verachtung“ verbreitet hätte (Dağdelen) und „eine Gefahr für unser Land“ sei (Wagenknecht).
- Sahra Wagenknecht – Archivbild
- Sevim Dagdelen – Archivbild
Auch CDU-Politiker kritisierten Baerbock harsch. Nach Spiegel-Recherchen war mit dem Video eine russische Desinformationskampagne erfolgreich. Denn der kurze Ausschnitt wurde zuerst von einem kremlnahen Account gepostet – und er ist sinnentstellend zusammengeschnitten.
Außerdem haben Accounts, die dem Kreml nahestehen oder sogar staatlichen russischen Akteuren zuzuordnen sind, die Kampagne durch verkürzte Zitate gestartet und danach immer wieder befeuert, so dass sie in Deutschland verfangen konnte. Das zeigt eine Analyse des „Disinformation Situation Center“, die dem Spiegel nach eigenen Angaben exklusiv vorliegt. In der Organisation haben sich Nichtregierungsorganisationen aus der EU und der Ukraine zusammengetan, um gegen russische Desinformation vorzugehen.
Kontra aus dem Ländle
Eine Entschuldigung von Wagenknecht oder Dağdelen blieb freilich aus. Und nun wurde an dem besagten Donnerstag im Bundestag wieder Putins Propaganda verbreitet. Dies steht im klaren Gegensatz zum Beschluss des Parteitags der Linken. Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano, Mitglied des baden-württembergischen Landesvorstands der Linken, und deren ehemaliger Bundesvorsitzender Bernd Riexinger distanzierten sich umgehend auf Twitter von den Aussagen Wagenknechts. Auch von anderen Mitgliedern der Partei kam Kontra.
- Quellen: Screenshots Twitter
Aber das alles findet wohl wieder wenig Gehör. Das Vorgehen Wagenknechts ist unsäglich. Dass sie in ihrer Partei ständig damit durchkommt, ist kaum nachvollziehbar. Ja, vielleicht würde sie bei einem Ausschluss AnhängerInnen mitnehmen. Aber auf die könnte eine Partei, die ernsthaft dran interessiert ist, echte linke, antifaschistische Politik zu machen, verzichten.
Endlich die Reißleine ziehen
In der linken Basis gibt es tolle Leute, die Ideen haben und versuchen, eine linke Politik umzusetzen, die antifaschistisch, antisexistisch und antirassistisch ist. Doch dann kommt immer wieder jemand aus dem Wagenknecht-Lager und macht alle Mühe zunichte. Die Linke manövriert sich auf diese Weise immer mehr ins Abseits. Wenn sie nicht endlich und schnell die Reißleine zieht, verschwindet sie in der Versenkung oder ist nur noch eine Kleinstpartei mit noch weniger Einfluss, als sie jetzt schon hat.
Am vergangenen Montag, als sowohl die Linke wie auch die „Freien Sachsen“ räumlich getrennt in Leipzig demonstrierten, machte die Linke sehr deutlich, dass es keine Zusammenarbeit mit Rechten geben wird. Doch auf der Seite der „Freien Sachsen“ wurden Rufe nach Wagenknecht laut. So bezeichnete Jürgen Elsässer (Gründer und Herausgeber des rechten Compact-Magazins) sie als „fähigste Politikerin Deutschlands“. Dies tat auch der Islam-feindliche und rassistische Michael Stürzenberger bei seiner jüngsten Kundgebung in Stuttgart (siehe Geballter Hass in der Innenstadt).
Man sollte ja meinen, dass man über die eigenen Aussagen nachdenkt, wenn man ständig Beifall von Rechts bekommt. Aber das prallt wohl alles am Designerkostüm Sahra Wagenknechts ab – oder sie findet „Beifall ist Beifall egal, von wem“, was fatal wäre. Der Linken tut dieses Agieren nicht gut. Aber man kann sich natürlich immer und immer wieder sein eigenes Grab schaufeln. Dabei wäre eine wirklich soziale, linke Politik gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je.
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