Von Sahra Barkini – Stuttgart. Beim Forum „Faschismus im Alltag“ des Umsonst & Draußen-Festivals in Stuttgart gab es am Samstag, 3. August, die Gelegenheit, den Vortrag „Der kleine Faschismus von Nebenan“ von Janka Kluge (VVN-BdA) anzuhören. Sie rechnet damit, dass sich in der AfD nach den Landtagswahlen der deutsch-nationale „Flügel“ durchsetzt. Dann dürften sich Nazi-GegnerInnen nicht spalten lassen.
In der Veranstaltungsankündigung hieß es zu dem Vortrag: „Alles Faschismus – oder was? In der politischen Auseinandersetzung mit rechten Entwicklungen fällt immer wieder der Begriff Faschismus oder Neofaschismus. Was steckt aber hinter den Begriffen? Lassen sich die Morde des NSU-Kerntrios, die Wahlerfolge der AfD oder die zunehmende Verrohung von Teilen der Bevölkerung alle mit dem Begriff des Faschismus beschreiben? Brauchen wir andere Begriffe, um zur Beschreibung der momentanen Situation zu kommen oder genügt es einfach gegen Nazis zu sein?“
Janka Kluge begann ihren Vortrag mit den Fragen „Was ist Faschismus? – Brauchen wir andere Begriffe?“ Dazu zog sie Georgi Dimitroff (Politiker der bulgarischen Kommunistischen Partei und Begründer der Dimitroff-These) heran. Laut Dimitroff ist Faschismus die Herrschaftsform des aggressivsten Teils des Kapitals, um die Arbeiterklasse zu stürzen und die Arbeiterpartei zu verbieten.
„Wer keine Perspektive sieht, rückt oft nach rechts“
Die Wirtschaft hatte zwar die Nazis eingesetzt, um ihre Gewinne zu erhalten und zu vermehren. Aber es brauchte auch jemanden, der sie wählt. Laut Kluge schrieb der Psychiater Wilhelm Reich in seinem 1933 erschienenen Buch „Massenpsychologie des Faschismus“, dass Menschen ohne Perspektive, Menschen die Angst haben, Verlierer zu sein, nicht nach links tendieren, sondern eher nach rechts. Sie suchen die Nähe rechter, autoritärer Strukturen.
Kluge erklärte den ZuhörerInnen, dass es sechs Punkte gebe, die Faschismus ausmachten, und in allen Fällen aufträten. Guido Speckmann führte diese Punkte auch in seinem Buch „Faschismus“ auf. Der erste ist „die Entstehung einer Bewegung“. Dieser Punkt werde in Deutschland von Pegida und den Identitären bereits erfüllt. Der zweite Punkt ist „die Verwurzelung im politischen System“. Auch dies finde in Deutschland statt. Die AfD sitzt in allen Landtagen und hat bei der Landtagswahl in Sachsen die Chance, stärkste Kraft zu werden.
Koalition von CDU und AfD rückt näher
Der dritte Punkt, „der Griff nach der Macht“, finde bisher in Deutschland noch nicht statt. Allerdings habe Jörg Meuthen vergangene Woche gesagt, dass die AfD in Sachsen eine Koalition mit der CDU eingehen würde. Er rechne auch damit, dass die CDU anfragt.
Der vierte Punkt ist „Die Machtausübung“, Punkt fünf „Langfristige Entwicklung“ und Punkt sechs „Die Verstetigung“. Bisher habe die AfD in Deutschland aber keine Unterstützung der Großkonzerne, sondern nur des Mittelstands. Noch immer sei unklar, woher die Spenden kamen, die an Alice Weidel gingen. Klar sei nur, dass sie aus der Schweiz kamen, so Kluge.
Nicht alle, die rassistische Hetze betreiben, seien Neonazis. Aber alle seien Rassisten und der Rassismus inzwischen fest verankert in der Mitte der Gesellschaft. Weiter sagte Kluge: Alle Nazis sind Rassisten, aber nicht alle Rassisten sind Nazis.“
Der „Flügel“ dürfte sich durchsetzen
Mit diesem Schlusswort endete der Vortrag und ging über in eine lebhafte Diskussion. Ein Teilnehmer merkte an, man müsse zwischen international und national agierenden Mittelständlern differenzieren. Denn ein Mittelständler, der seinen Hauptumsatz im Ausland macht, werde kaum nationale Grenzen fordern. Aber der lokal oder regional arbeitende Mittelständler habe ein Interesse daran, dass „sein Markt“ abgeschirmt ist und wähle dann vielleicht eher die AfD. Kluge erläutert, dass es in der AfD auch eine Fraktion der Neoliberalen gebe, der Jörg Meuthen und Alice Weidel angehören. Sie sind beide aus dem Hajek-Club.
Ein weiterer Diskussionsteilnehmer erwartet, dass die AfD richtig gefährlich werde, wenn sich der deutsch-nationale Flügel durchsetzt und der neoliberale schwächer wird. Kluge sieht diese Gefahr bereits jetzt. Denn Höcke zufolge besteht der „Flügel“ aus zwei Dritteln der AfD-Mitglieder, also aus deutsch-nationalen und völkischen. Wenn sie ihre Mehrheit ausbauen, müsse die Linke dagegen halten können, forderte Kluge.
Ein weiterer Teilnehmer der Diskussion wollte wissen, ob es Strategien oder Ideen für Strategien gibt. Kluge verwies auf Ansätze wie die „Unteilbar Demonstration“ in Dresden. Übergreifende Strategien sieht sie bisher jedoch nicht. Linke Zentren zu stärken, wäre eine Strategie, oder dass Bands wie „Strom & Wasser“ oder „Feine Sahne Fischfilet“ antifaschistische Gruppen unterstützen.
Nazi-Gegner dürfen sich nicht spalten lassen
Wenn die AfD bei den Landtagswahlen im September den zu erwartenden Stimmenzuwachs bekommt, darf es laut Kluge nicht wie in der Weimarer Republik ablaufen. Die Kommunisten dürften nicht sagen, wir arbeiten nicht mit Anarchisten, und die Anarchisten dürften nicht sagen, wir arbeiten nicht mit Sozialdemokraten, und die Sozialdemokraten dürften nicht sagen, wir arbeiten mit beiden nicht zusammen.
„Wir müssen genau sehen, wer ist unser gemeinsamer Feind, und wie können wir den gemeinsam zurückschlagen“, forderte Kluge. Und das nicht nur auf der Straße, sondern massiv in der Öffentlichkeit. Die Gegenposition müsse lauten: „Wir lassen uns nicht spalten, wir lassen uns nicht aufteilen in Deutsche und Nicht-Deutsche.“
Video
Folge uns!