Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz fand am Donnerstagabend, 10. Oktober, eine Kundgebung gegen rechte Gewalt statt. Nach den rechtsterroristischen Morden am Vortag in Halle hatte das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ (SgR) spontan dazu aufgerufen. 200 Menschen folgten dem Aufruf.
Die Kundgebung begann mit einer Schweigeminute, mit der der beiden Opfern des Mordanschlags gedacht wurde. Aus Rücksicht auf die Opfer gab es bei der Versammlung keine Musik.
„Wegbereiter des Terrors: Höcke, Sarazzin, Maaßen, Palmer“
Jens Heidrich, Sprecher des SgR-Bündnisses, erklärte, dass mit den Morden in Halle eine neue Qualität rechten Terrors erreicht sei. Es handele sich daher nicht nur um eine Trauerkundgebung im Gedenken an die Opfer, sondern „es ist auch eine Wutkundgebung“. Der neonazistische Mörder habe auch Überlegungen angestellt, Moscheen und Antifaschistische Zentren anzugreifen. „Das Attentat am Mittwoch war keine Überraschung“, solche Täter würden nicht einfach so im Internet oder in einem Hinterzimmer sozialisiert. „Sie werden ermutigt vom gesellschaftlichen Rechtstrend, der sich quer durchs Land zieht“, stellte Heidrich die Zusammenhänge her.
Er erinnerte hierbei an Akteure wie Björn Bernd Höcke, Thilo Sarazzin, Hans-Georg Maaßen und Boris Palmer. Diese Leute hätten dazu beigetragen, dass „dieses Land in einem gesellschaftlich vergifteten Klima ist“ und Neonazis ermutigt würden. Solidarisch zu sein, reiche bei Weitem nicht aus, „wir müssen mehr tun und wir müssen es schnell tun“, so Heidrich.
Die Rede Heidrichs haben wir dokumentiert.
„Antisemiten, Nazis, Faschisten, Rassisten und AfD von der Straße fegen!“
Die Rednerin des AABS – des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region – erklärte, der faschistische Mörder von Halle habe das getan, was Faschisten schon immer getan hätten. Er habe ein Blutbad an deutschen Jüdinnen und Juden anrichten wollen. „Damals wie heute wurden und werden aber nicht nur Jüdinnen und Juden Ziel der Faschisten“. In unserem Land seien in den letzten Jahrzehnten Hunderte ermordet worden. Tausende seien Opfer von Anschlägen geworden. Auch diese Rednerin hob die Zusammenhänge zwischen den Hetzern im Internet und dem Mörder von Halle hervor. Sie wies auf die Zusammenhänge zwischen den Kameradschaftsnazis und dem NSU sowie auf rechte Hooligans und Rechtspopulisten in Anzügen hin. „Die einen, die das Umfeld schaffen, die das Unsagbare sagbar machen, und die anderen, die daraus die Konsequenzen ziehen und das Unvorstellbare tun.“
Der Mörder von Halle und die AfD stünden in einem gesellschaftlichen Kontext. Diese Entwicklung, dieser Rechtsruck müsse gestoppt werden. „Egal, ob sie das Töten beklatschen oder es selbst tun, es muss gestoppt werden“, so die Rednerin des AABS. „Es hilft nicht zu appellieren, es hilft nicht, das alles zu verurteilen, und es hilft auch nicht einfach zu rufen „Wir sind mehr!“. Es hilft nicht, nach den Politikern zu rufen, die selbst hetzen und Öl ins Feuer gießen. Es hilft nicht, nach Sicherheitsbehörden zu rufen, die selbst in den rechten Sumpf verstrickt sind. Es hilft nur, mit allen Mitteln gegen die Rechten vorzugehen. Mit dem Wort und mit dem Transparent. Aber – ja, manchmal leider eben auch mit der Faust.“
Die Rednerin beendete ihre Rede mit der Aufforderung, „brechen wir die Bewegung, in deren Schatten Stephan Balliet und andere morden. Für die Freiheit und für das Leben aller Menschen. Antisemiten, Nazis, Faschisten, Rassisten und AfD von der Straße fegen!“
Die vollständige Rede ist hier dokumentiert.
„Wir sind sein erstes Feindbild gewesen“
Die Landesgeschäftsführerin der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen), Janka Kluge, betonte, „der Mörder hat seine Tat angekündigt“ und in seinem Text seien die Schritte seiner Tatplanung dokumentiert. Als erstes habe er gedacht, „ich greife Linke und AntifaschistInnen an, ich greife linke Zentren an“, weil sie sein primäres Feindbild gewesen seien „Wir sind sein erstes Feindbild gewesen“, stellte Kluge klar. Später habe er dies verworfen. Seine mörderischen Planungen hätten die Gedanken des Täters über Muslime zu Juden geführt, denn „die Juden stecken hinter allem und die Juden“ würden alles beeinflussen, so habe der Täter sein irrwitziges Weltbild niedergeschrieben.
Kluge stellte die Zusammenhänge zur AfD am Beispiel von Wolfgang Gedeon dar. Der baden-württembergische AfD-Abgeordnete habe in seinen Büchern gefordert, dass antisemitische Hetzschriften wie zum Beispiel „Die Protokolle der Weisen von Zion“ im Schulunterricht genutzt werden sollen, „als Lehrbuch darüber, wie die Juden die Welt erobern wollen“.
Kluges Rede kann hier angehört werden.
Die Komplizen tragen Anzug und Krawatten
Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano (Die Fraktion) führte aus, der Terroranschlag in Halle sei gegen unsere gesamte Gesellschaft gerichtet. Der Rassismus in Deutschland werde immer hoffähiger. Der Terrorist sei kein Einzeltäter gewesen. Er habe Komplizen bei seiner Tat gehabt. „Sie liefen zwar nicht mit Gewehren durch Halle, aber sie haben diesen Terroristen mit Worten begleitet und unterstützt. Seine Komplizen tragen Anzug und Krawatten. Sie sitzen in Talkshows, in Gemeinderäten, im Landtag und im Bundestag. Ihre rassistische Organisation nennt sich Alternative für Deutschland, und sie sind mitschuldig an diesen Taten. Weidel, Gauland, Höcke, ihr habt Blut an den Händen“, sagte Pantisano.
„Wenn Juden angegriffen werden, dann bin ich Jude“
Er schloss seine Rede mit den Worten: „Wenn Juden angegriffen werden, dann bin ich Jude! Wenn Muslime angegriffen werden, dann bin ich Muslim! Wenn Frauen angegriffen werden, dann bin ich Frau! Wenn Schwule angegriffen werden, dann bin ich schwul! Wenn Schwarze angegriffen werden, dann bin ich schwarz!“ Vor kurzem erhielt Pantisano eine Morddrohung, in der er aufgefordert wurde, seinen Posten als Stadtrat öffentlich niederzulegen. Nur dann werde man gnädig sein und ihm die Wahl lassen, wie er sterben wolle, „nachdem Du im Kräherwald vorher dein eigenes Grab ausgehoben hast. Durch einen Kopfschuss, durch einen Nackenschuss oder durch Enthauptung. „Wenn ich angegriffen werde, dann weiß ich, dass wir viele sind und wir gemeinsam Widerstand leisten werden. Alerta!“
Die vollständige Rede Pantisanos kann hier nachgehört werden.
Feindbild Feminismus
Die Rednerin des Frauenbündnisses „8. März“ thematisierte, dass der Täter von Halle neben antisemitischen und rassistischen Motiven unter anderem den Feminismus als die Ursache allen Übels genannt hätte. „Feministische Kämpfe, wie zum Beispiel das Recht auf Abtreibung, sollen der angebliche Grund dafür sein, dass zu wenig Kinder geboren werden und die Bevölkerung durch Einwanderer ausgetauscht werden soll“, führte die Rednerin aus.
Hier kann die Rede nachgehört werden.
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