Von Lotta Thalmann – Karlsruhe. Etwa 150 AfD-AnhängerInnen folgten am Montag, 7. Oktober, der Einladung der Karlsruher Stadträte Dr. Paul Schmidt, Ellen Fenrich und Oliver Schnell in die Rheinstube der Badner Landhalle. Der Sprecher der AfD-Landesgruppe im Bundestag, Marc Bernhard, hielt vor einem überwiegend aus älteren Jahrgängen bestehenden Publikum einen Vortrag über „Klimanotstand und Ökodiktatur“. Bis zu 80 Menschen versammelten sich zum Protest. Nachdem er offiziell beendet war, wurde eine Antifaschistin von der Polizei abgeführt und festgenommen – wie eine gefährliche Verbrecherin, beschrieben Umstehende den Vorfall.
Lautstark hatte sich der Protest an zwei angemeldeten Kundgebungsstellen gegenüber der Zuwege zur Rheinstube formiert. Rund 60 bis 80 Menschen vom Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT), KlimaaktivistInnen – unter anderem von Scientest for Future, Extinction Rebellion, Parteimitglieder der Linken, der Grünen und andere AfD-GegnerInnen zeigten Präsenz, verteilten Flugblätter, hielten Reden und skandierten Parolen.
Die Grüne Karlsruhe wollte Flagge zeigen und meldete eine der Mahnwache für Klimaschutz, Demokratie und Menschenrechte an. Grüne sind überzeugt, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, wenn jetzt gemeinsam und entschlossen gehandelt wird. Die zweite Mahnwache meldete eine Privatperson an.
KlimaaktivistInnen malten mit Kreide Bilder und Sprüche auf den Boden entlang des Wegs, der zum Eingang der AfD-Veranstaltung führte. Direkt vor dem Eingang verlangte ein AfD-Vertreter in schickem Outfit, mit der Malerei aufzuhören. Er pochte auf die von Rechten allzu gern als Floskel benutzte Meinungsfreiheit, die die AktivistInnen zu respektieren hätten. Die Polizei hielt sich zurück und forderte nur dazu auf, die Malerei zu beenden. Bis dahin war der Spruch fertig.
„Abstrus und abgedreht“
Für die blaubraune AfD ist die Warnung vor dem Klimanotstand offenbar wie ein rotes Tuch. Bernhard sprach von „Klimaterror der Grünen Armee Fraktion“. Zunächst musste der/die gemeine BürgerIn noch lachen. Als „abstrus und abgedreht“ beschrieben Beobachter, die es „inkognito“ in den Saal geschafft haben, die Veranstaltung. Wissenschaft, Verantwortung und Moral würden hier politisch abgeschafft.
Die AfD sei die einzige Partei, die die Kernkraft retten möchte. Tatsachen wurden gnadenlos verdreht. Inhalte stützten sich nur auf Halbwahrheiten, Relativierungen, Gehetzte und Propaganda. In Afrika habe sich trotz 70 Jahre Entwicklungshilfe nichts verbessert. Fridays for Future und natürlich Greta wurden fleißig kritisiert und angegangen. Der alte, weiße Volkssturm in bester Manier. Die Vertreter der AfD leugnen vehement den Klimawandel. Allerdings versuchen sie eine neue Taktik. Sie wollen den Karlsruher Gemeinderat zu klimaneutralem Handeln zwingen und beantragen, dass Gemeinderatsmitglieder für Ziele bis 1000 Kilometer den Zug nehmen müssen.
Die Störungen vor der Tür verstanden sie als „Angriff auf die Demokratie“. Zwischenrufe einer Kritikerin werden niedergebrüllt. Es gab Rufe, sie rauszuwerfen. Andere Personen wurden von der beauftragten Polizei aufgefordert, die Versammlung zu verlassen. Sie hatten sich auf den Boden gesetzt. Eine andere Person wurde ohne ein Wort besonders grob gepackt und dabei fast ihr Jackett zerrissen. Draußen wurden die Personalien des Betroffenen aufgenommen. Vier Personen wurde der Zutritt verwehrt wegen angeblicher Überfüllung und mit Hinweis auf die Brandschutzvorgaben.
Polizeigriff an Kopf und Hals
Etwa um 19.20 Uhr wurden die Mahnwachen vor dem Eingang beendet und aufgelöst. Die DemonstranntInnen sammelten sich und wollten gemeinsam zur Straßenbahn. Kurz darauf drängte unvermittelt die Polizei in die Menge, schubste dabei auch eine Oma Gegen Rechts auf die Seite, packte eine Person mit festen Griff an Kopf und Hals und zog sie rücklings aus der Gruppe heraus (siehe Video unten).
Die Betroffene zeigte keinerlei Gegenwehr oder Widerstand. Sie konnte kaum Schritt halten und hielt beide Arme hoch, um zu signalisieren, dass sie kooperativ sei. Es war absolut nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund diese Frau auf diese schmerzhafte und erniedrigende Weise festgenommen werden musste. Es gab zu keinem Zeitpunkt wahrnehmbare Beleidigungen oder Angriffe gegen Polizisten.
Diese Aktion wurde von den Umstehenden lautstark kommentiert und begleitet. HandyfilmerInnen wurden sofort von der Polizei angegangen und aufgefordert, Videos zu löschen. Eine Person konnte mit ihrem Handy aus der Menge entkommen. Einer anderen Person sollte das Handy für drei Monate konfisziert werden. Aber der Einsatzleiter fand keine Beschlagnahmungspapiere – das alles noch vor Einführung verschärfter Polizeigesetze.
Beobachtet wurde, dass Polizei mit den Grünen sprach, die die Aktion teilweise mitbekommen hatten. Sie verließen dann schnell den Platz.
Die festgenommene Antifaschistin wurde zur Gewahrsamstelle in der Moltkestraße gebracht. Dort musste sie eine erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen lassen: Messen, wiegen, Fotos von allen Seiten, Fingerabdrücke. Nur ganz ausziehen musste sie sich nicht.
Wie üblich wurde angedroht, bei Inaktivität über Nacht bleiben zu müssen und unmittelbaren Zwang zum Durchführen der erkennungsdienstlichen Maßnahmen anzuwenden. Die Betroffene verweigerte nicht die Maßnahmen, blieb aber passiv. Solidarisch warteten viele der DemoteilnehmerInnen vor der Gesa.
Um 20.50 Uhr konnte die Antifaschistin gehen. Auch solche Maßnahmen sind nach neuen Polizeigesetzen willkürlich bei jeder Person möglich. Es bedarf nur den Verdacht eines Verdachtes, den Hauch einer Vermutung.
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