Hannover. „Schützt die Pressefreiheit“ heißt eine Initiative, mit der sich über 400 Medienschaffende solidarisch mit den freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und Andre Aden erklären, gegen die hunderte Nazis am 23. November in Hannover demonstrieren wollen. Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in Verdi unterstützt den Aufruf von Gewerkschaften und antifaschistischen Initiativen zum Protest gegen die Nazidemo am Samstag, 23. November. Nun hat die Polizeidirektion Hannover die Kundgebung der rechtsextremen NPD verboten.
Die NPD kann gegen den „sofortigen Vollzug“ des Demonstrationsverbots bei einem Verwaltungsgericht Widerspruch einlegen. Die Gegendemo des Aktionsbündnisses „bunt statt braun“ soll trotz des Verbots der NPD-Demo auf jeden Fall stattfinden. Erwartet werden rund 2000 Teilnehmer, sagte ein Verdi-Sprecher dem NDR in Niedersachsen.
Gefahren für Dritte und für die Pressefreiheit seien nicht nicht auszuschließen gewesen, begründet die Polizeidirektion das Verbot. Zuvor hatte das Landesinnenministerium mitgeteilt, dass „Erkenntnisse über Aktivitäten in sozialen Medien ein aggressives Bild der geplanten Versammlung zeichneten“.
Seit Wochen hatte die NPD im Netz gegen den freien Mitarbeiter des NDR Julian Feldmann gehetzt. Der Aufruf zur Kundgebung richtet sich explizit gegen ihn: „Feldmann in die Schranken weisen!“. Feldmann arbeitet auch für das NDR-Magazin „Panorama“.
Dessen Bericht über den NS-Kriegsverbrecher Karl Münter aus dem niedersächsischen Nordstemmen hatte in der rechten Szene für Aufregung gesorgt. Feldmann hatte das Interview nach Angaben der „Tageszeitung“ gemeinsam mit zwei Kollegen im November 2018 geführt. Der damals 96-Jährige Münter hatte darin den Holocaust relativiert und die Opfer eines SS-Massakers verhöhnt.
Die NPD und ihre Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ behaupteten hinterher, Feldmann hätte Münter „mit merkwürdigen Fragen in ein Gespräch verwickelt“, ohne zu erwähnen, dass er Journalist sei und das Gespräch für das Fernsehen gedacht sei. Eine Lüge, wie die Pressekammer des Landgerichts Hamburg der „Tageszeitung“ zufolge klarstellte.
In Hannover wollte die NPD neben dem Kopf der Partei „Die Rechte“ Sven Skoda den rechten Youtuber Nikolai Nerling und den NPD-Bundesvize Thorsten Heise als Redner aufbieten. Es sind drei Gegenkundgebungen angemeldet. Sie werden unter anderen vom Deutschen Gewerkschaftsbund, den „Omas gegen Rechts“ und der „Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union“ (dju) getragen.
Seit Jahren werden bundesweit immer wieder JournalistInnen bedroht – und auch körperlich angegangen. In ihrem Aufruf greift die NPD neben Feldmann auch David Janzen an. Dem Journalisten und Sprecher des Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts ist schon im Internet mit Mord gedroht worden. Auf Janzens Privatwohnung gab es dieses Jahr mehrere Anschläge.
Die dju stellt sich hinter die Medienschaffenden, die bedroht und eingeschüchtert werden. Sie mobilisiert zu den Protesten in Hannover, unterstützt bedrohte Mitglieder rechtlich und fordert von der Politik, „endlich entschiedene Maßnahmen zum Schutz derer zu fordern, die jeden Tag mit ihrer Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Demokratie leisten“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der dju in Verdi Cornelia Berger.
Berichte von Mitgliedern der dju über Verleumdungen, Drohungen und Denunziationen aus dem rechtsradikalen Milieu häuften sich. Auch über Klagen und den Versuch, Unterlassungserklärungen zu erzwingen werde gezielt versucht, Berichterstattung zu verhindern. Die gesamte Gesellschaft sei gefordert, sich den Versuchen, die Pressefreiheit brutal und rücksichtslos einzuschränken, entgegen zu stellen.
Die Erklärung der dju in Verdi im Wortlaut:
„Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in Verdi unterstützt den Aufruf „Schützt die Pressefreiheit!“, eine Initiative, mit der sich bereits über 400 Medienschaffende solidarisch mit den freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und Andre Aden erklären, gegen die hunderte Nazis am 23. November in Hannover demonstrieren wollen. „Die dju in Verdi steht geschlossen hinter den Kolleginnen und Kollegen, die bedroht und eingeschüchtert werden. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Journalistinnen und Journalisten Angst um ihre Leben haben müssen in einer Demokratie, in der die Pressefreiheit grundgesetzlich geschützt ist. Daher ist es für uns genauso selbstverständlich, den Aufruf zum Schutz der Pressefreiheit mitzutragen wie auch zu Protesten gegen die Nazidemo am 23. Hannover in Hannover zu mobilisieren, bedrohte Mitglieder rechtlich zu unterstützen, aber auch, von der Politik endlich entschiedene Maßnahmen zum Schutz derer zu fordern, die jeden Tag mit ihrer Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Demokratie leisten“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der dju in Verdi, Cornelia Berger.
Die Berichte von Mitgliedern der dju in ver.di über Verleumdungen, Drohungen und Denunziationen aus dem rechtsradikalen Milieu häuften sich. Auch über Klagen und den Versuch, Unterlassungserklärungen zu erzwingen werde gezielt versucht, Berichterstattung zu verhindern: „Die gesamte Gesellschaft ist gefordert, sich diesen Versuchen, die Pressefreiheit brutal und rücksichtslos einzuschränken, entgegen zu stellen. Erklärtes Ziel der Rechtsextremisten ist es, Journalistinnen und Journalisten so lange zu drangsalieren, bis sie ihre Arbeit aufgeben: Das dürfen wir nicht zulassen!“, forderte Berger. Verlage, Rundfunkanstalten, Verbände und auch die Politik müssten gemeinsam ihren Beitrag leisten, um Journalistinnen und Journalisten wirksam zu schützen. Dazu gehörten auch gesetzgeberische Maßnahmen sowie eine bessere Zusammenarbeit der Polizei mit den Medien: „Wir brauchen endlich ein klares Bekenntnis der staatlichen Einrichtungen zum Schutz der Arbeit von Medienschaffenden. Noch immer werden die Kolleginnen und Kollegen allzu oft bei Einsätzen als Störenfriede behandelt. Auch die personenbezogenen Daten der Kolleginnen und Kollegen müssen besser geschützt werden“, so Berger.“
Der Aufruf des Bündnisses „bunt statt braun“ Hannover im Wortlaut:
„Kundgebung und Demonstration am Samstag, den 23. November 2019
13.30 Uhr: Auftakt auf dem Geibelplatz (Südstadt)
15.00 Uhr: Abschlusskundgebung auf dem Aegidientorplatz
JournalistInnen gegen Nazis verteidigen!
Angriffen auf die Pressefreiheit entgegentreten!
In einem Aufruf zu einer Demonstration der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Hannover am Samstag, den 23. November 2019, wird eine neue Grenze der Aggressivität überschritten: drei Kollegen des NDR werden beim Namen genannt. Die persönlichen Bedrohungen gegen demokratische Journalist*innen und ihre Familien erreichen eine neue Dimension. Es soll ein Klima der Angst und der Einschüchterung geschaffen werden, das sich letztlich gegen die Pressefreiheit und weitere Grundrechte richtet.
Immer häufiger nutzen Neonazis auch juristische Mittel, um die Berichterstattung über sie zu verhindern. Selbst wenn ihre Klagen am Ende vor Gericht scheitern, gelingt es ihnen so, die Presse zu behindern. Es ist kein Zufall, dass die NPD-Demonstration am Landesfunkhaus des NDR vorbeiführt – die drei Kollegen berichten für den NDR und die NPD wendet sich in ihrem Aufruf auch direkt gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Diesen Neonazis stellen wir uns entgegen! Wir zeigen Solidarität mit den betroffenen Kollegen, die in solcher Schärfe angegangen werden und stellen uns vor die Arbeit des NDR, damit er den Rückhalt in der Bevölkerung behält, den er für seine Berichterstattung braucht.“
Der Aufruf Medienschaffender im Wortlaut:
„Schützt die Pressefreiheit!
Gegen die freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und André Aden wollen
Hunderte Neonazis am 23.11.2019 in Hannover demonstrieren. Als Journalist*innen
und Medienschaffende verurteilen wir die Drohungen und Anschläge auf unsere
Kollegen. Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen die Demonstration zu
beteiligen und fordern Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit.
Angriffe sind trauriger Alltag
Rechtsextreme hassen Menschen, die über ihre Veranstaltungen, Vereine, Parteien und
Straftaten berichten. Die Kollegen Julian Feldmann, David Janzen und André Aden arbeiten
seit über zehn Jahren als freie Journalisten und sind, wie so viele, ins Fadenkreuz der
braunen Szene geraten.
Der Hass auf die Kollegen geht so weit, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten. Ein
hochrangiger Neonazi-Kader sprach auf mehreren Veranstaltungen über Julian Feldmann
und erwähnte dabei einen Revolver, der schon bereit liege.
David Janzen wurde von einem bekannten Braunschweiger Neonazi mit den Worten “Heute
Walter [Lübcke, Anm. d. V.], morgen Janzen” bedroht. Diesen Drohungen folgen Taten, auf
Janzens Privatwohnung gab es dieses Jahr bereits mehrere Anschläge.
Von zahlreichen Rechtsextremismus-Expert*innen sammeln Neonazis derzeit Bilder,
öffentliche sowie private Daten. In Telegram-Gruppen der Szene wurde ein entsprechender
Aufruf verbreitet. Offenbar wird ein breit angelegtes Doxxing vorbereitet, zum Schaden der
Kolleg*innen.
Angriffe auf JournalistInnen und Eingriffe in deren Privatleben sind mittlerweile keine
Seltenheit mehr. Bei Szene-Veranstaltungen werden JournalistInnen regelmäßig Opfer
rechter Gewalt. Die NPD-Demonstration in Hannover ist der nächste Schritt, um Kollegen
das Leben zur Hölle zu machen.
Auch neurechte Kleinstgruppen organisieren Angriffe auf die freie Berichterstattung. In
zahlreichen Texten werden Journalist*innen verächtlich gemacht und denunziert. Kritische
Journalist*innen werden mit kostenintensiven Unterlassungserklärungen, Klagen und
Anzeigen überzogen. Fotos von KollegIinnen werden über Szene-Medien gezielt verbreitet
und zur Markierung potentieller Angriffsziele benutzt.
Mit Falschinformationen wird zusätzlich versucht, den Ruf der Kolleg*innen zu schädigen.
Redaktionen sollen davon abgehalten werden, denunzierten Journalist*innen Aufträge zu
geben. Innerhalb der Szene sind die Texte dafür da, Informant*innen von Gesprächen mit
szenekundigen Reporter*innen abzuhalten.
Der Rechtsweg gegen solche Veröffentlichungen ist häufig aussichtslos, mit hohen Kosten
verbunden und zeitraubend. Ziel der extremen Rechten ist es, Journalist*innen fertig zu
machen, bis sie ihre Arbeit aufgeben.
Maßnahmen ergreifen!
Vom Presserat, allen demokratischen VerlegerIinnen und Redaktionen sowie den
Landesmedienanstalten erwarten wir, dass sie sich mit den von Hass und Drohungen
betroffenen KollegIinnen solidarisch zeigen und ihnen ihre Unterstützung anbieten.
Von den demokratischen Parteien und ihren Abgeordneten erwarten wir, dass sie Gesetze
auf den Weg bringen, um JournalistInnen bei ihrer Arbeit besser zu schützen.
Wir fordern:
● Vereinfachte Verfahren für Auskunftssperren beim Einwohnermeldeamt für
JournalistIinnen
● Neuregelung der Impressumspflicht, um Privatadressen von Journalist*innen und
BloggerIinnen besser zu schützen
● Bundesweit verpflichtende Schulungen von PolizistIinnen für den Umgang mit
MedienvertreterIinnen
● Ein Bekenntnis aller Polizeibehörden zu den Verhaltensgrundsätzen für
Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der
Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung
von 1993
● Sensibilisierung von Staatsanwaltschaften und Gerichten für Angriffe auf
Journalist*innen und konsequente Anwendung aller rechtlichen Möglichkeiten
● Die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten durch die Versammlungsbehörde,
um Hass und Hetze gegen unsere Kollegen am 23.11.2019 in Hannover zu
verhindern
Wir als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen die geplante
Demonstration in Hannover, die Drohungen und Angriffe gegen unsere Kollegen.
Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen die pressefeindliche Demonstration
zu beteiligen.“
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