
Symbolbild
Göttingen. Ein neues Versammlungsgesetz soll in Nordrhein-Westfalen der Polizei mehr Überwachungsbefugnisse verschaffen und Protest und Gegendemonstrationen einschränken. Das wirft die Rote Hilfe den VerfasserInnen des Gesetzentwurfs vor. Auch in Berlin und in Sachsen-Anhalt solle das Versammlungsgesetz novelliert werden, wobei gerade letzteres „ebenfalls massive Verschärfungen“ vorsehe, so die Organisation. Sie wirft den Landesregierungen vor, die aus Sicht der Roten Hilfe grundrechtsfeindlichen Gesetzesvorhaben beschleunigt durchpeitschen zu wollen und die Corona-Pandemie auszunutzen, um breite Proteste zu verhindern. Unter dem Vorwand, rechte Umtriebe eindämmen zu wollen, werde die Versammlungsfreiheit beschnitten.
In Nordrhein-Westfalen solle es die Gesetzesnovelle erleichtern, rechte Aufzüge zu reglementieren und zu verhindern. So könne auch von öffentlicher Seite rechten Gruppierungen wirksam entgegen getreten werden, argumentieren die Verfasser des Gesetzentwurfs. Doch die künftigen behördlichen und polizeilichen Befugnisse und die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit „werden sich selbstverständlich auf alle Versammlungen beziehen“, so die Rote Hilfe. Ihre Befürchtung: Die neuen Befugnisse werden „wie schon bisher vor allem gegen linke Demonstrationen restriktiv eingesetzt werden“. Das machten einige explizit gegen linke Aktionsformen gerichtete Neuerungen deutlich. Auch würden polizeilichen Willkürmaßnahmen im Umgang mit Versammlungen und DemonstrantInnen Tür und Tor geöffnet.
Polizeiliche Filmerei vereinfacht
Schon die Hürden zur Anmeldung einer Versammlung würden mit der Verlängerung der Anmeldefrist, der Notwendigkeit der schriftlichen Anmeldung und einer Vielzahl von bisher nicht notwendigen Angaben stark erhöht. Auf Verlangen der Sicherheitsbehörden sollen zudem alle OrdnerInnen vorab genannt werden. Läuft die Versammlung nicht ab, wie bei der Anmeldung angekündigt, sollen AnmelderIn und VersammlungsleiterIn zukünftig dafür belangt werden können. Zudem werde es für die Polizei erheblich vereinfacht, Versammlungen zu filmen und die entstandenen Aufnahmen zu speichern – in Form so genannter Übersichtsaufnahmen und wenn von einer Versammlung Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehe. Wann das aber so weit ist, bleibe natürlich subjektiv.
„Besonders kritisch für antifaschistischen Protest dürfte sich das geplante Militanzverbot ausnehmen, das paramilitärisches Auftreten ebenso unterbinden soll wie uniformierte Kleidung und einschüchterndes Auftreten“, erklärt die Rote Hilfe. Was als uniformiert oder einschüchternd eingestuft werden wird, bleibet schwammig und liege damit im jeweiligen Ermessen der zuständigen Sicherheitsorgane. Auch die geplante Teilnahmeuntersagung, die die Polizei künftig gegen TeilnehmerInnen aussprechen kann, sei ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Einzelnen und lade zu polizeilicher Willkür ein. Zudem sollten mit dem expliziten Verbot von Blockadetrainings Sitzblockaden und Störungen laufender Versammlungen nahezu unmöglich gemacht und so schon die Vorbereitung antifaschistischer Proteste kriminalisiert werden. „Das dürfte eher den ungestörten Ablauf rechter Aufzüge ermöglichen, als diese wirksam zu verhindern“, so die Rote Hilfe.
Künftig schon „gleichartige Kleidung“ suspekt
In Sachsen-Anhalt würden ebenfalls Handlungsspielräume eingeschränkt. Durch die Übernahme des Begriffs der „öffentlichen Ordnung“, der bereits in anderen Bundesländern für Repressalien im Umgang mit Versammlungen genutzt werde, solle auch hier das Gesetz verschärft werden. Auch hier werde eine Ausweitung des Uniformierungsverbots wohl „mit größter Sicherheit gegen linke DemonstrantInnen angewandt werden“. Künftig soll bereits „gleichartige“ Kleidung als Grundlage für Kriminalisierung dienen. Ob bereits das sommerliche Tragen von Sonnenbrillen in Kombination mit dunklen T-Shirts als „gleichartig“ und somit strafbewehrt gilt, bleibe „den Launen der jeweiligen Einsatzleitung überlassen“, heißt es in der Pressemitteilung des Vereins.
Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe, ist davon überzeugt, dass „unter dem Vorwand, rechte Umtriebe eindämmen zu wollen, die Versammlungsfreiheit beschnitten“ werde. Die Änderungen sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Sachsen-Anhalt atmeten „einen versammlungsfeindlichen Geist, der Demonstrationen nicht als von der Verfassung geschütztes Grundrecht schützen will, sondern sie prinzipiell als Bedrohung wahrnimmt und folglich nach Möglichkeit einschränken will.“ Diesen Frontalangriff auf die Grundrechte dürfe man nicht hinnehmen.
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