Mannheim/Reutlingen/Weißenfels/Stuttgart/Freiburg. Aktuell erleben wir den stärksten Rechtsruck in der Geschichte der Bundesrepublik und es vergeht kaum ein CSD ohne Angriffe auf Teilnehmer*innen. Erst kürzlich blockierten Neonazis den CSD in Weißenfels (Burgenlandkreis). In Reutlingen wurden Teilnehmer*innen des CSD angegriffen (wir berichteten https://beobachternews.de/2023/06/13/es-flogen-faeuste-stuehle-und-mehr/). In Mannheim machte am 12. August nicht nur das Wetter der CSD-Parade einen Strich durch die Rechnung, auch die Polizei schikaniert Aktivist*innen. Die Liste ließe sich leider noch fortsetzen.
Die Organisator*innen verstehen offenbar nicht, wer ein Ally (englisch für Verbündete) ist und wer nicht. Immer wieder werden Antifaschist*innen ausgrenzt – und gleichzeitig die CDU, FDP und die Polizei mit offenen Armen empfangen. Dabei unterstützt hier in Baden-Württemberg die CDU eine Petition gegen das gendern. Die FDP stellte im Landtag einen „Anti-gendern Antrag“. Beides wird von der AfD und rechten Medien gelobt. Der Stuttgarter CDU Oberbürgermeister Frank Nopper machte Wahlkampf mit „Schaffen statt Gendern“ und reagierte transfeindlich als auf Initiative einer Stadträtin der Grünen ein Binden- und Tampon-Spender auch auf der Herrentoilette im Rathaus aufgehängt wurde.
Beim CSD in Freiburg gab es Proteste von CDU und der FDP, weil das Logo eine Antifaflagge zeigte. Die IG CSD Stuttgart und der LSVD Baden-Württemberg zogen wegen dem Logo ihre Teilnahme zurück (https://beobachternews.de/2023/06/24/stonewall-was-a-riot-und-kein-buntes-familienfest/).
Es wird immer deutlicher, dass die Geschichte von Stonewall in Vergessenheit gerät und man lieber eine Party mit Konzernen feiern möchte, Dabei stören anscheinend politische Botschaften und Antifaschist*innen.
In Mannheim machte am 12. August nicht nur das Wetter der CSD-Parade einen Strich durch die Rechnung, sondern auch die Polizei schikaniert Aktivist*innen, obwohl die Gruppe angemeldet war und die Organisator*innen im Vorfeld kein Problem mit der Teilnahme hatten.
Wir veröffentlichen nachfolgend die Stellungnahme des OAT (Offenes antifaschistisches Treffen Mannheim):
„Das Offene Antifaschistischen Treffen Mannheim hatte für den CSD in Mannheim am 12.08.2023 mobilisiert und war dort mit einer kleinen Gruppe vertreten. Mit einem Transparent und einigen Fahnen wollten wir einen antifaschistischen sowie antikapitalistischen Standpunkt auf dem CSD vertreten.
Denn leider wird der CSD jedes Jahr etwas mehr entpolitisiert. Das war auch konkret in Mannheim sichtbar, im Vorfeld wurde der CSD Mannheim von offizieller Seite durchaus als politische Veranstaltung beworben z.B. durch verschiedene Mottovorschläge etc. Von diesem politischen Anspruch war dann am Samstag von offizieller Seite wenig zu sehen. Es laufen immer mehr Konzerne sowie Parteien mit, die an den 364 Tagen im Jahr an denen kein CSD stattfindet, wenig Interesse an der queeren Community oder deren Rechten zeigen, oder sogar wie im Falle der FDP Baden-Württemberg versuchen queeres Leben aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Zum Beispiel durch ein Gesetz, dass in öffentlichen Stellen das Gendern verbieten soll. Der CSD bietet jedoch trotzdem auch diesen Parteien sowie anderen Konzernen eine Bühne um sich einmal pro Jahr als Ally (Englisch für „Verbündete“) zu inszenieren und sich hoch oben auf dem Wagen feiern zu lassen.
Der CSD ist nun mal für alle, oder? Dass dies zumindest in Mannheim nicht der Fall ist erfuhren wir direkt am Anfang der Kundgebung als auf einmal die Polizei vor uns stand, eine Personenkontrolle durchführen wollte sowie unsere Taschen durchsuchte. Der Grund dafür war, dass wir zwei Antifa-Fahnen mitführten. Selbst die Fahne mit „Love Music – Hate Fascism“ war unerwünscht! So wurde uns mitgeteilt, dass entweder die Fahnen verschwinden müssten oder wir von der Versammlung ausgeschlossen werden. Zu erwähnen ist, dass es auf dem CSD in Stuttgart zu einer Auseinandersetzung kam, als Antifaschist*innen den Wagen der CDU blockierten. Dies wurde im Nachhinein medial auch schnell als „Angriff auf den CSD“ betitelt. Dabei ist auch in einem Statement der Stuttgarter Genoss*innen vom AABS (Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart) zu lesen, dass die Blockade im Besonderen, der nun mal immer wieder queerfeindlichen CDU galt, sowie der Selbstinszenierung durch die Polizei und nicht etwa dem CSD an sich. Dieser Vorfall darf nicht als Anlass genutzt werden, um Antifaschismus weiter zu kriminalisieren. Wir als OAT haben im Vorhinein bei der Organisation des CSD angekündigt, dass wir dort vertreten sein werden und uns somit auch um eine Absprache bemüht. Die plötzliche Kontrolle durch die Polizei überraschte uns, da weder Ordner*innen noch die Versammlungsleitung im Vorfeld auf uns zu gekommen waren, anscheinend wurde es als angemessen empfunden direkt die Polizei loszuschicken.
Diese bewies direkt, wieso die Polizei eben kein Verbündeter für uns sein kann, indem sie misgenderte, immer wieder nach Deadnames fragte, sich erkundigen musste, wie ein Name ausgesprochen wird, der nicht „Müller“ oder „Meier“ ist, nur um ihn dann komplett falsch auszusprechen und das dann schnell damit abzutun, dass das ja auch egal sei. Dazu kommt, dass die Polizei nicht nur die Menschen mit Antifa-Fahne kontrollierte sondern direkt auch wieder zeigte, dass Racial Profiling in Deutschland nun mal traurige Realität ist indem sie auch beistehende BIPoC („Black, Indigenous, People of Color“) Menschen kontrollierten. Wir wissen, wie gefährlich Polizeikontrollen für BIPoC Menschen sind. Solidarität gegen Diskriminierung jeder Art ist auch für den queeren Kampf wichtig, denn eigentlich gilt: Queers unterstützen Queers und hetzen anderen Menschen nicht einfach die Bullen auf den Hals.
Als wir daraufhin mit der Versammlungsleitung in Kontakt traten erwiderte diese nur, dass sie uns zwar nichts unterstellen wolle, der CSD jedoch heute friedlich ablaufen solle. Die Kriminalisierung von Antifaschismus ist nichts Neues. Doch, dass inzwischen anscheinend auch der CSD die Denkmuster von Rechten und Konservativen im Sinne von „die Antifa ist nur auf Gewalt aus“ übernimmt, ist erschreckend.
Anstatt einfach offen auf uns zu zugehen, wurde sich dafür entschieden, dass wir die Demütigung durch die Polizei eben hinnehmen müssten. Ganz egal, dass dadurch Queers und BIPoC von der Polizei drangsaliert wurden. Immerhin sei die Polizei ja schließlich auch zu unserem Schutz da. Doch das stimmt nicht, die Polizei ist kein Ally, war nie unser Ally und wird dies auch nie sein. Die Polizei, die durchsetzt von rechten Netzwerken ist und mit brutaler Gewalt die herrschenden Verhältnisse verteidigt, ist dieselbe Polizei, die queere Menschen verfolgte und verhaftete als z.B. Homosexualität noch strafbar war.
Doch auch heute ist die Polizei noch gewalttätig, immer wieder gibt es Schlagzeilen über rassistische Gewaltausbrüche, Gewalt gegen Menschen in psychischen Ausnahmezuständen oder Gewalt gegen Menschen ohne Papiere. Die Behauptung, dass die Polizei uns schützt, stimmt nicht. Die Polizei schützt die privilegierte herrschende Klasse!
Wenn wir uns die politische Lage in Deutschland anschauen müssen wir auch erkennen, dass die größte Gefahr für Queeres Leben von der AfD und ihrem rechten Kulturkampf ausgeht! Auch die CDU und insbesondere die CSU versuchen inzwischen nach amerikanischem Vorbild durch Anti-„Woke“-Sein Wahlkampf zu machen. Es steht außer Frage, dass die AfD, sollte sie einmal in die Position kommen, in der sie die queerfeindlichen Gesetze verabschieden kann, von denen sie immer wieder fantasiert, in der Polizei einen sicheren Verbündeten hat, um diese durchzusetzen. Schließlich verabschiedet die Polizei keine Gesetze, setzt diese trotzdem immer wieder gerne mit dem Schlagstock durch, besonders wenn diese Gesetze auf die Kriminalisierung von sozialen Bewegungen oder Minderheiten abzielen. Die AfD versucht immer wieder ihre menschenfeindlichen Ansichten auch in Mannheim zu verbreiten, zum Beispiel im Schützenhaus in Feudenheim, einem beliebten Versammlungsort der Mannheimer AfD. Wo waren denn die bürgerlichen Parteien all die letzten Jahre, als es darum ging, dieser Hetze entgegenzutreten? Wir als OAT tragen immer wieder mit vielen solidarischen Menschen unsere Werte auf die Straße und zeigen, dass es keinen Platz für rechtes Gedankengut in Mannheim gibt, von den großen Parteien fehlt dabei jedoch jede Spur. Egal was Sie uns heute erzählen und welche Flagge sie diesen einen Tag im Jahr tragen, der einzige Schutz für Queers ist antifaschistischer und antikapitalistischer Selbstschutz!
Schlussendlich haben wir es doch noch geschafft unsere Perspektive auf dem CSD zu vertreten. Trotz Bullen und strömendem Regen haben wir mit unserem Banner „Queer Liberation means Class War“ deutlich gemacht, dass die Geschlechterbefreiung als soziale Bewegung erkämpft werden muss und uns nicht
von Firmen oder Parteien geschenkt wird.
Unsere Alternative zu Pinkwashing, Regebogenkapitalismus und Lippenbekenntnissen lautet Vernetzung, gemeinsames Organisieren und Solidarität, auf die Verlass ist. Denn unsere Solidarität gilt auch die 364 Tage im Jahr an denen kein CSD ist!“
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