Stuttgart. Ein Friedensaktivist steht am Dienstag, 26. Juli, um 9 Uhr vor dem Stuttgarter Amtsgericht. Der Vorwurf: Er soll bei den Protesten gegen einen Bundeswehr-Rekrutierungsstand auf der Ausbildungsmesse „Nacht der Unternehmen“ in der Liederhalle am 17. November 2015 Hausfriedensbruch begangen haben. Mehrere Friedensinitiativen fordern Freispruch. Sie wenden sich gegen die „Kriminalisierung von Anti-Kriegsprotest“. Für 8 Uhr ist eine halbstündige Kundgebung neben dem Eingang des Amtsgerichts in der Stuttgarter Hauffstraße 5 angemeldet.
Danach kann man den Prozess im Gerichtssaal verfolgen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht, sich zu versammeln, sind vom Grundgesetz besonders geschützt, heißt es im Kundgebungsaufruf der Friedensinitiativen. Dennoch versuchten Strafverfolgungsbehörden immer wieder, mit dem Vorwurf des Haus- oder Landfriedensbruchs Protest gegen Krieg und Militär zu kriminalisieren: „Krieg und Militär scheinen berechtigt zu sein, der Protest dagegen nicht – das ist jeder Demokratie unwürdig. Unser aller Solidarität ist gefragt“.
Unabhängig von der Frage, ob Thomas, der Angeklagte, in der Liederhalle überhaupt am Ort war, sei es falsch, „legitimen Protest auf der Messe mit einem Hausfriedensbruch gleichzusetzen“. Insbesondere müsse die Verhältnismäßigkeit überprüft werden, wenn „das Hausrecht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung in Hör- und Sichtweite miteinander in Widerspruch stehen“. Es sei zu hoffen, dass das Gericht – so es dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft überhaupt folgt – „dem Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung in ihrer zentralen Bedeutung für die Demokratie den Vorzug gibt“.
Entscheidend sei, jungen Menschen vor dem Bundeswehrstand näher bringen zu können, dass sie sich nicht durch Lockangebote für Aktion und Abenteuer von der Bundeswehr ködern lassen: „Protest muss in einer Demokratie jederzeit möglich sein und vor Ort bei einer öffentlichen Veranstaltung an die Beteiligten adressiert werden können.“
Politisch sei das von der Polizei bis zur Staatsanwaltschaft reichende Vorgehen skandalös: „In einem Land, dass immer stärker militärische Gewalt zur Normalität erklärt, für das Kriege in aller Welt zur Gewohnheit geworden ist und das Militär immer mehr Einfluss in Politik und Gesellschaft einfordert, wird Protest zur Pflicht. Das betrifft insbesondere die Rekrutierungs- und Werbeauftritte der Bundeswehr an Schulen, auf Berufs- und Ausbildungsmessen oder Veranstaltungen, die gezielt auf Minderjährige abzielen.“ Selbst die Vereinten Nationen hätten Deutschland für diese Praxis bereits gerügt.
Die Friedensinitiativen reihen die Anklage in Stuttgart in eine Reihe der strafrechtlichen Verfolgung weiterer AktivistInnen ein. So ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen den Rüstungsgegner und Grimmepreisträger Jürgen Grässlin wegen des Buchs „Netzwerk des Todes“, das illegale Waffengeschäfte nach Mexiko enthüllt. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Hermann Theisen, der vor dem Atomwaffenlager Büchel über Flugblätter SoldatInnen aufforderte, die Geheimniskrämerei um die Nuklearsprengköpfe zu brechen.
Die UnterstützerInnen des Aufrufs:
Friedensnetz Baden-Württemberg, DFG-VK Baden-Württemberg, DFG-VK Stuttgart, Friedensplenum-Antikriegsbündnis Tübingen, Informationsstelle Militarisierung (IMI), DKP Stuttgart, Friedenstreff Nord, Friedenstreff Bad-Cannstatt, OTKM (Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung), DIE LINKE Baden-Württemberg, DIE LINKE Stuttgart.
Spendenkonto zur Prozessunterstützung:
Stichwort „Prozess Thomas“, DFG-VK Stuttgart, IBAN: DE32 4306 0967 4006 1617 40
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