Von Sandy Uhl – Ulm. Mehr als 350 Menschen gingen am Freitagabend, 26. Januar, in Ulm auf die Straße, um gegen den gewaltsamen Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien und deutsche Waffenlieferungen in Krisengebiete zu demonstrieren. Begleitet wurde die Demonstration von einem massiven Polizeiaufgebot.
Der Demonstrationszug bewegte sich nach einer kurzen Auftaktkundgebung am Berblinger Brunnen über die Fußgängerzone in Richtung Münsterplatz, Herrenkellergasse und über die Wengengasse zurück zum Berblinger Brunnen. Unterstützung bekamen die TeilnehmerInnen von VertreterInnen der Linken.
Wegen der Angriffe auf Afrin bezeichneten die Demo-TeilnehmerInnen den türkischen Präsidenten als Terroristen und skandierten immer wieder „Hoch die internationale Solidarität“. Eine Sprecherin übte scharfe Kritik an deutschen Waffenlieferungen in die Türkei und am Einsatz von Leopard-Panzern gegen kurdische Kämpfer der YPG. Die YPG hatte in den letzten Wochen im Gebiet um Afrin die IS-Milizen bekämpft und zurückgeschlagen.
„Wir unterstützen euch, ihr seid nicht alleine“
Die Ulmer Linke hielt am selben Abend einen Neujahrsempfang ab. Die Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel und Simone Barrientos mutzten die Gelegenheit, ihre Solidarität mit den DemonstrantInnen auszudrücken, und reihten sich in den Demonstrationszug ein.
Bei der Abschlusskundgebung forderte Hänsel Angela Merkel auf, sich für die Politik der Bundesregierung gegenüber der Türkei und Erdogan zu verantworten. „Wir wollen Antworten im Bundestag, und wir werden die Solidarität mit Afrin und Rojava einfordern. Wir unterstützen euch“, versprach die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Barrientos, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, fand unter großem Applaus der TeilnehmerInnen ebenfalls klare Worte: „Heute sind überall in diesem Land Leute auf der Straße, KurdInnen und GenossInnen von uns. Ihr seid nicht alleine, Afrin ist nicht alleine. Geht weiter auf die Straße, wir gehen mit euch.“ Der Protest müsse überall so laut werden, dass die Regierung nicht mehr wegschauen könne, sondern reagieren müsse.
Auch Eva Maria Glathe, Sprecherin der Linken Ulm/Alb-Donau, kritisierte den Einmarsch der türkischen Armee in Syrien und solidarisierte sich mit den Menschen vor Ort.
Polizei löst unangemeldete Kundgebung auf
Wie mehrere Medien berichteten, hatte die Polizei in Ulm am Dienstagabend, 23. Januar, eine nicht angemeldete Kundgebung aufgelöst. Dabei sei auch Pfefferspray eingesetzt worden. Einem Ulmer Journalisten wurde nach eigenen Angaben bei dem Polizeieinsatz das Handy entrissen. Seine Fotos seien gelöscht worden, obwohl er seinen Presseausweis vorgezeigt habe. Zudem habe man ihn am Finger verletzt. Er habe deshalb wegen Körperverletzung und Behinderung journalistischer Arbeit Anzeige erstattet.
Die Polizei spricht davon, dass die Kundgebung bereits aufgelöst gewesen und es anschließend zu einem Handgemenge gekommen sei. Dabei sei auch Pfefferspray eingesetzt worden. Die Versammlungsleiterin habe trotz mehrfacher Aufforderung ihre Personalien nicht angeben wollen. Eine Person wurde bei dem Polizeieinsatz festgesetzt. Von einem Presseausweis sei der Polizei nichts bekannt, erklärte ein Sprecher, den der „SWR“ zu dem Vorwurf des Ulmer Journalisten befragte.
Wegen der angespannten Situation ließ die Polizei die Demonstration am Freitagabend von 70 Einsatzkräften und einer Hundestaffel begleiten.
Neujahrsempfang der Ulmer Linken
Eva-Maria Glathe lud die DemonstrationsteilnehmerInnen zum anschließenden Empfang der Ulmer Linken ins Haus der Donau in der Kronengasse ein. Dort war die türkische Militäroffensive in Nordsyrien nochmals großes Thema und zog sich durch mehrere Reden. Außerdem sprachen die RednerInnen über die in der Türkei inhaftierten Journalisten und kritisierten deren Haftbedingungen.
Besonders freute es die Anwesenden, dass Ali Riza Tolu, Vater von Mesale Tolu, an dem Neujahrsempfang teilnahm. Hänsel, die schon mehrfach als Prozessbeobachterin des Verfahrens gegen Mesale Tolu nach Istanbul gereist war, und Barrientos sagten ihm weitere Unterstützung im Kampf um die Freiheit seiner Tochter zu. Barrientos beendete ihre Rede mit einer eindringlichen Warnung: „Wenn der Kapitalismus ins Schwanken gerät, endet er meistens im Faschismus.“
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