Gastkommentar von Holger Heim –
Ja, das Corona-Virus bedroht Kranke, Alte und Schwache besonders.
Ja, eine ungebremste Verbreitung bringt die medizinischen Kapazitäten an die Grenze.
Ja, die Maßnahmen die ergriffen wurden, halte ich für geeignet, den exponentiellen Anstieg der Infizierten-Zahlen zu verlangsamen. Aber…
… bisher dachte ich, wir leben in einem Staat, in dem sich die Gesetze aus der Verfassung, unserem Grundgesetz ableiten und der Staat sich selbst an Recht und Gesetz halten muss.
Alle Maßnahmen, alle Allgemeinverfügungen, alle Rechtsrordnungen, die – aus medizinischer Sicht zu Recht – unsere Freiheiten einschränken, stützen sich auf § 28 des Infektionsschutzgesetzes. Ein Gesetz, das eigentlich regelt, wie Menschen, die an einer hochansteckenden Krankheit erkrankt sind, behandelt werden sollen. Welche Einschränkungen das betroffene Individuum zum Schutz der Allgemeinheit hinnehmen muss.
„Die Norm deckt zwar Eingriffe, die auf Einzelpersonen bezogen sind, gestattet aber bereits keine auf die Allgemeinheit bezogenen. Zudem dürfen solche Maßnahmen auch nur kurzfristig verhängt werden, was sich direkt aus dem Wortlaut der Norm ergibt. Dort heißt es nämlich: „bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. Darunter fällt offensichtlich keine pauschale zweiwöchige Verfügung.“, führt Katja Thorwarth in der Frankfurter Rundschau aus.
„Ja Grundgesetz, ja Grundgesetz, ja Grundgesetz,
sie berufen sich hier pausnelos auf´s Grundgesetz,
sagen sie mal
sind sie eigentlich Kommunist“
(Franz Josef Degenhardt)
Und dennoch werden Grundrechte für die Allgemeinheit, nicht nur für Betroffene, auf der Basis eines dem Grundgesetz nachgeordneten Gesetzes und zudem unter fragwürdiger juristischer Interpretation ausgesetzt oder massiv beschränkt.
„Eingegriffen wurde in nahezu alle Freiheitsgrundrechte. Die körperliche Bewegungsfreiheit ist, je nach Bundesland/Gemeinde/Landkreis, zwar unterschiedlich intensiv betroffen. Allerdings wurde generell die Freizügigkeit und die allgemeine Handlungsfreiheit massiv eingeschränkt.
Vielen Menschen wird durch die Schließung von Geschäften die Ausübung ihres Berufs untersagt, sodass dort in den Kernbereich der Berufsfreiheit und gegebenenfalls in die Eigentumsfreiheit eingegriffen wurde. Die Versammlungsfreiheit – eines der wichtigsten Grundrechte in einem Rechtsstaat – ist faktisch aufgehoben. Die Glaubensfreiheit ist durch die Schließung religiöser Begegnungsstätten massiv eingeschränkt. Auch in die Unverletzlichkeit der Wohnung wird eingegriffen, wenn der Staat, wie angekündigt, Kontaktverstöße in Wohnungen verfolgen will. Mit anderen Worten, es ist kaum ein Grundrecht nicht massiv in seinem Kernbereich betroffen.“
(Quelle)
Die weiteren Vorschläge die zur Zeit diskutiert werden, wie zum Beispiel Telefonüberwachung oder jetzt aktuell der Einsatz der Bundeswehr, gehen in eine Richtung, die das Grundgesetz ad absurdum führen.
Warum ich das thematisiere?
Weil ich befürchte, dass dieser Umgang mit Gesetzen und mit Grundrechten uns allen irgendwann auf die Füße fallen wird.
Wenn die Regierung in Pandemiefällen wie dem Aktuellen, keine wasserdichte und auch verfassungsfeste Grundlage zur Einschränkung von Freiheitsrechten für die Allgemeinheit hat, so darf sie diese aus rechtsstaatlicher Ethik auch nicht für die Allgemeinheit einschränken – sondern immer nur für die von der Pandemie Betroffenen. Ich halte das derzeitige Handeln der Bundesregierung, der Landesregierungen, der Kreise und Kommunen für verfassungswidrig – und dennoch medizinisch angezeigt.
Man stelle sich vor, in Sachsen, oder gar in ganz Deutschland regierte die AfD und diese nutze das gleiche Gesetz unter Vorwand einer Grippe-Welle oder einer anderen Virus-Epidemie oder -Pandemie, um mithilfe eben dieses Infektionsschutzgesetzes Grundrechte außer Kraft zu setzen.
Wir alle wissen, dass sie dies aus politischen, nicht aus medizinischen Gründen machen würde. Unsere Demokratie wäre am Ende.
Was wäre wenn …
Aber wenn es einer Regierung, die eigentlich kaum einem Zweifel hinsichtlich ihrer demokratischen Grundüberzeugung unterliegt, schon so leicht fällt, auf verfassungsrechtlich höchst zweifelhafter Basis Menschen- und Grundrechte einzuschränken, wie einfach wäre das für eine von einer faschistoiden Partei getragenen Regierung?
Es ist in unser aller Interesse, dass im Falle eines Pandemie-Notstandes klare Regelungen auf der Basis verfassungsrechtlich konformer Gesetze getroffen werden, welche einerseits die Basis für die Bekämpfung der Pandemie bieten, aber die Grundrechtseinschränkungen sachlich wie zeitlich minimieren und beschränken.
Eine Verstetigung oder zeitlich unbegrenzte Feststellung des Pandemie-Notstandes darf es nicht geben.
Und die Einschränkung der verfassungsmäßigen Rechte für die Allgemeinheit muss Ultima Ratio sein und ebenfalls zeitlich begrenzt werden.
Folge uns!