Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Auch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt konnte der 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse dieses Jahr nur unter besonderen Bedingungen begangen werden. Die Gewerkschaften sagten bereits frühzeitig ihre Demonstrationen coronabedingt ab. Die traditionelle „Revolutionäre 1. Mai Demonstration“ fand allerdings statt. Die knapp 600 TeilnehmerInnen gaben sich alle Mühe, die Mindestabstände einzuhalten. Dies gelang ihnen fast über die gesamte Dauer der kämpferischen Versammlung. Erstmals im Lauf der zehnjährigen Berichterstattung der Beobachter News demonstrierte die Polizei nicht offensiv ihre Gewaltbereitschaft. Vermutlich eine Begleiterscheinung der Corona-Epidemie.
Bei der Auftaktkundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz versammelten sich Menschen verschiedener linken Spektren. Es standen GewerkschafterInnen neben AnarchistInnen und SozialdemokratInnen neben KommunistInnen. Menschen aus revolutionären türkisch-kurdischen Organisationen standen neben S21-GegnerInnen und Antifas. Der 1. Mai bescherte eine sonst eher seltene starke Verbundenheit. Den Anstoß zu diesem linken Bündnis hatte die Initiative Klassenkampf Stuttgart gegeben.
Kämpferische Reden aus den Betrieben
Die engagierten RednerInnen kamen bei den TeilnehmerInnen gut an (siehe Videos unten). Sie erhielten viel Zustimmung und Applaus. Unter den Vortragenden waren Beschäftigte des Klinikums Stuttgart, ein Betriebsratsmitglied des Daimler-Werks Stuttgart-Untertürkheim und die Informationsstelle Militarisierung aus Tübingen. Eine Vertreterin des linken Zukunftsforums Stuttgarter Gewerkschaften berichtete über den Kampf der streikenden ArbeiterInnen beim Maschinenbauer Voith im bayrischen Sonthofen.
Trotz Corona ein klassenkämpferisches Bild
Im Anschluss an die Bündniskundgebung auf dem Marktplatz formierte sich die Revolutionäre Demo und lief mit knapp 600 TeilnehmerInnen eine kurze Route durch die Stuttgarter Innenstadt. Die Sicherheitsabstände wurden in Vierer-Reihen mithilfe von markierten durchlaufenden Seilen und Absperrbändern weitestgehend eingehalten. Es wurden nur wenige Seitentransparente eingesetzt – nach Auskunft des Veranstalters um das Einhalten der Abstände zu erleichtern. Schilder, rote Fahnen und hunderte rote Schutzmasken gaben der Demonstration trotz der ungewohnten Form ein gemeinsames und klassenkämpferisch geprägtes Bild.
Vor der Paulinenbrücke gab es eine Schilderaktion. TeilnehmerInnen im vorderen Bereich der Demo hielten Schilder über den Köpfen, die von oben gesehen zusammen die Parolen „Eure Krise: nicht auf unserem Rücken!“ und im Anschluss einmal umgedreht: „Kapitalismus abschaffen! Sozialismus erkämpfen!“ bildeten. Unterstrichen wurde diese Aktion durch den Einsatz von Rauchfackeln.
Auf dem Marienplatz wurde der Demonstrationszug mit einem kleinen Feuerwerk empfangen. Die Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS) ließ ihren Beitrag von einer vermummten Person vom Lautsprecherwagen aus vortragen.
Solidarität in den Morgenstunden
Schon vor der Kundgebung hatte es Aktionen zu einzelnen Facetten der aktuellen Krise gegeben. So etwa eine Kundgebung mit rund 100 TeilnehmerInnen an der S21-Baustelle, die sich in den frühen Morgenstunden mit türkischen Bauarbeitern solidarisierte. Sie arbeiten nach eigenen Angaben für 7 Euro Stundenlohn für das Bahnprojekt. „Von ihnen infizierten sich einige wegen fehlender Schutzausrüstung und der prekären Wohnsituation in provisorischen Baracken schnell mit dem Virus, wurden erst zum Weiterarbeiten genötigt und nun nach Veröffentlichung der Zustände zum Teil wieder abgeschoben (siehe auch „Arbeiter auf Stuttgart 21-Baustelle infiziert„). Unter den zirka 100 TeilnehmerInnen waren auch Teile der S21-GegnerInnen, die noch immer am Protest gegen das kapitalistische Großprojekt festhalten“, berichteten TeilnehmerInnen.
Vor dem Klinikum Stuttgart begann gegen 11 Uhr eine von Verdi organisierte Kundgebung, an der sich etwa 200 Menschen beteiligten. Thematisiert wurden die Forderungen der Beschäftigten nach besseren Arbeitsbedingungen, mehr Lohn und tatsächlicher Anerkennung jenseits „billiger Worte und Applaus“.
Das (Frauen)Aktionsbündnis 8. März sorgte auf dem Weg vom Klinikum zur Bündniskundgebung mit ausdrucksstarken Wäscheleinen und Plakaten für eine Stadtverschönerung.
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