Von Wolfgang Achnitz – Baden-Baden. Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Stefan Räpple darf von der Amadeu-Antonio-Stiftung als „erklärter Antisemit“ bezeichnet werden. Das Landgericht Baden-Baden hat am Donnerstag eine Unterlassungsklage des ehemaligen AfD-Politikers abgewiesen: Die Meinungsfreiheit überwiege in diesem Fall.
Die vierte Zivilkammer unter Leitung von Richterin Marion Brede wies mit dem Urteil eine Klage des ehemaligen AfD-Politikers ab, der nicht persönlich zur Verkündung erschien. Räpple hatte die Berliner Stiftung verklagt, weil sie ihn im Online-Nachrichtenportal „Belltower News“ im November 2019 als „erklärten Antisemiten und Holocaust-Relativierer“ bezeichnet hatte (siehe „Räpple will kein Antisemit sein„).
Bezeichnungen beruhen „auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage“
Die Kammer fasst die Äußerung, die 2019 im Rahmen der Berichterstattung über den AfD-Parteitag in Braunschweig getätigt worden war, jedoch als Werturteil auf, das unter die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes falle. Sie enthalte im Schwerpunkt eine „Bewertung der inneren Geisteshaltung des Klägers, die einem Wahrheitsbeweis nicht zugänglich sei“, heißt es im Urteil. Die Meinungsäußerung der von der Bundeszentrale für politische Bildung als Bildungsträger anerkannten Stiftung überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die gewählten Bezeichnungen beruhen nach Meinung des Gerichts „auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage“ und genießen überdies „als Bestandteil des politischen Meinungskampfs in der Öffentlichkeit einen besonderen Grundrechtsschutz“.
Dabei habe die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger als Politiker und Abgeordneter des Landtags eine Person des öffentlichen Lebens ist und dass er sich in der Vergangenheit bei zahlreichen Gelegenheiten mit auch kontroversen Äußerungen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet habe. Der Kläger habe sich somit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfs unterworfen, weshalb er „eine scharfe Reaktion“ auch dann hinnehmen müsse, wenn sein Ansehen durch diese gemindert werden könne.
Dem Holocaustrelativierer eine antisemitische Weltsicht attestiert
Die Einordnung durch das Nachrichtenportal „Belltower News“ erfolgte nicht grundlos: Im Februar 2017 weigerte sich Räpple, eine Erklärung der AfD-Landtagsfraktion zur Abgrenzung von Antisemitismus und Rassismus zu unterschreiben. Seit Februar 2019 lief ein Antrag auf Parteiausschluss gegen den AfD-Politiker, in dessen Begründung selbst die AfD Räpple eine antisemitische Weltsicht attestiert. Ebenso schwer wiegen die Hinweise darauf, dass Räpple als Holocaustrelativierer bezeichnet werden kann. Wie die Frankfurter Rundschau berichtete, erklärte er, es sei „nicht mal mehr möglich zu fragen, ob sechs Millionen Juden in den KZ umgekommen sind oder ob es nicht vielleicht doch nur viereinhalb Millionen waren“. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Januar 2020 als erstes deutsches Staatsoberhaupt anlässlich des Holocaust-Gedenktags eine Rede in Yad Vashem hielt, verunglimpfte der AfD-Politiker Steinmeier auf Facebook und forderte ein Ende des „deutschen Schuldkults“. Bereits seit Jahrzehnten wird dieser Begriff von Rechtsextremen genutzt, um die NS-Verbrechen zu verharmlosen oder gar zu leugnen.
Mit seiner Klage wollte Räpple zugleich die Gemeinnützigkeit der bundesweit tätigen Stiftung infrage stellen. Es könne nicht sein, so argumentierte er in der Hauptverhandlung im August, dass eine staatlich finanzierte Institution solche Äußerungen tätige. Doch auch hier entschied das Gericht anders: Die Finanzierung von Projekten der Stiftung durch staatliche Zuschüsse bedeute „keine unmittelbare staatliche Einflussnahme, so dass die Beklagte auch keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliege“.
Räpple, der Verfolgte
„Wie haltlos die Anschuldigungen waren, spielte für Räpple keine Rolle“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, auf Anfrage der Lahrer Zeitung. „Es ging bei dem Verfahren darum, Journalisten einzuschüchtern und ihnen das Leben schwer zu machen. Das Verfahren hatte für ihn den Zweck, sich als Verfolgter zu inszenieren – und ist damit ein gutes Beispiel für rechtsalternative Parallelwelten. Wir freuen uns sehr, dass diese Instrumentalisierung der Justiz gescheitert ist.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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