Hamburg. Die Große Strafkammer 27 am Hamburger Landgericht hat am 27. Januar entschieden, das im Dezember eröffnete Pilotverfahren im so genannten Rondenbarg-Komplex zu den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 abzubrechen. Der Vorsitzende Richter Georg Halbach begründete den Abbruch mit der Entwicklung der Covid-19-Pandemie.
Erst am 3. Dezember 2020 hatte das Landgericht das erste größere Rondenbarg-Verfahren eröffnet. Vor Gericht stehen fünf Menschen aus Stuttgart, Mannheim, Halle und Bonn. Bei ihnen handelt es sich um die jüngsten Beschuldigten; insgesamt sollen in diesem Zusammenhang über 80 Personen angeklagt werden. Ihnen wird nach einer von der Polizei angegriffenen Versammlung unter anderem gefährliche Körperverletzung, Widerstand und tätlicher Angriff auf VollstreckungsbeamtInnen sowie die Bildung bewaffneter Gruppen und Landfriedensbruch vorgeworfen. Allerdings werden ihnen keine individuellen Straftaten zugeordnet, sondern pauschal alle Aktivitäten angelastet, die aus dem Protestzug heraus ausgeübt wurden.
„Hauptverhandlung hätte nicht eröffnet werden dürfen“
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. erklärt hierzu: „Die Hauptverhandlung hätte unter den Pandemie-Bedingungen im Dezember letzten Jahres gar nicht erst eröffnet werden dürfen. Es war bereits damals unzumutbar und fahrlässig, die Angeklagten über so lange Distanzen und teilweise aus Risikogebieten wöchentlich zu Verhandlungen nach Hamburg anreisen zu lassen.“ Die Verteidigung hatte bereits am zweiten Verhandlungstag im Dezember einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt. Unverständlicherweise hatte die Strafkammer dem aber unter Verweis auf das angeblich ausreichende Hygienekonzept des Gerichtes widersprochen. Bereits nach den ersten beiden Verhandlungstagen im Dezember hatte die Kammer unter Vorsitz von Richter Halbach dann zunächst entschieden, die für Januar geplanten Verhandlungstermine ausfallen zu lassen und die Hauptverhandlung frühestens am 10. Februar fortzusetzen. Nun hat sie entschieden, den Prozess abzubrechen. Ähnlich wie bereits vor drei Jahren der Prozess gegen den Italiener Fabio V. wird das Verfahren gegen die fünf jungen Angeklagten somit auf unbestimmte Zeit verschoben und soll zu einem späteren Zeitpunkt neu eröffnet werden.
„Schon die Eröffnung des Gerichtsverfahrens im Dezember 2020, knapp dreieinhalb Jahre nach dem G20-Gipfel, war unverhältnismäßig, da für Jugendverfahren ein Beschleunigungsgrundsatz gilt. Wir haben es hier mit einem massiven Eingriff in die Lebensplanung der jungen Angeklagten zu tun, die zudem durch die ersten Verhandlungstage einem erheblichen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wurden“, so Anja Sommerfeld weiter.
Angegriffene auf der Anklagebank – kein einziger Polizist angeklagt
„Der Zeitpunkt der Eröffnung ist aber nicht das einzig Groteske und Skandalöse an diesem Verfahren: Die Anklage stellt die Ereignisse vom 7. Juli 2017 am Rondenbarg vollkommen auf den Kopf. Dort wurde eine legitime Demonstration von der Polizei angegriffen, brutal zerschlagen und dabei zahlreiche Demonstrierende verletzt. Es ist absolut zynisch, dass nun die Angegriffenen auf der Anklagebank sitzen, während bis heute kein einziger Polizist angeklagt ist.“
Die Rote Hilfe e.V. fordert die Einstellung des so genannten Rondenbarg-Verfahrens ebenso wie die Einstellung aller G20-Verfahren und die Beendigung der Anklagen gegen alle Betroffenen.
Berichte zu den bisherigen Verhandlungstagen gibt´s hier.
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