Von Paul Linker – Stuttgart. Am Weltspartag im Oktober 2021 sandten mehrere AktivistInnen von Exctinction Rebellion in Stuttgart ein deutliches politisches Signal, indem sie im gesamten Stadtgebiet Geldautomaten in Filialen der LBBW-Bank mit klaren Botschaften beklebten. Die Aktion hatte jetzt ein gerichtliches Nachspiel.
In den 2021 verteilten Botschaften wurde eindringlich auf die Rolle der LBBW bei der Finanzierung von Kohleinfrastruktur und im Rüstungsgeschäft hingewiesen. Die LBBW gehört zu den Top-10-Investoren in fossile Unternehmen in Deutschland (Stand 2023), und investiert alleine in RWE fast 10 Millionen Euro.
Die an der Aktion beteiligten AktivistInnen wollten mit ihren an den Geldautomaten lose klebenden Zetteln und einigen Absperrbändern darauf aufmerksam machen, dass die Geschäftstätigkeiten der LBBW-Bank Menschenrechte und Lebensgrundlagen gefährdet, und auf alternative Bankoptionen hinweisen.
Diese völlig gewaltfreien Aktionen führten allerdings zu einer bizarren Repressionswelle seitens des Staatsschutzes. Erst auf wiederholtes Nachfragen des ermittelnden Staatsschutzbeamten reagierte die Bank mit einer Anzeige wegen angeblicher Sachbeschädigung und stellte nicht verifizierbare „Reinigungskosten“ von 2500 Euro in Rechnung. Für das Entfernen von lose angeklebten Zetteln und etwas Absperrband wohlgemerkt.
Damit war der Eifer des Staatsschutzes aber noch lange nicht zu Ende. In der Folge gab es explizit wegen dieser Aktion mehrere Hausdurchsuchungen bei den AktivistInnen, und es wurden Datenträger beschlagnahmt. Auch leiteten die Beamten bei einigen der von dieser Repressionswelle betroffenen Personen erkennungsdienstliche Maßnahmen ein.
Gegen die AktivistInnen wurden danach von der wohl von einem rigorosen Verfolgungseifer befallenen Staatsanwaltschaft Stuttgart Strafbefehle wegen Sachbeschädigung von bis zu 2500 Euro Höhe versandt.
Diese Strafbefehle wurden jedoch nicht nicht akzeptiert, weshalb am Montag, 27. November, vor dem Amtsgericht Stuttgart ein weiterer Prozess in diesem Zusammenhang stattfand. Ein junger, nicht vorbestrafter Mann hatte ebenfalls einen Strafbefehl wegen „Sachbeschädigung“ über 50 Tagessätze zu je 30 Euro erhalten, ihn jedoch nicht akzeptiert.
Vor dem Prozess gab es vor dem Amtsgericht Stuttgart eine Solikundgebung für den Angeklagten. Es nahmen etwa 20 SympathisantInnen teilnahmen. Es gab interessante Redebeiträge aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und von der Roten Hilfe.
Schon beim Betreten des Amtsgerichts wurde klar, wie „gefährlich“ die den Angeklagten solidarisch begleitenden ProzessbeobachterInnen der Repression wohl erschienen. Neben der obligatorischen Kontrolle im Erdgeschoss des AG wurden die BesucherInnen auch vor dem Saal selbst nochmals gründlich gefilzt.
Der Prozess selbst war zu großen Teilen von der Vernehmung des ermittelnden Staatsschutzbeamten geprägt, bei der es erneut überdeutlich erkennbar war, welch enormer Aufwand betrieben wurde, um eine Gruppe von engagierten Menschen zu verfolgen, die bei ihrer Aktion völlig gewaltfrei agiert haben. Wie sich der angebliche Sachschaden von 2500 Euro zusammensetzt oder welche Rolle der Angeklagte nun scheinbar gespielt haben soll, konnte aber auch der eifrige Beamte nicht erklären.
Ein Antrag des solidarischen Verteidigers Franz Spindler auf Einstellung des Verfahrens schien bei der Vorsitzenden Richterin sogar auf eine gewisse Bereitschaft zu stoßen, wurde allerdings von der jungen Staatsanwältin mit eiskaltem Lächeln und ebensolchen Argumenten rigoros abgelehnt.
Es kam, wie es wohl kommen musste. Unter vielfältigen Beteuerungen, welches Verständnis sie doch für die Argumente des Angeklagten habe und wie sehr sie doch „zu seinen Gunsten“ entscheide, verurteile die Richterin den Genossen zu 40 Tagessätzen zu je 30 Euro.
Ein sehr „mildes“ und „verständnisvolles“ Urteil aus Sicht der ProzessbeobachterInnen. Dieses Urteil belegt aber auch eindrucksvoll, mit welchem enormen – auch technischen – Einsatz die Strafverfolgungsbehörden gegen Menschen vorgehen, die sich aus mehr als berechtigten Gründen und mit absolut gewaltfreien Aktionen für die Klimagerechtigkeit einsetzen, während gleichzeitig in hiesigen Parlamenten Rassisten und Faschisten völlig ungehindert ihre menschenverachtenden Parolen zum besten geben können.
Die Erklärung des Angeklagten vor Gericht kann hier nachgelesen werden.
Folge uns!