Waiblingen. Die AfD rief eine Woche vor ihrem Bundesparteitag zum Landesparteitag in Baden Württemberg. Rund 320 AfD-Mitglieder folgten dem Aufruf und versammelten sich am 23. April im Waiblinger Bürgerzentrum. Der Parteitag rief aber auch bis zu 300 AfD-GegnerInnen auf den Plan, die gegen die rechtsradikale Partei protestierten. Etwa 200 Polizeibeamte waren zum Schutz der AfD im Einsatz. Zur Beobachtung der Proteste gegen den Landesparteitag setzte die Polizei Kameras ein, um das Geschehen zu überwachen. Die Antifaschistische Jugend Rems-Murr erhebt nun Vorwürfe gegen die Polizei und die Stadtverwaltung.
Zu den Protesten hatte ein breites Bündnis aufgerufen. Zu ihm zählten neben diversen antifaschistischen Gruppen auch Gewerkschaftsstrukturen und Parteien. Eine Auflistung der Bündnisbeteiligten findet sich in unserem Beitrag „Gegen den Landesparteitag der AfD„.
Polizei filmt gesamte Kundgebung mit stationären Kameras
Am Bürgerzentrum versammelten sich ab 9 Uhr nach und nach rund 200 Menschen, um ihren Unmut gegen den Landesparteitag der AfD kundzutun. Die Polizei überwachte die gesamte Kundgebung mit mindestens zwei Kameras. Der Einsatzleiter der Polizei Peter Hönle erklärte gegenüber den Beobachter News, es habe eine Bildübertragung zur Direktion gegeben. Dort sei das Geschehen beobachtet worden. Es habe sich um Übersichtsaufnahmen ohne Tonübertragung gehandelt.
Das Filmen von Demonstrationen ist nach verschiedenen Gerichtsentscheidungen nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig. Gemäß Bundesversammlungsgesetz dürfen Polizisten Versammlungen nur filmen, „wenn von den Teilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen“. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin heißt es: „Die Beobachtung einer Versammlung durch die Polizei mittels Kameras und die Übertragung der Bilder in die Einsatzleitstelle ohne die Einwilligung der Versammlungsteilnehmer stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.Vm. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Dies gilt auch, wenn keine Speicherung der Bilder erfolgt.“ Das Urteil kann hier nachgelesen werden. Einen weiteren einschlägigen Beschluss veröffentlichte das Oberverwaltungsgericht Münster am 29.11.2010. Dort heißt es, die Polizei dürfe eine friedliche Kundgebung nicht filmen. Das OVG lehnte in der Folge eine Berufung ab.
Spontaner Blockadeversuch
Ein Teil der Protestierenden versuchte, auf den Parkplatz des Bürgerzentrums zu gelangen. Dies verhinderte die Polizei umgehend. Nach Angaben von Teilnehmern dieser Aktion wollte man zu einem weiteren angemeldeten Kundgebungsplatz gelangen. Die Polizei widersprach dieser Aussage. Einsatzleiter Hönle erklärte, dass von vier angemeldeten Kundgebungsorten nur drei zugelassen worden seien. Dieser Einschränkung hätten die Anmelder zugestimmt. Die Antifaschistische Jugend Rems-Murr spricht hingegen davon, dass die Polizei eine angemeldete Kundgebung verhindert habe.
AfD-Sicherheitschef mit eigenwilliger Auslegung der Pressefreiheit
Der Zugang für die Presse in den Bereich zwischen dem Bürgerzentrum und den Protestierenden war nur in Begleitung des Pressesprechers der Polizei möglich. Er wurde hinzugerufen, nachdem sich eine kleine Gruppe von JournalistInnen an der Polizeiabsperrung gemeldet hatte. Der herbeigeeilte „Sicherheitschef“ der AfD intervenierte mit den Worten, „die können alle rein, aber nicht Herr Denzinger von den Beobachter News“ – der Herausgeber und Chefredakteur unseres Online-Magazins.
Als Begründung führte der AfD-Vertreter aus, er kenne die Beobachter News gut und wisse, „was die machen“ würden. Ein weiterer Polizeibeamter erklärte daraufhin, dass er die Beobachter News und den hier eingesetzten Mitarbeiter ebenfalls kenne und er selbstverständlich in den abgesperrten Bereich dürfe.
Kundgebungsredner thematisieren den Rechtsruck
An den Protesten beim Bürgerzentrum beteiligte sich auch der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky (Freie Wähler) und Landes-Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD). In mehreren Redebeiträgen wurden der Rechtsruck und der wachsende Rassismus thematisiert. Der Fraktionsvorsitzende der ALi im Waiblinger Gemeinderat Alfonso Fazio erklärte, man lasse sich von der AfD „nicht fertigmachen“. Er erhielt für seine Rede starken Applaus.
Video: privat
Dieter Keller von der DKP stellte klar: „Die AfD ist für uns keine Alternative. Sie ist aktiver Teil des gesellschaftlichen Rechtsrucks in Deutschland und Europa.“ Weitere Redebeiträge kamen etwa von Thomas Grau von Amnesty International, vom Antifaschistischem Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) und von Reinhard Neudorfer von der Linken.
AfD-Fiechtner provoziert – Polizei schreitet sofort ein
Der Stuttgarter AfD-Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner versuchte in gewohnter Manier, die AfD-GegnerInnen zu provozieren, sie etwa durch Winken und Lachen gegen sich aufzubringen. Bei Veranstaltungen der AfD oder dieser Partei nahestehender Gruppierungen in Stuttgart genoss er bei solchen Provokationen regelmäßig Polizeischutz. In Waiblingen funktionierte diese Vorgehensweise allerdings nicht. Der Einsatzleiter der Polizei griff umgehend ein. Er wies Fiechtner an, die Provokationen sofort zu unterlassen und sich in die Halle zu begeben.
Lautstark durch die Innenstadt
An der sich anschließenden Demonstration durch die Waiblinger Innenstadt beteiligten sich rund 300 Menschen. Sie zogen bis zum Alten Postplatz, auf dem die Versammlung mit einer Abschlusskundgebung endete. Der Redebeitrag des Aktionsbündnisses gegen den AfD-Bundesprogrammparteitag kann hier nachgelesen werden. Dieses Bündnis ruft zum Protest gegen den für den am 30. April und 1. Mai geplanten Parteitag der AfD auf dem Messegelände am Stuttgarter Flughafen auf (siehe hierzu auch unseren Beitrag „Bündnis gegen AfD lässt sich nicht spalten„).
Spontandemo zum Bahnhof
Nach Auflösung der Versammlung formierte sich eine Spontandemonstration zum Waiblinger Bahnhof. Sie erreichte ihr Ziel ohne Zwischenfälle.
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