Germersheim. Vor dem Amtsgericht Germersheim wurde am Freitag, 16. August, der Einspruch des 48-jährigen M. gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt. Dem Mitglied des Bündnisses Kandel gegen Rechts wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a vorgeworfen. Neben der Verteidigung forderte jedoch auch die Staatsanwaltschaft Freispruch.
Konkret soll er im September 2018 bei den Protesten gegen den Aufmarsch des sogenannten „Frauenbündnisses Kandel“ zusammen mit weiteren Personen „sich mit normalen Bekleidungsgegenständen (Schal, Kapuzen und Sonnenbrillen)“ vermummt haben und diese angebliche Vermummung auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben (siehe „Neonazi-„Führer“ verliert die Nerven„).
Von Vermummung keine Rede
Gegen den Bußgeldbescheid legte M. Einspruch ein, so dass es nun zur Verhandlung kam. Der Verteidiger von M. machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mittels Kapuze nicht gegeben habe. Zudem liege kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn sich jemand zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummt.
Da sich die Gruppe um M. quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des sogenannten „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe, eine Identifizierung also bereits erfolgt war, sei diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem habe M. sich „mit offenem Visier“, nämlich mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, als er versuchte, eine „Spontanversammlung“ anzumelden.
Auch die Staatsanwaltschaft forderte Freispruch
Dieser Sichtweise der Verteidigung schloss sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er bezeichnete eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des sogenannten „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim, zumal Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Websites im Umfeld des sogenannten „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien.
So forderten der Verteidiger von M. und der Vertreter der Staatsanwaltschaft einhellig eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war).
Frauenbündnis Kandel ist „klar rechts“
Die Richterin ging sogar noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von M., in dem ihm bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben, so dass der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim nicht rechtmäßig war. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Bemerkenswert waren einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin. So stutzte der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. Hier vertrat er die eindeutige Sichtweise, dass das sogenannte „Frauenbündnis Kandel“ sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts sei.
Zeichen des Gerichts an die Kreisverwaltung
Die Richterin begründete, weshalb sie ein Urteil fällte, statt das Verfahren einzustellen: um ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim zu senden. Sie habe schon mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen. Keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen. Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie beides häufig mit sich führe.
M. sagte nach dem Urteil, dass er darin ein klares Signal gegen die von Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung sehe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klargestellt, dass die zuständigen Behörden willkürlich und rechtlich unzulässig gehandelt hätten.
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