Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Mit einer Solidaritätskundgebung mit über 30 TeilnehmerInnen startete am Montag, 19. Oktober, der fünfte und letzte Verhandlungstag gegen einen jungen Antifaschisten vor dem Stuttgarter Amtsgericht. Grundlage der Anklage waren 14 Taten – von „Schwarzfahren“ über Beleidigung und Landfriedensbruch bis zu gefährlicher Körperverletzung reichten die Vorwürfe. Am Ende verurteile Richterin Susanne Böckeler den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Bemerkenswert ist, dass die Vorwürfe des verwirrten „Berichterstatters“ Klaus N. (Name von der Redaktion geändert), der bei einem Angriff von angeblichen „Linksextremisten“ am Kopf getroffen worden sein will, gänzlich unberücksichtigt blieben. N. war offenbar allen Prozessbeteiligten suspekt. Der Mann soll laut Polizeiauskunft der Reichbürgerszene zuzuordnen sein. Selbst Staatsanwältin Henze stimmte der Einstellung zu.
Klaus N. ist in der Region Stuttgart kein Unbekannter. Er fällt immer wieder durch provokatives Fotografieren und Filmen am Rand von Demonstrationen und Kundgebungen auf. Seine Bemühungen, mit eigenen Versammlungen politisch in Erscheinung zu treten, hatten in den letzten Jahren meist ein klägliches Resultat (ein Beispiel gibt es hier). Gegen N. laufen mehrere Strafermittlungsverfahren. Auch eine Unterlassungsklage vor dem Landgericht Stuttgart ist anhängig.
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„Schauprozess und Angriff auf alle AntifaschistInnen“
Am Ende der Beweisaufnahme gab der Angeklagte eine Erklärung ab. Er bezeichnete das Verfahren als „Schauprozess“ und als einen „Angriff auf alle AntifaschistInnen aus Stuttgart“. In seiner Erklärung (welche hier nachgelesen werden kann) thematisierte er auch die jüngsten Ereignisse um die Razzien gegen bewaffnete mutmaßliche Neofaschisten im süddeutschen Raum.
Staatsanwältin Henze forderte in ihrem Schlussplädoyer eine Haftstrafe von drei Jahren. Sie sah die Vorwürfe des Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Beleidigung, des Widerstands gegen Polizeibeamte, der Sachbeschädigung, des „Schwarzfahrens“, der Bedrohung, des tätlichen Angriffs, des schweren Landfriedensbruchs, der versuchten gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung als bewiesen an.
„Verurteilt mich, es hat keine Bedeutung“
Rechtsanwalt Franz Spindler zitierte in seinem Schlussvortrag Fidel Castro: „Verurteilt mich, es hat keine Bedeutung. Die Geschichte wird mich freisprechen.“ Er stellte der Forderung von Staatsanwältin Henze das Urteil gegen einen NSU-Unterstützer gegenüber. Der Terrorhelfer wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, durfte aber den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Es gebe viele Überzeugungen, die Überzeugung des Angeklagten sollte berücksichtigt werden, so Spindler.
Dieser Staat trage die Last von Millionen Toten mit sich. Keine drei Generationen sei es her, da seien im Hof des Stuttgarter Landgerichts Gefangene hingerichtet worden. Der spätere Ministerpräsident Hans Filbinger sei Marinerichter gewesen, der noch nach Kriegsende Menschen hinrichten lies. In Deutschland seien seit 1990 viele Menschen von Rechten getötet worden. Schließlich zählte Spindler die einzelnen Opfer namentlich auf. Nannte in seinem rund einstündigem Plädoyer den Tatzeitpunkt und den Tathergang von über 200 Morden. Eine Auflistung, die der Richterin und den beiden SchöffInnen sowie der Staatsanwältin viel Geduld abverlangte.
ZuhörerInnen reagieren noch im Gerichtssaal auf das Urteil
Richterin Böckeler verurteilte den jungen Antifaschisten schließlich zu zweieinhalb Jahre Haft. Die Taten seien nachgewiesen, und sie seien rechtlich nicht legitim. ZuhörerInnen im Gerichtssaal spannten daraufhin ein Transparent auf und riefen „Freiheit für alle politischen Gefangenen“.
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Eine eifrige Staatsanwältin, ein eingeschüchterter Einzelkämpfer und merkwürdige Kumpaneien
Kumpanei im Gerichtssaal hat Folgen
Ein verwirrter Zeuge und eine Staatsanwältin in Begleitung „fremder Männer“
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