Von Sahra Barkini – Stuttgart. Der 1. Mai in Stuttgart war fast so wie der ArbeiterInnenkampftag in den Jahren vor der Pandemie. Große kämpferische Demonstrationen zogen durch die Innenstadt. Und im Anschluss konnte gefeiert werden. An der DGB-Demonstration beteiligten sich weit mehr als die angemeldeten 3000 Menschen. Bei der Revolutionären 1. Mai-Demonstration im Anschluss nahmen 850 Menschen teil. Die Polizei, wie immer mit einem Großaufgebot vor Ort war, reagierte während der DGB-Demo sehr hart auf das Anbringen von Plakaten am Gebäude des Ordnungsamtes. Die Beamten setzten sowohl Pfefferspray als auch Schlagstöcke ein. Auch bei der Revolutionären Demonstration kam es zum Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz. Die Demosanitäter Südwest sprachen in ihrem Bericht von 26 Verletzten, die Dunkelziffer nicht eingerechnet.
- Fronttransparent beim DGB…
- … und bei der Revolutionären 1. Mai-Demo
Bereits im Vorfeld der Gewerkschaftsdemonstration waren Polizeikontrolle bei nach dem Urteil der PolizeibeamtInnen augenscheinlich linken Personen zu beobachten. In der Tübinger- Ecke Kolbstraße kontrollierten die BeamtInnen Taschen und Rücksäcke. Bei beiden Demonstrationen waren mehrere BeamtInnen in Zivil im Einsatz.
Infostände und Biertische auf dem Marktplatz
Auf dem Marienplatz startete um 10 Uhr die DGB-Demonstration. Angeschlossen hatten sich Gewerkschaften, linke Gruppen, türkische, griechische und kurdische Gruppierungen, Parteien und ein großer, lautstarker Revolutionärer Block. Vom Marienplatz zog der Demonstrationszug über die Tübinger Straße. An der Paulinenbrücke hängten AktivistInnen ein Transparent auf: „Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten streiken und kämpfen! Das Problem heißt Kapitalismus!“.
Weiter ging es über die Torstraße und die Hauptstätter Straße. Am nahen Ordnungsamt brachten AktivistInnen Plakate an. Darauf reagierte die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstockeinsatz.
Wie die Demosanitäter mitteilten, wurden hierbei sechs Personen verletzt. Nach diesem Zwischenfall setzte sich der Revolutionäre Block – die restliche Demonstration war bereits weitergezogen – ebenfalls wieder in Bewegung. Über den Charlotten- und Schillerplatz ging es auf den Marktplatz. Dort fand die Abschlusskundgebung sowie ein Maifest der Gewerkschaften statt. Durch die vielen Infostände und Biertischgarnituren ging es sehr eng zu, was in der noch immer herrschenden Pandemie und nach zwei Jahren Abstandhalten etwas erschreckend wirkte.
Revolutionäre Demonstration
Die Kundgebung startete mit einer Schweigeminute und ging mit Redebeiträgen und Musik weiter. Während sich die einen schon entspannten, formierte sich der Revolutionäre Block, um losziehen in Richtung Rotebühlplatz. Dort startete die Revolutionäre Demo, an der sich etwa 850 Menschen beteiligten. Kurdische und türkische AktivistInnen, KommunistInnen, KlimagerechtigkeitsaktivistInnen und viele junge Menschen nahmen teil. Der Revolutionäre Frontblock machte den Anfang, dann folgte der Klimagerechtigkeitsblock, AktivistInnen der kurdischen Bewegung und der kommunistischen Organisationen und Parteien aus der Türkei. Sowie viele weitere Menschen. In Redebeiträgen wurde auf die Verflechtungen zwischen Kapitalismus und Rassismus eingegangen. In einem Redebeitrag der kurdischen Bewegung wurde über die Angriffe der türkischen Armee auf die befreiten Gebiete in Nordkurdistan berichtet.
Im Anschluss zog der Demonstrationszug zum Wilhelmsplatz. Vor dem dortigen SPD -Gebäude gab es eine Zwischenkundgebung und eine Aktion. In einer Rede wurde über den russischen Angriffskrieg und die daraus resultierende Aufrüstung in Deutschland gesprochen. Den Preis für die massive Aufrüstung zahlen am Ende nicht nur die vom Krieg betroffenen sondern alle Menschen. Die Folgen in Deutschland seien schon jetzt spürbar. Lebensmittel und Spritpreise steigen. Und für Klima und Soziales werde erneut kein Geld da sein.
Während der Rede wurden Schilder gegen die SPD hochgehalten, und ein extra aufgestellter SPD-Schriftzug wurde mit roter Farbe gesprenkelt. Aus Sicht der AktivistInnen ist das einzig Rote an der SPD noch das Blut, das an den Händen klebt. Bereits im Vorfeld zur 1. Mai-Demonstration wurde die Fassade der SPD mit roter Farbe eingefärbt.
Schlagstock und Pfefferspray
Die weitere Demoroute führte durch das Heusteigviertel. Eine weitere Zwischenkundgebung auf Höhe der Olgastraße befasste sich mit den massiven Teuerungen. Am Marienplatz nahm die Demonstration nicht die vom Ordnungsamt vorgeschriebene Route sondern versuchte, über die Böheim- statt die Böblinger Straße zu gehen. Das führte erst zu Irritationen bei der Polizei und dann erneut zu Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz. Die Verletztenzahl hierbei gaben die Demosanitäter mit 16 an. Davon die meisten aufgrund von Pfefferspray (11), 3 psychische, 1 internistische und 1 chirurgische Verletzung. Auch hierbei könnte die Dunkelziffer höher liegen.
Nachdem die Polizei weitere Kräfte inklusive Pferdestaffel zusammengezogen hatte, gingen die DemonstrantInnen wieder auf die ursprüngliche Route und hielten auf dem Erwin-Schoettle-Platz die Abschlusskundgebung ab. In einem Redebeitrag der Solidaritätskampagne „Antifa bleibt notwendig“ ging es um den Umgang mit Repressionen, die gerade AntifaschistInnen häufig treffen. Nach der Demonstration wurde beim Fest am Linken Zentrum Lilo Herrmann (Lilo) und im Stadtteilzentrum Gasparitsch noch gefeiert. Der Andrang war nach zweijähriger Corona-bedingter Zwangspause groß. Im Lilo sorgten unter anderem die Demosanitäter gemeinsam mit den Versorgern fürs Essen. Es gab Kartoffeln mit verschiedenen Dips.
Videos
Weitere Bilder des Tages von der Revolutionären 1. Mai-Demo…
… und von der Demonstration des DGB
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